Muss die Versammlung durch die grosse Drangsal gehen?

Immer wieder wird die Frage aufgeworfen: Wird die Versammlung oder Kirche vor den in der Offenbarung beschriebenen Gerichten entrückt werden, oder muss sie noch durch die grosse Drangsal gehen?

Um auf diese Frage zu antworten, wollen wir einige Stellen der Heiligen Schrift betrachten, die uns deutlich zeigen, dass die Entrückung der Gläubigen dem Herrn entgegen unbedingt und ohne jeden Zweifel vor der Zeit der grossen Drangsal erfolgen wird. Das Kommen des Herrn bildet ja gerade das Vorspiel der Ereignisse, die sich während der Endzeit vollziehen und die der Aufrichtung des Tausendjährigen Reiches vorangehen werden.

1. Die Verheissung an Philadelphia

Die Entrückung der Versammlung – Kundgebung der Liebe Christi – wird vor den in der Offenbarung beschriebenen Gerichten vollendet sein. In der Tat, der Herr wird seine geliebte Braut vorher in Sicherheit bringen, gemäss der Verheissung, die Er an die Versammlung in Philadelphia richtet: «Weil du das Wort meines Ausharrens bewahrt hast, werde auch ich dich bewahren vor der Stunde der Versuchung, die über den ganzen Erdkreis kommen wird, um die zu versuchen, die auf der Erde wohnen» (Off 3,10). Philadelphia ist das Bild der treuen Versammlung der letzten Tage. Dieser Versammlung also wird diese kostbare Verheissung gegeben. Gewiss, alle Erlösten des Herrn werden entrückt werden, welchem kirchlichen Kreis sie auch angehören mögen.

2. Was und wer zurückhält

Der Apostel Paulus schreibt in ähnlichem Sinn an die Thessalonicher, die wegen der Drangsale, die sie von einer feindlichen Welt erdulden mussten, zu Unrecht glaubten, dass der Tag des Herrn (das heisst der Tag der Gerichte), schon gekommen sei. Er kündet ihnen an, dass der Herr ihnen an jenem Tag im Gegenteil Ruhe verschaffen werde (2. Thes 1,7-10).

Ferner lesen wir im zweiten Kapitel des gleichen Briefes: «Und jetzt wisst ihr, was zurückhält, damit er zu seiner Zeit offenbart wird. Denn schon ist das Geheimnis der Gesetzlosigkeit wirksam; nur ist jetzt der da, der zurückhält, bis er aus dem Weg ist, und dann wird der Gesetzlose offenbart werden, den der Herr Jesus verzehren wird durch den Hauch seines Mundes» (2. Thes 2,6-8). Aus dieser Stelle geht deutlich hervor, dass der Antichrist, die Hauptperson in der Zeit der grossen Drangsal, nicht offenbart werden kann, bevor die Heiligen entrückt worden sind. Zwei Hindernisse müssen beseitigt werden, bevor er erscheinen kann:

  • «Was zurückhält» ist das erste
  • «der, der zurückhält», das zweite

«Was zurückhält» ist die Tatsache, dass die Versammlung noch hier auf der Erde ist und gleich einer Düne den steigenden Strom des Bösen zurückhält, bis zu dem Tag, an dem der Herr sie zu sich nehmen wird. Die Kraft, die sie dazu benötigt, kommt vom Heiligen Geist, der in ihr wohnt. «Der, der zurückhält», bezeichnet im Besonderen den Heiligen Geist, der, nachdem Er infolge der Entrückung der Versammlung seine Behausung verloren hat, dem Strom des Bösen nicht mehr Widerstand leisten wird.1 Vorher kann der Antichrist nicht offenbart werden. Kostbarer Trost für die Geliebten des Herrn!

3. Die 70. Jahrwoche Daniels

Nach der Entrückung der Versammlung wird Gott seine Beziehungen mit Israel wieder anknüpfen und es dazu berufen, in dieser Welt wieder als sein Volk Zeugnis abzulegen. Zu diesem Zweck hat Gott eine Periode von mindestens sieben Jahren anberaumt. Von den siebzig Wochen, die nach Daniel 9,24-27 bis zur Aufrichtung der Herrschaft des Messias vorübergehen sollen, sind bis zum Kommen des Herrn erst 69 Wochen vergangen, wogegen die letzte, die siebzigste Woche, mit den prophetischen Ereignissen, die sie kennzeichnen und die im 27. Verse beschrieben werden, immer noch ausstehend ist. Diese letzte Woche kann aber erst nach der Entrückung der Versammlung beginnen, und dies aus verschiedenen Gründen:

a) Die Vollzahl der Nationen muss gerettet werden

Wir lesen in Römer 11,25: «Dass Israel zum Teil Verhärtung widerfahren ist, bis die Vollzahl der Nationen eingegangen ist.» Erst danach wird Israel (oder genauer ausgedrückt, dessen gläubiger Überrest) gerettet werden (Röm 11,26). Dies beweist, dass die Zeit Israels erst nach der Entrückung der Versammlung beginnen kann. Der Apostel Paulus nennt die Wiederherstellung Israels ein «Geheimnis»; es handelt sich hier um einen wunderbaren Plan der Gnade Gottes, der in der Christenheit während langer Zeit unbekannt war.

b) Die Predigt des Evangeliums des Reiches

Während der letzten Woche Daniels wird das Evangelium des Reiches gepredigt werden (Mt 24,14; Off 11) und nicht das Evangelium der Gnade, wie es heute verkündigt wird. Offenbarung 11 zeigt uns deutlich den grundlegenden Unterschied, der zwischen diesen beiden Evangelien besteht. Während der Zweck des Evangeliums der Gnade der ist, Sünder dahin zu bringen, das Heil anzunehmen, und aus ihnen Glieder des Leibes Christi zu machen, wird das Evangelium des Reiches verkündigt werden, um für das irdische Reich des Christus Seelen zu gewinnen. Auch die Mittel, deren sich die Prediger dieser Evangelien bedienen, sind völlig verschieden. Die das Evangelium der Gnade verkündigen, sollen vom Geist, der ihre Botschaft kennzeichnet, erfüllt sein, das heisst von der unbegrenzten Gnade Gottes, die den Menschen ihre Übertretungen nicht zurechnet, sondern allen denen, die an Jesus glauben, umsonst vergibt. «Segnet, die euch verfolgen; segnet, und flucht nicht» (Röm 12,14). «Wenn dein Feind hungrig ist, gib ihm zu essen; wenn er durstig ist, gib ihm zu trinken» (Vers 20). «Vergeltet nicht Böses mit Bösem oder Scheltwort mit Scheltwort, sondern im Gegenteil segnet, weil ihr dazu berufen worden seid, dass ihr Segen erbt» (1. Pet 3,9)

Dies wird nicht der Charakter der beiden Zeugen sein, die in Offenbarung 11,3-6 erwähnt werden. Jene werden, mit Sacktuch bekleidet, 1260 Tage2 weissagen, wobei sich das Wort erfüllen wird: «Und wenn jemand sie beschädigen will, so kommt Feuer aus ihrem Mund hervor und verzehrt ihre Feinde; und wenn jemand sie beschädigen will, muss er so getötet werden. Diese haben die Gewalt, den Himmel zu verschliessen, damit während der Tage ihrer Weissagung kein Regen falle; und sie haben Gewalt über die Wasser, sie in Blut zu verwandeln, und die Erde zu schlagen mit jeder Plage, sooft sie nur wollen.» Man sieht also, dies ist nicht der Dienst des Evangeliums der Gnade Gottes, der der Versammlung anvertraut ist.

Es ist somit offenbar, dass die Versammlung vorher weggenommen wird, sonst wäre es unmöglich, dass ein Zeugnis, wie das in Offenbarung 11 ins Leben gerufen werden könnte. Welch eine Verwirrung müsste eintreten, wenn die Versammlung in jenem Augenblick noch auf der Erde wäre und das Evangelium der Gnade weiterhin verkündigt würde – denn solange die Versammlung auf der Erde ist, wird dieses Evangelium gepredigt werden!

Wenn vonseiten Gottes gleichzeitig zwei verschiedene Evangelien verkündigt würden, an welches von beiden müssten dann die Menschen glauben? Dies könnte unmöglich geschehen, und folglich ist es ausgeschlossen, dass dann, wenn das Evangelium des Reiches verkündigt wird, die Versammlung noch auf der Erde ist.

c) Die Erlösten der Gnadenzeit sind im Himmel

Der Herr sagte zum Apostel Johannes: «Schreibe nun das, was du gesehen hast und was ist und was nach diesem geschehen wird» (Off 1,19).

«Was du gesehen hast» sind die im ersten Kapitel beschriebenen Dinge betreffend das Gesicht des Johannes auf Patmos, in dem er Christus selbst sah in seiner richterlichen Gewalt.

«Und was ist» sind die Dinge, die wir im zweiten und dritten Kapitel finden: die Geschichte der christlichen Kirche und das Urteil, das der Sohn des Menschen über ihren Zustand ausspricht. Hier geht es um die Versammlung, wie der Herr sie sieht, in ihrer Verantwortung als Zeugnis Gottes auf der Erde, vom Pfingsttag an bis zur Entrückung der wahren Versammlung und bis zur Verurteilung der falschen Kirche (Laodizea), die aus dem Mund Christi ausgespien wird.

«Was nach diesem geschehen wird» sind die Gesichte, die vom vierten Kapitel bis zum Ende des Buches beschrieben werden. In den Kapiteln 4 und 5 finden wir nach dem Kommen des Herrn alle Gläubigen im Himmel versammelt, und von Kapitel 6 an beginnen die Gerichte des Endes. Die himmlische Familie ist vom vierten Kapitel an bildlich dargestellt in den vierundzwanzig Ältesten, die den Thron Gottes umgeben und in vollkommener Sicherheit im Haus des Vaters weilen, während die Gerichte über die Ungläubigen, die auf der Erde sind, sich abwickeln. Von diesem Zeitpunkt an tragen die Erlösten, die dann in der Welt sein werden, einen Charakter, der von demjenigen der Versammlung unter der Haushaltung der Gnade verschieden ist; er entspricht vielmehr dem der Juden. Wie das zum Beispiel aus Offenbarung 6,10 hervorgeht, ist ihre Sprache tatsächlich die des gläubigen Überrests Israels, wie wir sie in den Psalmen finden. Die vierundzwanzig Ältesten in weissen Kleidern, mit Kronen auf ihrem Haupt, stellen die Menge derer dar, die aus jedem Stamm und Sprache und Volk und Nation erkauft worden sind, und die von ihrer himmlischen Wohnung aus die Erde regieren werden. In Erwartung dieses grossen Tages singen sie im Himmel ein neues Lied zur Ehre des Lammes, in dem sie sagen: «Du bist würdig, das Buch zu nehmen und seine Siegel zu öffnen; denn du bist geschlachtet worden und hast für Gott erkauft, durch dein Blut, aus jedem Stamm und jeder Sprache und jedem Volk und jeder Nation, und hast sie unserem Gott zu einem Königtum und zu Priestern gemacht, und sie werden über die Erde herrschen!» (Off 5,9.10). Während des ganzen Ablaufes der Gerichte, die über die Erde hereinbrechen werden, verlassen sie den Himmel nicht. Das ist ein weiterer Beweis, dass die Versammlung beim Herrn sein wird, bevor die Periode der Endgerichte beginnt.

4. Die Heiligen werden den Herrn bei seinem Kommen in Herrlichkeit begleiten

Schliesslich bezeugen mehrere Stellen des Wortes Gottes ausdrücklich, dass der Herr von den Heiligen begleitet sein wird, wenn Er in Herrlichkeit erscheint, um die Gerichte an den Ungläubigen auszuführen (vgl. vor allem 1. Thes 3,13; 2. Thes 1,10; Kol 3,4; Sach 14,5; Judas 14). Das bedeutet also, dass sie vorher zu Ihm entrückt sein werden. Ferner werden sie an der Hochzeit des Lammes im Himmel teilnehmen, bevor sie mit Ihm erscheinen (Off 19,7-10). Die Versammlung wird dann bestimmt vollständig sein und sich in jenem Augenblick schon in der Herrlichkeit befinden, sonst könnte die himmlische Hochzeit nicht stattfinden. Es kann daher nicht anders sein, als dass sie vorher in den Himmel entrückt wurde, um bei ihrem himmlischen Bräutigam zu sein. Für sie ist Er kein Richter, wie Er es für die Bewohner der Erde sein wird, die den «Zorn des Lammes» zu erleiden haben (Off 6,16). Dieser «Zorn des Lammes» bezeichnet jene schrecklichen Gerichte, die über die Unversöhnten hereinbrechen werden; die Erlösten aber sind davon befreit worden.

  • «Jesus, der uns errettet von dem kommenden Zorn» (1. Thes 1,10).
  • «Denn Gott hat uns nicht zum Zorn gesetzt, sondern zur Erlangung der Errettung durch unseren Herrn Jesus Christus» (1. Thes 5,9).

Übrigens ist es eine auffallende Feststellung, dass keiner der Briefe von den Einzelheiten der grossen Drangsal redet, was sich dadurch erklärt, dass die Versammlung nicht durch sie hindurchgehen muss.

Das will aber keineswegs bedeuten, dass die Christen nicht dazu berufen wären, vor dem Kommen des Herrn auf dieser Erde zu leiden. In der Tat, das Wort belehrt uns, «dass wir durch viele Trübsale in das Reich Gottes eingehen müssen» (Apg 14,22) und «dass das Gericht anfange bei dem Haus Gottes; wenn aber zuerst bei uns, was wird das Ende derer sein, die dem Evangelium Gottes nicht gehorchen!» (1. Pet 4,17). Wie viele Gläubige gab es, die im Verlauf der Jahrhunderte und auch heute schwer zu leiden haben, sei es, dass sie verfolgt werden oder dass auch sie unter den Gerichten leiden müssen, die über verschiedene Länder hereinbrechen. Jedoch finden diese Prüfungen in der Zeitperiode statt, wo die Gnade noch in voller Tätigkeit ist, während die Gerichte, die die Zeit der grossen Drangsal kennzeichnen, alles in den Schatten stellen werden, was sich bis dahin ereignete. Der Herr selbst hat angekündigt: «denn dann wird grosse Drangsal sein, wie sie seit Anfang der Welt bis jetzt nicht gewesen ist und auch nicht wieder sein wird» (Mt 24,21).

Wie dürfen wir dem Herrn für seine Zusicherung danken, dass Er uns vor der Stunde der Versuchung bewahren wird! Wir können uns also im Gedanken an sein baldiges Kommen ohne Furcht freuen. Aber seien wir wachsam, entschieden und eifrig in seinem Dienst, gemäss der Ermahnung, die der Apostel Petrus am Ende seiner Laufbahn an die Heiligen gerichtet hat: «Darum, Brüder, befleissigt euch umso mehr, eure Berufung und Erwählung fest zu machen; denn wenn ihr diese Dinge tut, so werdet ihr niemals straucheln. Denn so wird euch reichlich dargereicht werden der Eingang in das ewige Reich unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus» (2. Pet 1,10.11).

  • 1Obwohl der Heilige Geist dann nicht mehr als Tröster und Sachwalter auf der Erde wohnt, wird Er weiter wirken, und zwar besonders in der Mitte Israels, während der Zeit der grossen Drangsal, um es zur Bekehrung zu bringen (vgl. Sach 12,10; Hes 39,29; Jes 59 20-21). Auch wird durch die Predigt des Evangeliums des Reiches eine grosse Anzahl Seelen aus den Nationen gerettet werden (Off 7,9 und 14), was ohne die Wirksamkeit des Heiligen Geistes nicht möglich wäre (1. Kor 12,3). Es ist also klar, dass der Heilige Geist sogar nach der Entrückung der Versammlung einen Dienst auf dieser Erde ausüben wird, wie Er es übrigens auch vor Pfingsten getan hat, in welcher Zeitepoche viele Seelen aus dem Geist geboren wurden.
  • 2Dieser Zeitabschnitt entspricht der zweiten Hälfte der letzten Woche Daniels (dreieinhalb Jahre), umfasst also die grosse Drangsal.