Mancher Wanderer macht die Erfahrung, dass das, was ihm von Weitem als eine grosse, scheinbar unüberwindliche Schwierigkeit vorkommt, sich nicht als halb so schlimm erweist, wenn er sie durchschreitet. Schroffe Felsen und hohe Berge, zwischen denen der Weg hindurchführt, erfüllen sein Herz aus der Ferne mit Schrecken und Verlegenheit. Aber je näher er ihnen kommt, desto harmloser erscheinen sie ihm. Wenn er sie Schritt um Schritt durchschreitet, schrumpft die vorauserwartete Schwierigkeit zusammen, und er wird mit einer bis dahin unbekannten Aussicht belohnt, wenn die Höhen erklommen sind.
Die Erfahrungen des Christen auf seiner Reise durch das Leben sind ähnlich. Welches Kind Gottes war nicht schon beunruhigt und bestürzt, wenn es auf die bevorstehenden Schwierigkeiten blickte, die unüberwindlichen Bergen gleichen? Und wer hat nicht auch erfahren, dass dann die erwartete Not in keiner Weise dem Gespenst glich, das wir aus der Entfernung zu sehen vermeinten! Oft sogar lösten sich die gesichteten Berge der Schwierigkeiten beim Näherkommen ganz und gar in nichts auf! Ist dies nicht eine der häufigsten Erfahrungen auf dem Lebensweg?
Gibt es ein Heilmittel gegen solche unnötige Ängstlichkeit? Unser Herr sah zum Voraus, dass sich seine Jünger auf diese Weise beunruhigen würden und ermahnte sie zu einem Leben des Vertrauens zu ihrem himmlischen Vater und zu seiner liebenden Fürsorge. «Seid nicht besorgt für euer Leben … euer himmlischer Vater weiss, dass ihr dies alles nötig habt» (Mt 6,25.32). So lauten seine tröstenden Worte. Und dann, als Zusammenfassung seiner Lehre, empfahl Er ihnen eindringlich, einen Tag um den anderen zu nehmen und nicht in Furcht vor dem unbekannten, aber schon vergegenwärtigten morgigen Tag zu leben. «seid nun nicht besorgt für den morgigen Tag, denn der morgige Tag wird für sich selbst sorgen. Jeder Tag hat an seinem Übel genug» (Vers 34).
Dies, lieber Bruder, liebe Schwester, ist die Heilkur gegen die üble Gewohnheit, sich über künftige Schwierigkeiten Sorgen zu machen. Lerne, in der Gegenwart zu leben, Augenblick um Augenblick mit dem Herrn voranzugehen und nicht in den Nöten der Zukunft, von denen die meisten gar nicht eintreffen. Wie schon jemand gesagt hat: «Wenn der Morgen kommt, bringt er vielleicht gar nichts Böses mit sich, kommt aber Schweres, wird Gott darin sein.» Lasst uns denn mehr auf seine liebende Fürsorge trauen, denn – vergessen wir es nicht – sich sorgen ist nicht Glaube.
- Der Herr kennt jeden unsrer Pfade,
Ob steil sie seien, krumm, gerade,
Was gestern war, was heute uns bedrückt,
Das hat sein treues Auge schon erblickt.
Er weiss, was morgen kommt und sagt:
Vertraue mir, sei unverzagt!
Und sollte Ungemach kommen, so hat Er verheissen: «Meine Gnade genügt dir.» «Gott aber vermag jede Gnade gegen euch überströmen zu lassen, damit ihr in allem, allezeit alle Genüge habend, überströmend seid zu jedem guten Werk» (2. Kor 12,9; 9,8). Allezeit und für alles ist Gnade da, die für alles genügt, für alle Not und für jedes Werk. Er hat uns die Verheissung gegeben: «Wie deine Tage, so deine Kraft» (5. Mo 33,25).