Unter dir sind ewige Arme

5. Mose 33,27

Durch das Werk am Kreuz bin ich nicht nur von meinen Sünden befreit und für den Himmel passend gemacht worden; nun ist es auch mein Teil, die völlige Liebe des Herzens dessen zu geniessen, der dieses Werk vollbracht hat. Wenn diese Worte schon an Israel gerichtet werden konnten, um auszudrücken, wie Gott sie trug und schützte und für sie sorgte, so können sie gewiss auch, und in einer noch viel tieferen Bedeutung, auf das himmlische Volk angewandt werden. Und gerade während ich hier unten noch meinen Weg zu durchschreiten habe, habe ich die Freude dieser Erkenntnis so sehr nötig und nicht erst, wenn ich im Himmel bin.

Unser Herr hat sich nicht damit begnügt, alles Erforderliche zu tun, um mich am Ende meines Weges in ein herrliches, ewiges Erbteil einführen zu können, sondern Er hat mich auch in seine Arme genommen, gerade wie man ein geliebtes Kind in seine Arme nimmt. Das ist mehr als Vergebung der Sünden. Es ist die Liebe eines Herzens, das nicht zufrieden sein kann, ohne sich in dieser Weise zu entfalten. «Sie gehen nicht verloren in Ewigkeit, und niemand wird sie aus meiner Hand rauben» (Joh 10,28). Und wenn Er uns an diesen Platz gestellt hat, so wünscht Er auch, dass wir dieses Teil geniessen. Es hat Ihn alle die Angst von Gethsemane und die noch viel tiefere Qual des Verlassenseins von Gott gekostet uns so in seine Arme nehmen zu können; und das, was Ihn so viel gekostet hat, schätzt Er hoch. «Als er aber eine sehr kostbare Perle gefunden hatte, ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte sie» (Mt 13,46). Diese Perle ist die Kirche Christi. Und wenn sie als Ganzes die Freude darüber verloren hat, so kann doch der Einzelne noch bis zum Ende etwas davon geniessen.

«Unter dir sind ewige Arme.» Sie werden nie müde. Und wenn alles Mögliche an Kummer und Sorge auf mich gehäuft wurde – Satan und die Welt und das eigene Herz sind in dieser Hinsicht ergiebige Quellen – so kann ich doch immer sagen: «Unter mir sind ewige Arme.» Ich muss nichts allein tragen und Er, der mich trägt, wird nicht müde von seiner Bürde, denn seine Arme sind «ewige Arme».

Der Apostel Johannes scheint mehr als irgendeiner der anderen Jünger diese Liebe des Herrn, die sich freute, ihn nahe bei sich zu haben, durch Glauben angenommen und verstanden zu haben. Er zeigte dies, als er sich beim Abendessen an seine Brust lehnte und sich auch wiederholt den Jünger nennt, «den Jesus lieb hatte». Denkst du auch zuweilen, dass du der Jünger bist, den Jesus lieb hat? Dass du von diesen ewigen Armen umschlossen bist und dass sie dich nie verlassen werden, so dass du deinen Weg allein zu gehen hättest? Johannes dachte so, und war er dazu berechtigter als du? Er ruhte in der Liebe Jesu während der letzten Stunden seines Lebens mit seinen Jüngern auf der Erde, und in seinem ersten Brief schreibt er uns wieder: «Wir haben erkannt und geglaubt die Liebe, die Gott zu uns hat» (1. Joh 4,16).

Und was hatte es für eine Wirkung auf ihn, dass er dieser Liebe Gottes geglaubt hatte? Dass alle «Furcht» schwand. «Die vollkommene Liebe», sagt er, «treibt die Furcht aus». – «Wer sich fürchtet, ist nicht vollendet in der Liebe.» Er war in diesen Armen und wusste es, und Furcht hat dort keinen Platz. Oh, es ist überaus herrlich, dies als etwas Gegenwärtiges, Wirkliches festhalten zu können, zu «glauben die Liebe, die Gott zu uns hat». Als Johannes später, als ein armer Verbannter auf Patmos, ganz allein dastand, soweit es Menschen betraf, da war diese gleiche, stets gegenwärtige Liebe auch dort sein Trost und seine Freude, und von Ihm, der uns liebt, überfloss stets noch sein Mund (Off 1,5).

Zu erkennen die alle Erkenntnis übersteigende «Liebe Christi» – seine gegenwärtige Liebe, die stets dieselbe für uns bleibt bis zum Ende – das haben wir nötig, damit unser Herz darin ruht. Das Gebet des Apostels in Epheser 3 war dies, dass die Gläubigen die Liebe erkennen möchten. Beachte, sie ist da, vorhanden, um von uns erkannt zu werden. Um dich – um mich sind diese «ewigen Arme».

«Er legt es mit Freuden auf seine Schultern» (Lk 15,5), diese Schultern, die unsere Leiden getragen und unsere Schmerzen auf sich geladen haben. Wessen Freude ist es? Des Hirten, der das Schaf gefunden hat, und der Platz des Schafes ist «auf seiner Schulter», – «in seiner Hand» – «in seinen Armen». Es ist sein Herz, das von keinem anderen Platz als diesem für uns weiss. Warum bleiben wir nicht ganz bewusst immer dort? «Wir haben erkannt und geglaubt die Liebe, die Gott zu uns hat … Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus, denn die Furcht hat Pein. Wer sich aber fürchtet, ist nicht vollendet in der Liebe.» (1. Joh 4,16-18). Wenn wir in dieser Liebe leben, so wird unser Lauf durch diese Welt durch sie gekennzeichnet werden und sie zur Schau tragen.