Einfalt

Matthäus 6,23-24; Lukas 11,33-36

«Niemand, der eine Lampe angezündet hat, stellt sie ins Verborgene oder unter den Scheffel, sondern auf den Lampenständer, damit die Hereinkommenden das Licht sehen. Die Lampe des Leibes ist dein Auge; wenn dein Auge einfältig ist, so ist auch dein ganzer Leib licht; wenn es aber böse ist, so ist auch dein Leib finster. Gib nun acht, dass das Licht, das in dir ist, nicht Finsternis ist. Wenn nun dein ganzer Leib licht ist und keinen finsteren Teil hat, so wird er ganz licht sein, wie wenn die Lampe mit ihrem Strahl dich erleuchtete» (Lk 11,33-36).

«Wenn nun das Licht, das in dir ist, Finsternis ist, wie gross die Finsternis! Niemand kann zwei Herren dienen» (Mt 6,23.24).

Was ist Einfalt?

Einfalt ist wie eine Blume, die ihre Blüte ausschliesslich der Sonne öffnet, gleichgültig, was sich sonst noch für Gegenstände um sie her befinden. Einfalt ist eine eindeutige, alles andere ausschliessende Herzensrichtung auf Christus hin.

Die Einfalt des Herzens, von der das Wort redet, steht in direktem Gegensatz zum Eigenwillen, zum eigenen Ich. Wahre Einfalt ist das Vergessen des eigenen Ichs und aller übrigen Dinge, ausser einem – Christus; alle Teile des Herzens sind in innigem Kontakt mit Gott.

Einfalt ist das gesegnete Ergebnis in einer Seele, die ganz auf Christus gerichtet ist. Der Apostel Paulus hatte, um Christus zu gewinnen, alles für Verlust und Dreck geachtet; ja, er vergass alles, was dahinten ist. «Eins aber tue ich …» – Das ist Einfalt! (Phil 3,13).

Die Lampe des Leibes

Um in dieser finsteren Welt Gott wohlgefällig wandeln und wachsen zu können, benötigen wir Licht. Wir haben es nicht in uns selbst. «Das war das wahrhaftige Licht, das, in die Welt kommend, jeden Menschen erleuchtet» (Joh 1,9). Gott hat sich in Christus völlig offenbart. Er ist es, «der in unsere Herzen geleuchtet hat zum Lichtglanz der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu Christi» (2. Kor 4,6). Doch die Wertschätzung und der Genuss dieses wunderbaren Lichts hängt von unserem «Sehvermögen» ab, hängt davon ab, ob unsere «Lampe» im richtigen Zustand ist. «Die Lampe des Leibes ist das Auge», sagt der Herr. Das stellt uns unter Verantwortlichkeit. Das Licht hat noch nie so strahlend geleuchtet wie heute, nachdem der Herr Jesus Christus im Charakter des Lichts gekommen ist, um durch sich selbst einerseits die Dinge in sittlicher Beziehung offenbar zu machen und anderseits seinen Gott und Vater darzustellen und vollkommen zu offenbaren. Doch sollten wir uns fragen: Ist mein Organ der Wahrnehmung, ist mein Auge für dieses Licht empfänglich? Ist es einfältig? Davon hängt es ab, ob unser Leib licht ist oder nicht.

Einfalt und Erkenntnis gehen zusammen

«Wenn nun dein Auge einfältig ist, so wird dein ganzer Leib licht sein.» Der Herr Jesus macht die Erkenntnis seiner selbst und die Erkenntnis seines Willens von der Einfalt unseres Auges, d.h. von unserem sittlichen Herzenszustand abhängig.

Wenn unser Auge einfältig auf Ihn gerichtet ist, um einfach durch Ihn geleitet zu werden, dann wird Er uns bezüglich jeder Frage erleuchten und uns seinen Willen kundtun. Unser Leib wird ganz licht sein; d.h. das Licht wird der Beweggrund unseres Verhaltens und unserer Wege sein. Wenn jeder Teil unseres Herzens mit Ihm in Kontakt ist, dann kann Er uns durch sein «Auge» leiten: «Mein Auge auf dich richtend, will ich dir raten» (Ps 32,8). Wie kostbar ist solch ein Weg!

Ist dein Auge einfältig? Ist Christus dein einziger Gegenstand? Ist Christus dein Licht? – Liebe macht das Auge einfältig.

Das Auge ist entweder einfältig oder böse

Der Gegensatz ist nicht «einfältig oder zwiespältig», sondern «einfältig oder böse». Wenn nicht Christus mein Herzensgegenstand ist, dann habe ich irgendeinen anderen, und das ist böse. «Wenn aber dein Auge böse ist, so wird dein ganzer Leib finster sein» (Mt 6,23). Umgekehrt ausgedrückt: Wenn mein Leib nicht voll Licht ist, so beweist dies, dass mein Auge nicht in allen Teilen einfältig ist. Wir haben irgendetwas nicht aufgegeben! Wie ernst ist das! Als Folge davon ist unser Leib finster; wir haben kein Licht; wir sind in Unklarheit über die Gedanken und Absichten Gottes. Dann fragen und sagen wir vielleicht auch: «Warum darf ich das nicht tun?» – «Ich sehe nicht ein, dass …» Ach, solche Worte zeigen, dass uns das Licht fehlt!

Solange ich etwas bei mir dulde, worin mein Auge nicht einfältig ist, solange kann es keinen freien Herzensverkehr mit Gott geben. Wenn ich meinen eigenen Willen nicht dem Willen Gottes unterordne, so kann ich auch nicht «einfach» von Gott geleitet werden. Zudem fehlt mir ein gesundes Urteilsvermögen der Dinge und Umstände. Alles dieses ist die Folge davon, dass meine Herzenszuneigungen von ihrem eigentlichen Gegenstand, von Christus, weggewandert sind.

Doch wenn unser Herz im richtigen Zustand zum Herrn ist, so wird der «ganze Leib licht» sein und keinen finsteren Teil haben; wir werden den Willen Gottes rasch erkennen. Ist das Auge einfältig, dann ist alles einfach, obwohl es auch auf diesem Weg Schwierigkeiten und Prüfungen geben wird.

Ich mag, wie jemand gesagt hat, nur ein kleines Gefäss sein, aber ich muss ganz und gar für Christus sein. Wir können nicht zwei Herren dienen.

«… wie gross die Finsternis!»

«Gib nun acht, dass das Licht, das in dir ist, nicht Finsternis ist.» Wir sind gehalten, uns dem Licht, das in die Seele fällt, willig zu unterwerfen. Mit welch ernsten Worten warnt uns der Herr davor, trotz des empfangenen Lichts und gegen bessere Erkenntnis unseren fleischlichen Gedanken, unserem Eigenwillen zu folgen! Wir tun das nicht ungestraft. «Wenn nun das Licht, das in dir ist, Finsternis ist, wie gross die Finsternis!» Wenn wir nicht in der Kraft dessen vorangehen, was uns vom Herrn geschenkt ist, so wird uns das Licht bald genommen werden, und stattdessen wird uns tiefe Finsternis ergreifen. Was ich heute noch klar erkenne, werde ich vielleicht morgen schon nicht mehr sehen.

Was für jeden Einzelnen von uns gilt, hat ebenso für das gemeinsame Zeugnis Gültigkeit. Hat der, der zwischen den sieben goldenen Leuchtern wandelt, nicht auch warnend zu Ephesus gesagt: «Wenn aber nicht, so komme ich dir und werde deinen Leuchter von seiner Stelle wegrücken»? (Off 2,5).

Das Abwenden von der Einfalt gegenüber dem Christus

«Ich fürchte aber, dass etwa, wie die Schlange Eva durch ihre List verführte, so euer Sinn verdorben und abgewandt werde von der Einfalt gegenüber dem Christus» (2. Kor 11,3). Ist diese Befürchtung des Apostels Paulus nicht auch gerade in Bezug auf unsere Tage des Endes berechtigt und begründet? Oh, wenn unser Sinn verdorben und abgewandt wird von der Einfalt gegenüber dem Christus und gegenüber seinem Wort, wenn unser bräutliches Verhältnis zu Ihm nicht mehr verwirklicht und genossen wird, dann ist dem Eindringen böser Lehren und Praktiken in die Versammlung Tür und Tor geöffnet. Es besteht dann die Gefahr, dass wir gar nicht mehr sehen, dass dies ein anderer Christus, ein anderer Geist, ein anderes Evangelium ist, die da gebracht werden – was ja kein Evangelium mehr ist (Gal 1,7). Der Apostel musste in dieser Beziehung von gewissen Christen sagen: «Ihr ertragt es gut» (2. Kor 11,4). Fehlt die Einfalt, fehlt auch das Licht. Denn da ist keine Klarheit, keine Einsicht, kein Empfinden der Gefahr mehr!

Ist dagegen Einfalt vorhanden, so bleiben wir angesichts des traurigen Niederganges nicht allein vor dem Abirren, vor Selbstvertrauen und Selbstgefälligkeit, sondern auch vor Entmutigungen bewahrt. Dann werden wir immer wieder zu dieser Sprache zurückfinden: «Ich habe Vertrauen zu euch im Herrn» (Gal 5,10).

«… damit die Hereinkommenden das Licht sehen»

In Korinth war bei einigen das Licht verdunkelt. Die Lampen benötigten priesterliche Aufmerksamkeit und Bedienung, damit sie wieder ihr volles Licht gaben, «damit die Hereinkommenden das Licht sehen». Gott sei gepriesen, dass es unter den Heiligen noch eine Sphäre, einen Platz gibt, wo Gott dafür sorgt, dass sein göttliches Licht hell scheint!

Es handelt sich hier nicht so sehr um das «Licht der Welt», sondern mehr um die «Hereinkommenden». Wenn wir uns zum Namen des Herrn hin versammeln, dann werden die «Hereinkommenden das Licht sehen». Es ist dann nicht so, dass wir beständig über unsere Zusammenkünfte Klage führen, dass sie zu arm, die Dienste so schwach seien. Hinter solchen Klagen verbirgt sich oft ein «böses Auge». Ist der Herr der alleinige Mittelpunkt, dann wird unser Zusammenkommen vom göttlichen Licht gekennzeichnet und nie so arm sein, dass nicht immer etwas zur Verherrlichung Gottes und seines geliebten Sohnes gesagt wird. Kommen dann Leute herein, so werden sie das Licht sehen.

Klug wie die Schlangen, ohne Falsch wie die Tauben

Als der Herr seine Jünger aussandte (Mt 10), da tat Er es in dem Bewusstsein, dass Er sie wie Schafe inmitten von Wölfen aussandte. Es war daher Weisheit und Einfalt nötig: «Seid nun klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben» (Vers 16). Auch in Epheser 5,15.16 werden wir ermahnt: «Gebt nun acht, wie ihr sorgfältig wandelt … denn die Tage sind böse.»

Wie tröstlich, dass dieses «Gebt nun acht …» in der Herrlichkeit nicht mehr nötig sein wird! Dort ist alles vollkommen, alles heilig. Aber in dieser Welt, inmitten des Bösen, ist Weisheit, gepaart mit Einfalt, nötig. Die Gläubigen in dieser Welt brauchen, um dem Bösen zu entgehen, nur einfältig auf die Stimme des guten Hirten zu hören und Ihm zu folgen. Das setzt voraus, dass sie vor dem «Fremden» fliehen, weil sie seine Stimme nicht kennen (Joh 10,4.5).

Der Christ hat nicht nötig, mit dem Bösen vertraut zu werden. Er soll ohne Kenntnis des Bösen «weise sein zum Guten, aber einfältig zum Bösen» (Röm 16,19). Christus ist die wahre Weisheit, das wahrhaftige Licht. Er gibt uns die volle und göttliche Kenntnis des Guten in der Mitte des Bösen. Wenn nur Christus unseres Herzens einziger Gegenstand ist, und wir also einfältig sind wie die Tauben, dann besitzen wir bezüglich aller Dinge die Weisheit, geistliche Weisheit («der geistliche Mensch beurteilt alles» – 1. Kor 2,15). Dann werden wir als solche, die «an der Bosheit Unmündige» sind (1. Kor 14,20), trotz der Gegenwart und Wirksamkeit Satans fähig sein, das «Gute zu wirken gegenüber allen» (Gal 6,10); wir werden Zeit für Gott haben und Gelegenheit finden, Ihm zu dienen.

So lasst uns nahe zu ihm uns halten und in aller Herzenseinfalt gegen Ihn durch die geöffnete Türe gehen, die Er uns schenkt; und Gott wird mit uns sein!