Nachdem Jesus die grausame Marter der Geisselung hatte über sich ergehen lassen, von den Soldaten angespien und verspottet worden war, ging Er wieder hinaus vor das Volk, «die Dornenkrone und das Purpurgewand tragend» (Joh 19,5). Bei seinem Anblick schrien die Hohenpriester und dann auch das Volk: «Kreuzige ihn!» Pilatus entsprach ihrem Willen. «Und sein Kreuz tragend, ging er hinaus zu der Stätte, genannt Schädelstätte, die auf Hebräisch Golgatha heisst, wo sie ihn kreuzigten» (Joh 19,17). Dort ist Er «einmal geopfert worden … um vieler Sünden zu tragen», ja, Er selbst hat «unsere Sünden an seinem Leib auf dem Holz getragen» (Jes 53,12; Heb 9,28; 1. Pet 2,24).
Wer an Ihn glaubt, darf nun mit freudiger Gewissheit bekennen: «Ich bin mit Christus gekreuzigt, und nicht mehr lebe ich, sondern Christus lebt in mir; was ich aber jetzt lebe im Fleisch, lebe ich durch Glauben, durch den an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat» (Gal 2,20).
Unser Leben «im Fleisch», das Leben «durch Glauben», ist in dieser gottfeindlichen Welt jedoch mit mancherlei Schwierigkeiten, Trübsalen und Übungen verbunden. Da werden wir dauernd an unser Unvermögen erinnert. Aber wie tröstlich ist der Gedanke, dass unser Herr Jesus, der hier auf der Erde in seiner göttlichen Liebe unsere Sünden getragen und auf immerdar getilgt hat, droben in unermüdlicher Treue uns selbst trägt und unsere Last.
Wir alle glichen dem «gewissen Menschen», der unter die Räuber fiel (Lk 10,30-35). Satan hatte uns durch die Sünde übel zugerichtet. Aber der barmherzige «Samariter» ist uns begegnet. Als Ergebnis des Werkes des Herrn am Kreuz ist uns ein vollkommenes Heil geschenkt. Und wie jener Samariter, von dem wir lesen: «Er führte ihn in eine Herberge und trug Sorge für ihn» (Vers 34), so trägt auch unser Herr droben, in Verbindung mit dem in uns wohnenden Heiligen Geist, Sorge für die Seinen, «indem er allezeit lebt, um sich für sie zu verwenden» (Heb 7,25). Er ist für uns besorgt, und zwar ohne unser Zutun, bis Er «zurückkommt».
Schon David rief aus: «Gepriesen sei der Herr! Tag für Tag trägt er unsere Last» (Ps 68,20), und auch wir dürfen es erfahren, wenn wir im Vertrauen darauf alles ablegen, was uns irgendwie eine Bürde ist (Heb 12,1). Die beschwerenden Umstände, der Kummer um Angehörige, die Sorgen um Geschwister und Versammlungen sind dazu da, um uns vor den Herrn, ins Gebet zu treiben. Wir sind aufgefordert, um nichts besorgt zu sein. Er will es tun. Aber zu diesem Zweck sollen wir in allem durch Gebet und Flehen unsere Anliegen vor Gott kundwerden lassen. Dann antwortet Er in zweierlei Weise:
- Er selbst trägt unsere Ihm anvertraute Last, und
- in unsere Herzen senkt Er seinen eigenen kostbaren Frieden, der allen Verstand übersteigt.
Alle beunruhigenden, zermürbenden Gedanken, alle Angst ist dann weg. Nur Er steht vor unseren Blicken.
«Er wird seine Herde weiden wie ein Hirte, die Lämmer wird er auf seinen Arm nehmen und in seinem Schoss tragen, die Säugenden wird er sanft leiten» (Jes 40,11). Das gilt nicht nur für die Herde Israels, sondern auch für die Herde seines himmlischen Volkes. Darunter gibt es Lämmer, die noch jung, schwach und unerfahren sind und leicht eine Beute des Feindes werden können. Nur getrost! Er wird sie in seinen starken Arm nehmen und sie auf seinem Herzen tragen. Waren die Kinder nicht je und je besondere Gegenstände seiner Liebe?
Hast du einen kranken Leib? Ist dein Zustand und dein Leiden derart, dass du nicht einmal mehr das Wort lesen und darüber nachdenken kannst? – Wie muss dich das Bewusstsein erquicken, dass der, von dem geschrieben steht: «Er selbst nahm unsere Schwachheiten und trug unsere Krankheiten» (Mt 8,17), auch heute noch derselbe ist! Er leidet mit dir und trägt mit an deiner Krankheit, wie wenn es seine eigene wäre, auch dann, wenn Er sie nicht wegnimmt. Er hat wohl Besseres mit dir vor.
Und wenn die geistigen und körperlichen Kräfte abnehmen? Wenn das Alter naht mit seiner Schwäche und Hinfälligkeit? Auch dann haben wir eine kostbare Verheissung: «Und bis in euer Greisenalter bin ich derselbe, und bis zu eurem grauen Haar werde ich euch tragen; ich habe es getan, und ich werde heben, und ich werde tragen und erretten» (Jes 46,4).
Am Ziel unserer Pilgerreise, wenn wir aus der Höhe einen Blick werfen auf die durchwanderten Pfade in Wüste und Feindesland, werden wir mit anbetendem und dankbarem Herzen in die Worte einstimmen: «Ihr habt gesehen …, wie ich euch auf Adlers Flügeln getragen und euch zu mir gebracht habe» (2. Mo 19,4). «Gott hat dich getragen, wie ein Mann seinen Sohn trägt (für uns war es ein bewusstes, inniges Sohnesverhältnis), auf dem ganzen Weg, den ihr gezogen seid, bis ihr an diesen Ort kamt» (5. Mo 1,31).
- Ja, bei aller Freud
hat der Christ viel Schmerz:
aber auch im Leid
blickt er himmelwärts!
Und vom Himmel nieder
blickt sein Herr ihn an,
Dass er fröhlich wieder
weiter pilgern kann.