Dem Tag des Herrn entgegen

1. Korinther 3,12-15; Philipper 1,6.10; 1. Thessalonicher 5,1-11

Heute ist noch der Tag der Menschen. Die Nachkommen Adams, durch den die Sünde in die Welt gekommen ist, leben im Eigenwillen, im Bösen und in der Ungerechtigkeit dahin, als ob es keinen lebendigen Gott gäbe, vor dem sie sich einst verantworten müssen. Gottes Wort sagt von ihnen: Sie sind unverständig, ungehorsam, irregehend, dienen mancherlei Begierden und Vergnügungen, führen ihr Leben in Bosheit und Neid, verhasst und einander hassend (Tit 3,3). Sie verfolgen ihre Ziele, trachten nach Macht, Ansehen und Besitz und gebärden sich so, als ob die Erde und was in ihr ist, ihnen gehörte.

Die Welt hat Christus verworfen, gekreuzigt und hinausgetan. Selbst in der bekennenden Christenheit, die mit der Welt verbunden ist, wird der erhabene Name Jesu gering geachtet, ja sogar verleugnet. Die kleine Minderheit derer, die Ihm anhangen und Ihn lieben, die sich von der Welt und ihrem Treiben fernhalten, muss hier Christi Schmach tragen, wird belächelt, verachtet, gehasst und vielerorts verfolgt.

Gott lässt diesen Zustand der Dinge in der Welt noch bestehen. Für die Seinen, die mitten unter den Kindern der Welt zu leben haben, birgt er zwei Gefahren:

  1. Vom Zeitlauf mitfortgerissen zu werden und seinem Einfluss zu erliegen, besonders in den jetzigen Tagen der wirtschaftlichen Wohlfahrt;
  2. auf dem schmalen und oft einsamen Pfad zu ermüden und mutlos zu werden.

Im Licht des kommenden Tages zu wandeln ist das beste Schutzmittel vor beiden Gefahren. Denn wir wissen ja, dass dieser Tag der Menschen, der noch immer andauert und einem schrecklichen Höhepunkt der Gottlosigkeit und Sünde zusteuert, nach der Ankündigung des Wortes Gottes bald einem anderen Tag weichen muss, dem «Tag des Herrn», der auch «Tag Jesu Christi» genannt wird. An jenem Tag wird Er, der verherrlichte «Sohn des Menschen» alle seine Rechte über diese Erde geltend machen und in dieser Welt einen radikalen Umschwung herbeiführen:

  • Nach der Entrückung seiner Versammlung, die wir jeden Tag erwarten dürfen, wird der Tag des Herrn durch die vorlaufenden Gerichte eingeleitet, die über die auf der Erde verbliebenen Menschen kommen werden (siehe Offenbarung 6 – 18), Gerichte, die die Erscheinung Christi vorbereiten.
  • Dann folgt die «Offenbarung des Herrn Jesus vom Himmel her, mit den Engeln seiner Macht, in flammendem Feuer», und Er wird Vergeltung geben «denen, die Gott nicht kennen, und denen, die dem Evangelium unseres Herrn Jesus Christus nicht gehorchen» (2. Thes 1,7.8).
  • Er wird zunächst das in Offenbarung 19 beschriebene kriegerische Gericht ausüben und sich dann zum «Gericht der Lebendigen» auf «seinen Thron der Herrlichkeit» setzen, um unter den vor Ihm versammelten Nationen der Erde die Böcke von den Schafen zu scheiden. «Diese werden hingehen in die ewige Pein, die Gerechten aber in das ewige Leben» (Mt 25,31-46).

Vor dieser Erscheinung des Herrn wird im Himmel aber noch ein anderes Ereignis stattfinden: Die zu Ihm entrückten Heiligen «müssen alle vor dem Richterstuhl des Christus offenbar werden, damit jeder empfange, was er in dem Leib getan, nach dem er gehandelt hat, es sei Gutes oder Böses» (2. Kor 5,10). Bevor wir mit Christus in Herrlichkeit vor der Welt offenbar werden (Kol 3,4), muss alles, was wir in diesem Leib getan haben, vor dem Richterstuhl des Christus, in der Gegenwart Gottes, offenbar werden. Der Herr wird dort sowohl unser ganzes Leben, Tun und Lassen, alle unsere Verfehlungen als auch die durch die Gnade in uns bewirkten Früchte und Werke, selbst «das Verborgene der Finsternis … und die Überlegungen der Herzen» ans Licht bringen (1. Kor 4,5).

Wozu denn? Hat der Herr nicht selbst gesagt, dass, wer an den Sohn glaubt, nicht gerichtet werde? Wird dem Gläubigen nicht immer wieder bezeugt, dass alle seine Sünden vergeben seien und er selbst aus Glauben gerechtfertigt und geheiligt sei? Hat er nicht bei seiner Bekehrung und auch seither immer wieder Gott alles bekannt, was sein Gewissen belastete? Durfte er dann nicht vernehmen und sich daran erinnern, dass uns das Blut Jesu Christi von aller Sünde reinigt?

Gewiss, das sind die felsenfesten Tatsachen des Heils in Christus. Der Richter auf dem Richterstuhl ist ja unser Erlöser und Heiland; wir stehen doch «in Christus» vor Gott. Dennoch ist unser Offenbarwerden notwendig.

Ein Bruder sagt dazu: «Um fähig zu werden, im Himmel unseren geliebten Herrn und Heiland zu loben, Ihm zu danken und Ihn anzubeten, wie es Ihm gebührt, müssen wir im vollen Licht Gottes erkennen, was wir in uns selbst gewesen sind und wie der Herr unsere Handlungen, Worte und Gedanken beurteilt hat. Diese vollkommene Erkenntnis unser selbst und unseres Nichts wird uns aber nicht zerschmettern; denn gleichzeitig wird uns dort auch die ganze Grösse und Herrlichkeit der Gnade und Liebe unseres Herrn zum Bewusstsein kommen.»

Wir werden dann völlig und für ewig erkennen, dass Gott es gewesen ist, der auf unserem ganzen Christenpfad das Wollen und Vollbringen des «Guten» in uns bewirkt hat und dass uns dabei keinerlei Verdienst zukommt. Gleichwohl werden wir dort für das, was die Gnade in uns hervorbringen konnte, Lohn empfangen.

Auch die Szene am Richterstuhl des Christus steht also in Verbindung mit dem «Tag des Herrn». Die Heiligen, die jenes alles durchdringende Licht passiert haben, sind zu passenden Begleitern für den Herrn Jesus Christus geworden, «wenn er kommt, um an jenem Tag verherrlicht zu werden in seinen Heiligen und bewundert zu werden in allen denen, die geglaubt haben» (2. Thes 1,10). Nur Er, ihr Herr und Heiland, ist es, der in seinen Heiligen im Reich und im ewigen Zustand, verherrlicht und bewundert werden wird. Wir sind dann nur noch von Ihm erfüllt.

Noch nimmt in dieser Welt, die von ihrem schrecklichen Fürsten regiert wird, der Ungläubige, der Gottlose und Sünder, den ersten Platz ein. Er wird seine Stellung noch befestigen, seinen Einfluss verstärken und im Übermenschen, im Antichristen, sein Vollmass erreichen. Der «Tag des Herrn» aber wird alles verändern: «Denn der HERR der Heerscharen hat einen Tag über alles Stolze und Hohe und über alles Erhabene, und es wird erniedrigt werden; … und über alle Tarsis-Schiffe und über alle kostbaren Schauwerke. Und der Hochmut des Menschen wird gebeugt und die Überheblichkeit der Männer erniedrigt werden; und der HERR wird hoch erhaben sein, er allein, an jenem Tag» (Jes 2,12-17). Wer heute Christus Jesus in Treue nachfolgt, wird seines Namens wegen geschmäht und verfolgt. An seinem Tag aber ist es höchste Ehre, zum Gefolge des Königs der Könige und des Herrn der Herren zu gehören, wenn Er über Himmel und Erde regieren wird. Gott «hat alles seinen Füssen unterworfen und ihn als Haupt über alles der Versammlung gegeben, die sein Leib ist, die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt» (Eph 1,22.23).

Paulus lebte im Licht dieses kommenden Tages. Das half ihm, gegenüber der Welt den richtigen Platz einzunehmen, sich unter die Schmach des Kreuzes Christi zu stellen und die Mühen, Trübsale und Drangsale eines treuen Zeugnisses und Dienstes für seinen Herrn zu ertragen. Einige seiner bezüglichen Aussprüche sind wohl geeignet, uns zu ermuntern, auch unseren Lauf in Treue zu vollenden:

«Ihr alle seid … Söhne des Tages» (1. Thes 5,1-11)

Das vierte Kapitel des ersten Thessalonicher-Briefes, worin das Kommen des Herrn zur Entrückung der Gläubigen beschrieben wird, endet mit den ermunternden Worten: «Und so werden wir allezeit bei dem Herrn sein.»

Das fünfte Kapitel aber redet vom zweiten Akt seines Kommens, von der Erscheinung mit den Seinen, also vom Tag des Herrn. Die Hoffnung des Christen umfasst auch seine Erscheinung, in deren Zusammenhang Er die Treue seiner Geliebten durch Kronen belohnen wird. Als «Söhne des Lichts und Söhne des Tages» erleben sie den Tag des Herrn in völliger Übereinstimmung mit Ihm und an seiner Seite; sie sind darauf vorbereitet. Über die Kinder der Welt aber, die «von der Nacht, von der Finsternis» sind, kommt der Tag wie ein Dieb und bringt «plötzliches Verderben» über sie, dem sie nicht entfliehen können.

Doch haben wir, die wir alle der Stellung nach «Söhne des Tages» sind, dringend nötig, die Ermahnung des Apostels zu Herzen zu nehmen: «Lasst uns nun nicht schlafen wie die Übrigen, sondern wachen und nüchtern sein.» Das soll uns kennzeichnen, die wir überzeugt sind, dass wir vor dem Richterstuhl des Christus offenbar werden. Die «Übrigen» schlafen und rechnen nicht mit jenem Tag; sie sind erfüllt von Selbstsucht, vom Haschen nach Erfolg, vom Verlangen nach Besitz, von unreinen Begierden und Gelüsten. Wie sollten wir uns doch in allem von ihnen unterscheiden!

Satan und die Welt suchen auch uns zu verleiten. Da brauchen wir einen Schutz für unser Herz. Der Brustharnisch des Glaubens und der Liebe bildet einen solchen Panzer um unsere Zuneigungen. Ist unser Glaube auf Christus allein gerichtet und sind wir im Bewusstsein seiner unendlichen Liebe mit Ihm eng verbunden, dann können uns die Verführungen der Welt nichts anhaben; wir werden uns ihnen nicht ausliefern. – Aber auch unsere Gedanken müssen davor bewahrt werden, von der Person Christi abzugleiten. Darum ist es nötig, den Helm, die Hoffnung der Errettung, zu tragen. Er trennt uns von den Dingen, «die auf der Erde», ausserhalb der zu erwartenden Errettung sind, und so können wir Satan widerstehen. Die Glückseligkeit, in die wir beim Kommen des Herrn eintreten, ist die Krönung unserer Hoffnung; am Ende unseres Weges ist die Herrlichkeit.

Gottes Werk in uns bis auf den Tag Jesu Christi

Den Philippern schrieb der Apostel: «Ich bin darin guter Zuversicht, dass der, der ein gutes Werk in euch angefangen hat, es vollenden wird bis auf den Tag Jesu Christi» (Phil 1,6). Sind in einer Seele die ersten Anzeichen der Tätigkeit des Heiligen Geistes wahrzunehmen, so dürfen wir voller Zuversicht sein, dass Gott sein Werk in ihr vollführen wird. Er selbst will uns zubereiten, dass wir an jenem Tag, den Er immer vor sich sieht, nicht beschämt dastehen, sondern zu seiner Ehre vollen Lohn empfangen. Die Philipper hatten vom ersten Tag an in eifriger Weise ihre Teilnahme an dem Evangelium bewiesen; sie kämpften mit dem Apostel und waren Mitteilnehmer der Gnade in der Verteidigung und Bestätigung des Evangeliums. Gott wollte dieses Werk in ihnen zur vollen Reife bringen. Wie gut ist es da, seinem Wirken Tür und Tor zu öffnen!

Anderseits lesen wir im 9. und 10. Vers desselben Kapitels: «Und um dieses bete ich, dass eure Liebe noch mehr und mehr überströme in Erkenntnis und aller Einsicht, damit ihr prüfen mögt, was das Vorzüglichere ist, damit ihr lauter und ohne Anstoss seid auf den Tag Christi» (Phil 1,9.10). Die Liebe ist es, die uns dabei hilft. Sie ist die wahre Quelle der Erkenntnis und Einsicht. Es gilt ja nicht nur zwischen dem Guten und dem Bösen zu unterscheiden, sondern auch zu erkennen, was dem Herrn am besten gefällt. Wir müssen vertrauten Umgang mit Ihm haben, um zu entdecken, was für Ihn das Vorzüglichere ist, und die Liebe wird uns antreiben, es dann auch zu tun. Wenn wir Christus in unserem Leben den ganzen Platz einräumen, werden wir in einem praktischen Zustand der Reinheit vorangehen bis zu dem Tag, an dem alles offenbar werden wird. Wir werden erfüllt sein mit der Frucht der Gerechtigkeit, die in der Herrlichkeit gesehen wird. Sie ist aber an jenem Tag nicht vorhanden, wenn sie nicht auf unserem Weg hier auf der Erde hervorgebracht wurde. Jesus Christus mochte sie in seiner Gnade durch die Liebe in uns bewirken, zur Herrlichkeit und zum Preise Gottes.

Der Tag wird das Werk eines jeden offenbar machen

In 1. Korinther 3,12-15 kommt Paulus auf das Werk des Dienstes zu sprechen, für das jeder persönlich verantwortlich ist. Er sagt: «Wenn aber jemand auf diesen Grund (Jesus Christus) baut Gold, Silber, wertvolle Steine, Holz, Heu, Stroh, so wird das Werk eines jeden offenbar werden, denn der Tag wird es klar machen, weil er in Feuer offenbart wird; und welcherart das Werk eines jeden ist, wird das Feuer erproben.» Entweder wird der einzelne Lohn empfangen oder Schaden leiden.

Der Apostel selbst hat nach der ihm verliehenen Gnade «als ein weiser Baumeister den Grund gelegt» und durch seinen hingebungsvollen und Gott wohlgefälligen Dienst unzählige Menschen zum Herrn führen dürfen. Er hat sich auch in grosser Treue bemüht, jeden Menschen zu ermahnen und jeden Menschen zu lehren in aller Weisheit, um so jeden Menschen vollkommen in Christus darzustellen (Kol 1,28). So sind durch seinen Dienst an vielen Orten in der damaligen Welt Versammlungen entstanden. Sie werden zu seinem Ruhm sein am Tag des Herrn Jesus. Zum Beispiel schrieb er den Thessalonichern: «Denn wer ist unsere Hoffnung oder Freude oder Krone des Ruhmes? Nicht auch ihr vor unserem Herrn Jesus bei seiner Ankunft? Denn ihr seid unsere Herrlichkeit und Freude» (1. Thes 2,19-20; vergleiche auch 2. Kor 1,14; Phil 2,16).

Mancher, der heute dem Herrn zu dienen sucht, wird sich sagen: Wie weit stehe ich hinter diesem so reich gesegneten Knechte des Herrn zurück! Was wird an jenem Tag von meinem schwachen Dienst noch übrig sein? – Aber auch die Früchte unseres Wirkens für den Herrn sind nicht verloren, wenn es in seiner Abhängigkeit und Kraft geschah; mit Staunen wird jeder, der im Kleinen treu war, alles wiederfinden, was die Gnade in ihm und durch ihn wirken konnte. Daher ist der Gedanke an den Tag des Herrn, den Tag der Offenbarung, auch uns zum Trost und zur Ermunterung. Von dem, der ein Talent empfangen hat, erwartet der Herr nicht den gleichen Ertrag, wie von den fünf Talenten, die Er einem anderen anvertraut hat. Wir wollen nicht vergessen, dass Er die Treue belohnt. Dort wird alles zur Herrlichkeit und zum Preise Gottes sein; wir selbst sind dort nichts als die Gegenstände einer unbegreiflichen, unverdienten und überströmenden Gnade.

Möchte der Ausblick auf den nahe bevorstehenden Tag Christi uns allezeit anspornen, in diesem bösen Zeitlauf den guten Kampf zu kämpfen und den Glauben zu bewahren! Dann wird das Wort des Apostels, entsprechend unserem Mass auch auf uns Anwendung finden: «Fortan liegt mir bereit die Krone der Gerechtigkeit, die der Herr, der gerechte Richter, mir zur Vergeltung geben wird an jenem Tag; nicht allein aber mir, sondern auch allen, die seine Erscheinung lieben» (2. Tim 4,8).