«Er hat mich heraufgeführt aus der Grube des Verderbens, aus kotigem Schlamm; und er hat meine Füsse auf einen Felsen gestellt, meine Schritte befestigt. Und in meinen Mund hat er ein neues Lied gelegt, einen Lobgesang unserem Gott. Viele werden es sehen und sich fürchten und auf den HERRN vertrauen» (Ps 40,3.4).
Aus dem kotigen Schlamm der Sünde bis hinauf zu der höchsten Höhe, wo keine Wolke die Herrlichkeiten des auferstandenen Christus verdunkelt – vom Boden der Grube des Verderbens bis zum Felsen, «der mir zu hoch ist» – das ist die Erhöhung, die die Gnade uns zuteilwerden liess.
Da, auf den Höhen der göttlichen Gunst, können die Erlösten des Herrn, obwohl noch in der Wüste, ihre neuen und himmlischen Lieder singen, im Glauben weit erhoben über die irdischen Kämpfe, die noch durchzufechten sind, bevor sie dem Leib nach die himmlischen Räume der Segnung betreten können, wo Friede und ewige Freude herrscht.
Sollte unser neues Leben also nicht ein unaufhörlicher Lobgesang sein? Gewiss, «beständig soll sein Lob in meinem Mund sein» (Ps 34,2). Aber es gibt auch andere Erfahrungen. Da gibt es Felsen zu erklimmen, Ströme zu durchqueren, Wüsteneien zu durchschreiten und Feinde zu überwinden. Solcher Art sind unsere «Schritte».
Unsere neue Stellung ist «auf dem Felsen»; daraus ergibt sich aber auch ein neuer Wandel. Es ist gut, mit dem kotigen Schlamm abgeschlossen zu haben, in dem wir kämpften und ausglitten, und unsere Füsse auf dem lebendigen Stein, dem Fels der Ewigkeiten, gründlich ruhen zu lassen. Aber es darf nicht dabei bleiben, allezeit eine Ruhestellung einzunehmen, selbst wenn man dabei wachsam ist. Im christlichen Leben ist auch Tätigkeit nötig und es sind Fortschritte zu machen. Der Gläubige ist keine Statue, die auf einem festen Sockel steht; er ist ein Reisender; vor ihm sind viele «Schritte».
Das Wort des Herrn lautet für uns, wie einst für Israel: «Wandelt!» Das Leben des Glaubens ist ein Leben ständiger Bewegung, nach vorne und nach oben, ein Jagen nach dem Ziel, mit allem, was damit verbunden ist, und nicht eine Reise in einem bequemen Wagen.
Für den Glauben gibt es keine ebene Autobahn, sondern nur steinige Fusswege in öden Gegenden und zerklüfteten Gebirgen. Wir benötigen jemand, der den Weg vor uns bereitet; und wir haben diesen Jemand auf der mühevollen Reise des Lebens. Unser Gott «befestigt die Schritte» derer, die ihr Vertrauen in Ihn, den lebendigen Gott, unseren Vater, setzen, und unser Herr ist ganz nahe bei uns, um uns vor dem Fall zu bewahren.
Wir finden in den Evangelien mehrmals die Geschichte von Gelähmten, die fähig gemacht wurden zu gehen. Gehen wir jetzt zum Teich von Bethesda, in jene Säulenhallen, die von jenen Kraftlosen erfüllt sind, und betrachten wir dort einen dieser Unglücklichen, dessen Fall so hoffnungslos ist! Denken wir an seine 38 langen Jahre des Elends und der Schwachheit; 38 Jahre, in denen es ihm unmöglich war, sich als erster in die heilenden Wasser zu werfen, die ihm die Kraft gegeben hätten, sich zu erheben und zu gehen, so wie ein Mensch gehen soll (Joh 5,2-9).
Vergegenwärtigen wir uns den Augenblick, wo seine Augen den Mann von Nazareth sehen – diesen Mann, der sich über ihn neigt, mit einem Blick des Mitleids, aber auch mit einem Wort der Kraft! Und siehe, er richtet sich auf, erhebt sich, nimmt sein Bett auf und geht umher. Für einen solchen Menschen bedeutete schon das Stehen ein Wunder der Kraft und das Gehen ein Wunder der Bewegung. Der Herr hatte «seine Schritte befestigt», und später begegnet Er ihm im Tempel.
So wurde also dieser Kranke durch das Wort des Herrn aus der kotigen Grube der Schwachheit und der Verzweiflung herausgehoben, wo es für ihn keinerlei Möglichkeit gab, aufrecht zu stehen. Die Macht des Herrn stellte ihn auf den Felsen des Heils. Dieselbe Kraft «befestigte seine Schritte», so dass er vor der Menge der armen Gelähmten, die an diesem Ort versammelt waren, umhergehen konnte.
Man kann von diesem geheilten Kranken in Bethesda sagen, was von jenem anderen im Vorhof des Tempels gesagt wird: «Das ganze Volk sah ihn umhergehen und Gott loben» (Apg 3,9). Alle beide waren dem kotigen Schlamm entstiegen, und «ihre Schritte» waren für den Namen des Herrn Jesus ein lebendiges Zeugnis.
Die Schritte können nicht befestigt werden, solange die Füsse noch im kotigen Schlamm stecken; sie werden es aber, sobald die Füsse auf den Felsen gestellt sind. Auf das Wort seines Meisters konnte Simon Petrus auf den Wasserwogen gehen; und durch seine «Schritte» auf den Wassern wurde er ein deutlicher Zeuge der Macht Christi, der einen Menschen jenseits der von der Natur gestellten Grenzen gehen liess.
Als sich aber Petrus zu den Spöttern setzte (Ps 1,1), wichen seine Schritte vom Pfad des treuen Zeugnisses ab. Im Hof des Hohenpriesters war er in den kotigen Schlamm zurückgefallen, und seine Schritte begannen auszugleiten.
Wenn sich Petrus hätte warnen lassen und auf seine Schritte geachtet hätte (Spr 14,15), so hätte er in Gethsemane gewacht und gebetet und hätte sich nicht inmitten der Feinde Christi der Versuchung ausgesetzt. Aber «wenig fehlte … um nichts wären meine Schritte ausgeglitten» (Ps 73,2). Doch der Herr stützte und rettete ihn in seiner Gnade (Ps 119,117). Er liess ihn aus dem abscheulichen Schlamm herausgehen und «befestigte seine Schritte».
Aber wenn wir uns auch hüten, die schlüpfrigen Pfade der Versuchung zu wählen, so dürfen wir nicht erwarten, dass wir die mit Schwierigkeiten und Prüfungen übersäten Wege meiden können. Gott aber, der nach den Worten des Alten Testaments «unsere Schritte befestigt», sagt uns im Neuen Testament: «Meine Gnade genügt dir» (2. Kor 12,9).
Wenn die Grundlagen eines reinen Zeugnisses zerstört zu sein scheinen und es schwierig wird in der Menge derer, die sich vom Glauben abwenden, festzustehen, können wir, wie Habakuk, singen: «Der HERR, der Herr, ist meine Kraft und macht meine Füsse denen der Hirschkühe gleich und lässt mich einherschreiten auf meinen Höhen» (Hab 3,19). Die Schritte des Propheten waren befestigt, obwohl die Chaldäer Juda und Jerusalem umringt hatten.
Wir sind unterwegs und unsere Schritte nähern sich dem Haus des Vaters. Sagen auch wir manchmal wie Thomas: «Wie können wir den Weg wissen?» Wir haben die Antwort des Herrn und sie «befestigt unsere Schritte»: «Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater als nur durch mich» (Joh 14,5.6).
Weil Er der Weg ist, müssen wir mit Ihm wandeln; sein Joch ist sanft und seine Last leicht. Wenn wir Ihm nachfolgen, sind unsere Schritte befestigt, denn sie werden dann den Seinen ähnlich sein (1. Joh 2,6). Wir machen dann einen stetigen Fortschritt und lernen, mit Ihm und untereinander zusammenzubleiben. Wenn wir Christus unmittelbar nachfolgen auf dem Weg, werden wir nicht straucheln und nicht abirren; seine Hand stützt und leitet uns. Die Israeliten benötigten in der Wüste einen Führer; sie kannten den Weg nicht und waren in Gefahr, sich zu verirren. Darum fasste Er sie bei der Hand und führte sie (Jer 31,32). So fasste auch der Herr Jesus den Blinden bei der Hand und führte ihn aus dem Dorf hinaus; seine Schritte wurden durch die Hand Jesu befestigt (Mk 8,23).
Fühlen auch wir das Bedürfnis des persönlichen Kontaktes mit der Hand von oben? Und wer vermag «unsere Schritte zu befestigen», wenn nicht die allmächtige Hand der Liebe, die uns «fest, unbeweglich, allezeit überströmend in dem Werk des Herrn» (1. Kor 15,58), bewahren wird?