Der Apostel Paulus schrieb den Gläubigen in Korinth: «Wir wandeln durch Glauben, nicht durch Schauen» (2. Kor 5,7). Er, den von aussen Kämpfe und von innen Befürchtungen bedrängten, stellt hier eine christliche Lebensregel auf. Wenn wir «einst nach dem Zeitlauf dieser Welt wandelten … indem wir den Willen des Fleisches und der Gedanken taten» (Eph 2,2.3), so ist es nun unser glückliches Vorrecht, eine weit bessere Lebensweise zu praktizieren, nämlich die des festen Vertrauens in die Wege Gottes. «Wir wandeln durch Glauben, nicht durch Schauen» – ist eine Botschaft, die den heutigen Christen nicht weniger gilt als denen vor 2000 Jahren.
Wenn schon die Wettervorhersage entmutigend ist, muss sich der Landmann doch nicht um seine Ernte beunruhigen. Obwohl sich das Bekenntnis der Bekehrung jenes jungen Mannes als oberflächlich erwiesen hat, soll dies mein Vertrauen in die Treue Gottes nicht erschüttern. Wenn schon mein Nachbar wohlhabend zu sein scheint, so ist das kein Grund dafür, meine Armut zu bejammern. Wir täten gut, uns in der Gegenwart des Herrn zu fragen: Sehen wir auf das, was vor Augen ist? (2. Kor 10,7).
Manche Nachfolger des Herrn werden antworten müssen: «Ja.» Der eine wird zu bekennen haben: «Ach Herr, wenn ich den sittlichen Verfall sehe, der in der letzten Zeit in der Welt so hemmungslos um sich greift, und ich daran denke, dass unsere Kinder – wenn du noch verziehst – in dieser Welt aufwachsen müssen, dann wird mir angst und bange.» Ein anderer wird sagen: «Ja Herr, wenn ich sehe, wie von so manchen Lehrstühlen und Kanzeln der Christenheit herab Lehren verbreitet werden, die die Autorität des Wortes Gottes untergraben oder die Person und das Werk unseres Herrn Jesus Christus angreifen, dann erfasst mich tiefe Niedergeschlagenheit. Ich wünsche dann das Eingreifen Gottes zu sehen, um dem beginnenden Abfall zu wehren.»
Fern sei es von uns, diesen Dingen gegenüber gleichgültig zu sein! Sie sollen uns zum Herrn ins Gebet treiben. Aber lasst uns dabei nicht so verzagt und davon übermannt werden, dass wir den schliesslichen Endsieg des Herrn aus den Augen verlieren!
«Jetzt aber sehen wir ihm noch nicht alles unterworfen» (Heb 2,8), sondern haben im Gegenteil eine Welt in Auflehnung gegen Gott vor uns. Wir sehen aus nach Ergebnissen der Evangeliumsverkündigung und rufen: «Herr, sind es wenige, die errettet werden?» Wir sehen auf die Zersplitterung des Volkes Gottes und sagen: «Welch ein trauriges Zeugnis! Kann es keine Frucht mehr bringen?» Wir schauen so oft und vergeblich nach Beweisen der Oberhoheit Gottes aus. – Doch alles das ist ein «Wandel durch Schauen».
Die Bedeutung des Wortes «sehen» in Hebräer 2,8 ist: der Eindruck, den unsere Augen von den Dingen um uns her empfangen. In Vers 9 hingegen lesen wir: «Wir sehen aber Jesus … mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt.» Dieses Haupt, das die Welt noch immer mit ihren grausamen Dornen der Verachtung und des Hasses entstellen würde, sehen wir durch Glauben «mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt».
Wenn die Sicht des Glaubens in diesem Leben unsere verzagten Herzen über die Gleichgültigkeit und den Unglauben erhebt, wenn Triumph das Zittern und Gesang das Seufzen ersetzt, wie wird uns dann sein, wenn wir am kommenden Tag den unverhüllten Anblick (1. Kor 13,12) unseres auferstandenen und verherrlichten Herrn vor uns haben! Denn Er muss herrschen, bis Er alle Feinde unter seine Füsse gelegt hat. Gott will, dass «in dem Namen Jesu jedes Knie sich beuge» – alle Feinde sollen unterworfen und jedes Knie gebeugt werden! Das «sehen wir noch nicht», aber der Glaube erfasst das «lebendige und bleibende Wort Gottes» und erfreut sich in dessen Offenbarungen wie in vollendeten Tatsachen.
Wenn seine Schmach in dieser Welt gross war, so wird auch die Offenbarung seiner Herrlichkeit gross sein. Wenn Er damals nicht widerstand, so wird dann Ihm niemand widerstehen. Wenn von Ihm spottend gesagt wurde: «Sei gegrüsst, König der Juden!», so wird Er dann als «König der Könige und Herr der Herren» anerkannt werden. Wenn Er mit Füssen getreten wurde, so wird Er dann «alle Feinde unter seine Füsse legen». Wenn Er sich in den Tod gab, so wird dann «der Tod der letzte Feind sein, der weggetan wird».
Dass doch diese Worte in unseren Herzen allezeit ein Echo fänden: «Das, was man sieht, ist zeitlich, das aber, was man nicht sieht, ewig» (2. Kor 4,18). Wenn wir ein sieghaftes Leben führen wollen, müssen wir daran denken, dass die Quelle unseres Sieges in Christus ist (siehe 2. Kor 2,14). So lasst uns denn «mit Ausharren laufen den vor uns liegenden Wettlauf, hinschauend auf Jesus» (Heb 12,1.2)!