Bevor wir auf die in unserem Kapitel geschilderte Begebenheit eingehen, wollen wir uns mit der Vorgeschichte der Rekabiter beschäftigen.
Ihre Herkunft
Hammat, der Vater des Hauses Rekabs, gehörte zu den Kenitern (1. Chr 2,55), einem arabischen Zweigstamm der Midianiter, die von Abraham abstammten (1. Chr 1,32). Über diese Keniter werden uns im Wort verschiedene Einzelheiten mitgeteilt:
1. Zur Zeit Abrahams
Die Keniter standen unter den zehn Völkern, deren Land schon dem Abraham zum Besitztum verheissen war, an erster Stelle (1. Mo 15,19). Bei der Einnahme des Landes fehlten sie jedoch auf der Liste der sieben Nationen (5. Mo 7,1).
Sie hatten ihren Wohnsitz auf den Felsen gesetzt und hofften, auf diese Weise dem Gericht zu entgehen (4. Mo 24,21), aber entsprechend den Regierungswegen Gottes mussten sie auf einen eigenen Landstrich verzichten.
Ein Teil der Keniter war jedoch mit den Kindern Juda aus der Palmenstadt Jericho heraufgezogen und hatte sich im Süden des Landes, in der Wüste Juda, die südlich von Arad liegt, niedergelassen (Ri 1,16; 1. Sam 27,10). Heber, der Keniter, hatte sich von seinen Stammesgenossen getrennt und wohnte im äussersten Norden bei Kedes, im Gebiet des Stammes Naphtali. Andere Familien der Keniter wohnten in Jabez, das zu Juda gehörte (1. Chr 2,55).
2. Der Ausspruch Bileams
Nach einem göttlichen Ausspruch des gottlosen Bileam sollten die Keniter vertilgt werden, wenn Assur sie gefangen wegführen würde (4. Mo 24,22). Das war ein düsterer Ausblick. Kein Wunder, dass verschiedene Personen dieses Geschlechtes mit dem Volk Israel in Verbindung zu treten suchten, um dort vor dem drohenden Gericht Zuflucht zu finden.
a) Reghuel
Reghuel oder Jethro, der Schwiegervater Moses, der Priester von Midian (2. Mo 2,18; 3,1; 18,1), freute sich über all das Gute, das Gott an Israel getan und dass Er es aus Ägypten erlöst hatte. Er anerkannte, dass der HERR grösser ist als alle Götter, und opferte Ihm Brand- und Schlachtopfer. Doch zog er wieder in sein Land zurück.
b) Hobab
Hobab, der Sohn Reghuels, der Schwager Moses, der Keniter, scheint sein Land und seine Verwandtschaft der Wüstenreise Israels vorgezogen zu haben, aber ein Teil seiner Nachkommen wohnten später unter dem Volk Israel (4. Mo 10,29; Ri 1,16).
c) Heber
Heber, der Keniter, hatte sich von den Kindern Hobabs, des Schwagers Moses, getrennt und wohnte unter dem Volk Israel, schloss aber gleichzeitig ein Friedensbündnis mit Sisera, dem Feind Israels. Seine Gattin hingegen stellte sich entschieden auf die Seite des Volkes Gottes und vernichtete Sisera, dessen Bedrücker, weshalb sie gesegnet wurde (Ri 4,11; 5,24). Diese Güte der Keniter gegenüber den Kindern Israels bewahrte sie zur Zeit des Königs Saul vor ihrem Untergange (1. Sam 15,6). So triumphierte ihnen gegenüber die Barmherzigkeit über das Gericht.
d) Hammat
Der eingangs erwähnte Hammat wurde dem Stamm Juda beigezählt.
Jonadab, der Vater der Rekabiter
Die Bibel enthält keinen Bericht über Rekab selbst; wir wissen nur, dass er seinen Sohn Jonadab nannte, d.h. «Gott gibt freiwillig», und ihn somit als ein Geschenk aus der Hand Gottes annahm.
Jonadab begegnete Jehu zwischen Beth-Eked-Haroim (d.i. Versammlungshaus der Hirten) und Samaria, als dieser im Begriff stand, das Gericht über das gottlose Haus Ahabs auszuführen. Solange es sich um die Ausrottung der götzendienerischen Baalspriester handelte, half er Jehu, wobei Jonadab aber besorgt war, dass kein Diener des HERRN in dieser gottlosen Umgebung dem Gericht zum Opfer fiel. Als Jehu aber auf dem Weg der Sünde voranschritt, wird Jonadab nicht mehr erwähnt (2. Kön 10,15).
Seine Entschiedenheit für Gottes Sache tritt umso mehr zutage, als verschiedene seiner Vorfahren, wie wir sahen, dem Volk Gottes nur mit geteiltem Herzen zugetan waren.
Die Gebote Jonadabs
In einer solchen Zeit des Abfalls gebot Jonadab seinen Kindern (Jer 35,6.7):
- keinen Wein zu trinken,
- kein Haus zu bauen,
- keinen Samen zu säen,
- kein Feld zu besitzen,
- keinen Weinberg zu besitzen,
- keinen Weinberg zu pflanzen,
- in Zelten zu wohnen.
Diese Vorschriften galten seinen Kindern, ihren Frauen, Söhnen und Töchtern in Ewigkeit.
Was mag Jonadab bewogen haben, seinem Haus solche Gebote aufzuerlegen? Sicher wollte er seine Familie vor den schädlichen Einflüssen eines abtrünnigen und verdorbenen Volkes bewahren, das zwar äusserliche Beziehungen zu Gott unterhielt, daneben aber dem Götzendienst huldigte. Sie wohnten in seiner Mitte, darum sonderte er die Seinen vom Bösen ab.
Das Gesetz Moses mochte ihm den Weg gewiesen haben. Ein Nasir weihte sich Gott freiwillig für eine bestimmte Zeit (wie z.B. Paulus nicht für sein ganzes Leben, sondern nur für eine bestimmte, uns allerdings nicht näher bekannte Zeit, ein Gelübde hatte – Apg 18,18) oder während seines ganzen Lebens (Ri 13,5.7). Unter den drei Dingen, vor denen sich der zu hüten hatte, der sich vom Bösen absonderte und Gott weihte, stand an erster Stelle das sich Enthalten vom Wein (4. Mo 6,3).
Die Heilige Schrift zählt verschiedene schlimme Folgen übermässigen Weingenusses auf:
- Die natürlichen Hemmungen fallen dahin, was unbedachte Worte und Handlungen zur Folge hat (Spr 23,33b; 20,1); Beispiele: Belsazar (Dan 5,2-4); Noah (1. Mo 9,21).
- Verarmung und Verwahrlosung an Geist, Seele und Leib (Spr 21,17; 23,20.21); Beispiel: Nabal (1. Sam 25,36.37).
- Anreizung zu den berauschenden Begierden der Welt und der Sünde (Spr 23,32); Beispiel: Lot (1. Mo 19,33).
- Verlust des nüchternen Unterscheidungsvermögens (Spr 23,34.35). Darum durfte der Priester keinen Wein trinken, bevor er in das Zelt der Zusammenkunft hineinging, damit er zwischen dem Heiligen und Unheiligen, zwischen dem Unreinen und Reinen zu unterscheiden vermochte (3. Mo 10,9.10). Auch ein König stand nach dem Weintrinken in Gefahr, das Vorgeschriebene zu vergessen und die Rechtssache der Elenden zu verdrehen (Spr 31,5).
- Übermässiger Weingenuss führt zur Gebundenheit (Spr 23,35).
Alle diese Dinge stehen aber im krassen Gegensatz zu einem Gott geweihten Leben.
Die geistliche Bedeutung der Gebote Jonadabs
1. Keinen Wein trinken
Der Wein ist im Wort Gottes ein Symbol der irdischen Freude (Ri 9,13; Ps 104,15). Soll nun ein Christ auf jegliche Freude verzichten? Im Gegenteil, das Neue Testament berichtet von dreierlei Freuden, die das Teil der Gläubigen sind, aber himmlischen Charakter tragen:
a) Eure Freude
So nennt der Herr selbst die Freude der Christen. Dazu gehört zum Beispiel die Freude des Heils (siehe Lk 10,20; Apg 8,39) und die Freude im Herrn (Phil 4,4), die Jesus zum Gegenstand hat.
b) Der Genuss der Freude des Herrn
Der Herr redet von «meiner Freude» (Joh 17,13) und bezeichnet damit die Freude an seinem himmlischen Vater, die Ihn erfüllte, wohin sein Weg Ihn auch führte. Dieselbe Freude ist auch unser Teil, wenn die Gemeinschaft mit dem Herrn nicht gestört ist.
c) Die ewige Freude beim Herrn (Joh 16,22)
Im Vaterhaus kann niemand und nichts uns diese Freude je stören oder rauben. Am Auferstehungstag freuten sich die Jünger, als sie den Herrn sahen. Es war ein Vorgeschmack dieser ewigen Freude. Aber sie hatten noch viele Fragen, die der Herr ihnen noch nicht beantwortet hatte (Apg 1,6). Beim Herrn werden wir keine Fragen mehr haben. Welch ein Ausblick!
d) Völlige Freude
Der Herr spricht an verschiedenen Stellen vom Genuss einer völligen Freude:
- Er ruft uns zum Gehorsam auf gegenüber den Geboten des himmlischen Vaters, damit die Freude Jesu in uns sei und unsere Freude völlig werde (Joh 15,11).
- Auch ermuntert Er die Jünger zum Gebet in seinem Namen, dessen Erhörung eine völlige Freude bewirkt (Joh 16,24).
- Der Herr bewahrt die Seinen in dieser bösen Welt im heiligen Namen des Vaters, damit sie seine Freude völlig in sich haben (Joh 17,13). Welche Sicherheit für uns!
- Die Gemeinschaft mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus, diese vertraute Übereinstimmung, ist das herrliche Teil der Gläubigen, damit ihre Freude völlig sei (1. Joh 1,3.4).
- Anlässlich seines bevorstehenden Besuchs wollte der Apostel Johannes der auserwählten Frau und ihren Kindern mehr von den Wahrheiten über die Person des Herrn mitteilen, damit eine gegenseitige völlige Freude ihre Herzen erfüllen möchte. Aber der Umgang mit solchen, die die Lehre des Christus nicht bringen, schliesst entsprechend den ernsten Ermahnungen des Apostels den Genuss dieser Freude aus.
Gehorsam, Abhängigkeit im Gebet, Bewahrung, Gemeinschaft und ein Festhalten der Wahrheit, ohne dem Bösen Zugeständnisse zu machen, sind also die Voraussetzungen zur völligen Freude.
Was vermögen dagegen die berauschenden Freuden der Welt dem Gläubigen zu bieten? Sie sind hohl, vergänglich und haben einen bitteren Nachgeschmack. Manches Kind Gottes muss oft sein Leben lang die Folgen des Genusses solcher Freuden beklagen.
Darum: ein «Ja» für die himmlischen, aber ein entschiedenes «Nein» für die weltlichen Freuden.
2. Kein Haus bauen
Dieses Gebot bezweckt, dass man sich hier nicht dauernd niederlässt. So hatten einst die Kinder Hobabs die Palmenstadt verlassen, um sich in der Wüste aufzuhalten (Ri 1,16).
Im Leben des Patriarchen Jakob finden wir dazu eine Illustration: «Durch Glauben … wohnte (Abraham) in Zelten mit Isaak und Jakob, den Miterben derselben Verheissung … und sie bekannten, dass sie Fremde und ohne Bürgerschaft auf der Erde seien» (Heb 11,9.13). Als aber Jakob nach Sukkot kam, gab er für eine Zeit diesen Fremdlingscharakter preis und baute sich ein Haus (1. Mo 33,17). Er handelte nicht im Glauben und begab sich damit auf eine abschüssige Bahn. Dem ersten Schritt auf verkehrtem Pfad folgten weitere und zeitigten bittere Früchte.
Leider kennen auch wir solche Tiefpunkte in unserem Glaubensleben, aus denen nur gottgemässe Buße zur Wiederherstellung führt.
3. Keinen Samen säen
Obschon die Vögel des Himmels weder säen noch ernten, ernährt sie unser himmlischer Vater doch (Mt 6,26). Wie viel vorzüglicher als jene sind die Kinder Gottes, die alle ihre Sorgen mit Vertrauen auf Gott werfen dürfen. Er weiss, was wir benötigen.
4. Kein Feld besitzen
Jakob hatte, wie wir bereits sahen, auf einem Weg der Unabhängigkeit von Gott ein Haus gebaut. Darauf langte er im verheissenen Land an. Gott hatte seinem Grossvater Abraham kein Erbe darin gegeben, auch nicht einen Fussbreit, obwohl ihm das ganze Land zum Besitztum verheissen war. Einzig eine Begräbnisstätte durfte er sich darin erwerben.
Jakob schlug als Fremder sein Zelt vor der Stadt Sichem auf und kaufte sich das Stück Feld dazu. Damit war er weder am richtigen Ort noch ein Zeugnis für seine heidnische Umgebung. Dies zog für seine Familie viel bitteres Leid und schlimme Folgen nach sich. Das Feld konnte keinen Ersatz für die kostbaren Verheissungen Gottes bieten. Es diente später als Begräbnisort für Joseph (Jos 24,32; Joh 4,5).
5. und 6. Keinen Weinberg besitzen und pflanzen
Alles, was zur Aufgabe eines Gott geweihten Lebens führen konnte, sollten sie weder besitzen noch pflegen. Es würde einem Spiel mit der Sünde gleichen. Nicht umsonst ermahnt uns das Neue Testament, nicht Vorsorge zu treiben für das Fleisch zur Erfüllung seiner Begierden (Röm 13,14).
Als Noah einen Weinberg pflanzte, ahnte er kaum, welche traurigen Folgen dies für ihn und sein Haus mit sich bringen würde.
7. In Zelten wohnen
Abraham und Isaak weilten als Fremde und Beisassen im verheissenen Land und wohnten in Zelten.
Im Neuen Testament werden die gleichen Charakterzüge auf uns angewendet (1. Pet 2,11). Unser Bürgertum ist in den Himmeln (Phil 3,20).
Die lebendige Erwartung der Wiederkunft Christi kennzeichnet heute den Christen, der in der Welt Fremder und ohne Bürgerrecht ist.
Aus dem Vorhergesagten geht deutlich hervor, dass für uns nicht die buchstäbliche Erfüllung dieser menschlichen Gebote, sondern die daraus hervorgehenden göttlichen Belehrungen massgebend sind.
Die Rekabiter waren in den Tagen Jojakims in Jerusalem
Jojakim war ein Vasallenkönig Nekos, des Königs von Ägypten, der ihn willkürlich einsetzte und seinen Namen veränderte.
Im 3. Jahr seiner Regierung kam Nebukadnezar, der König von Babel nach Jerusalem, belagerte die Stadt und nahm sie ein. Im darauffolgenden Jahr wurde die Macht Ägyptens in der Schlacht von Karchemis zertrümmert. Im 6. Jahr empörte sich Jojakim und schüttelte das babylonische Joch ab, worauf die Scharen der Chaldäer, Syrer, Moabiter und der Kinder Ammon ins Land heraufzogen.
In einer solch unruhigen Zeit des Aufstands und des Krieges zogen die Rekabiter nach Jerusalem.
Das Examen der Rekabiter
Ungefähr 260 Jahre waren vergangen, seitdem Jonadab seinen Nachkommen diese Gebote gegeben hatte. Die Umstände im Land Israels hatten sich verschlimmert. Waren die Vorschriften ihres Vorfahren nicht schon längst überholt? Wie schnell veralten doch sonst die Gesetze!
Auf Weisung seines Gottes brachte Jeremia die Rekabiter in das Haus Gottes, in eine der Zellen, die sich bei denen der Fürsten und des Torhüters befand. Dort setzte ihnen der Mann Gottes mit Wein gefüllte Kelche und Becher vor und forderte sie auf: Trinkt Wein!
Es war eine schwere Prüfung. Wem hatten sie zu gehorchen, ihrem Vorfahren oder dem Propheten? Sie zögerten keinen Augenblick, und ihre Antwort war eindeutig: Wir trinken keinen Wein.
Sie hatten die Prüfung bestanden. Viermal sagt Gottes Wort von diesen Männern, die nicht von Gott redeten, aber ohne Zugeständnisse gehorchten: Sie haben gehorcht.
Gott benutzte dieses Zeugnis gegenüber den Männern von Juda und Jerusalem, über die er viermal klagen musste: Sie haben nicht auf mich gehört.
Jonadab hatte seinen Nachkommen ein langes Leben verheissen, wenn sie seine Gebote halten würden. Auch Gott bekannte sich zum Gehorsam dieser Männer: «Es soll Jonadab, dem Sohn Rekabs, nicht an einem Mann fehlen, der vor mir steht, alle Tage.» Diese göttliche Verheissung gilt sowohl heute wie in künftigen Zeiten, obgleich uns die jetzigen Nachkommen der Rekabiter nicht bekannt sind.
Das Haus der Rekabiter hat statt des angekündigten Gerichts die Gnade Gottes in reichem Mass erfahren. Die Folge war ein Gott geweihtes Leben. Der Herr redet dadurch auch zu unseren Herzen eine deutliche Sprache.