Der HERR ist mein Hirte

Psalm 23

Psalm 23 entfaltet die Segnungen eines Gläubigen, der seinen Weg durch die Welt mit dem Herrn Jesus als seinem Hirten geht.

Dieser Psalm steht in engem Zusammenhang mit dem vorhergehenden und dem nachfolgenden Psalm. Alle drei sind besonders schön und wertvoll, denn in jedem von ihnen ist Christus das grosse Thema.

  • Psalm 22 zeigt Jesus als das heilige Opfer. Am Kreuz hat Er sich selbst ohne Flecken Gott hingegeben, um der Heiligkeit Gottes zu entsprechen und seine Schafe zu erretten.
  • In Psalm 23 sehen wir unseren Herrn als den Hirten. Er führt seine Schafe durch die Welt, die einer Wüste gleicht.
  • Psalm 24 beschreibt Christus als König. Er ist der HERR der Heerscharen, der sein Volk in das herrliche Friedensreich führen wird.

Unser Psalm beginnt mit der wunderbaren Aussage: «Der Herr ist mein Hirte.» Jeder Gläubige kann sagen: «Der Herr ist mein Erretter.» Aber haben wir uns auch klar seiner Führung untergeordnet, so dass wir sagen können: «Der Herr ist mein Hirte»? Er hat uns mitgeteilt, dass Er der Hirte ist (Joh 10,11). Doch es fragt sich, ob wir zu Ihm gesagt haben: «Du bist mein Hirte»? Bei unserer Bekehrung haben wir Ihn als unseren Erlöser angenommen, der für uns gestorben ist, um uns von unseren Sünden zu erretten. Doch jetzt stellt sich die Frage: Haben wir Ihn als unseren Hirten anerkannt, damit Er uns durch alle Schwierigkeiten nach Hause führen kann?

Ein anschauliches Bild

Stellen wir uns eine Schafherde vor, die keinen Hirten hat. Schafe sind hilflose, einfältige, schwache und ängstliche Tiere. Was würde passieren, wenn sie sich selbst überlassen wären und in einer wilden Gegend ihren Weg allein finden müssten? Sie würden verhungern, weil sie die Nahrung selbst nicht finden. Sie würden umherirren, weil sie den richtigen Weg von sich aus nicht kennen. Sie würden müde werden und vom Weg abkommen, weil sie schwach sind. Sie würden vor dem Wolf fliehen und zerstreut werden, weil sie ängstlich sind.

Im Kontrast dazu überlegen wir uns, was geschieht, wenn die Schafe ihren Weg unter der Führung des Hirten gehen. Wenn sie hungrig sind, ist der Hirte da, um sie auf grüne Weiden zu führen. Wenn sie nicht mehr weiter wissen, bewahrt er sie auf dem rechten Weg. Wenn sie schwach sind, wird der Hirte seine Schafe sanft leiten und die Lämmer tragen. Wenn sie ängstlich sind, geht er vor ihnen her, um sie durch die rauen Täler zu führen und vor jedem Feind zu beschützen.

Es ist klar, dass in einer Herde ohne den Hirten alles von den Schafen abhängt. Das muss zu einer Katastrophe führen. Ebenso gewiss ist, dass die Reise sicher und segensreich verläuft, wenn der Hirte vorangeht und die Schafe ihm folgen.

Dieses Bild einer Schafherde unter der Führung des Hirten illustriert tatsächlich die Reise der gläubigen Christen durch die Welt. Das finden wir in Johannes 10 bestätigt. Dort sagt der Herr selbst, dass Er «der Hirte der Schafe» ist, seine Schafe mit Namen ruft und vor ihnen hergeht. Die Schafe folgen Ihm, weil sie seine Stimme kennen.

Sieben Situationen

Psalm 23 stellt uns den Segen vor, wenn unser Hirte vorausgeht und wir Ihm folgen. Leider kommt es vor, dass wir im Selbstvertrauen dem Hirten vorauseilen oder durch Nachlässigkeit weit hinter Ihm zurückbleiben. Aber unter den beiden Bedingungen, dass der Hirte vor uns hergeht und wir Ihm unmittelbar folgen, können wir in jeder Schwierigkeit, die uns begegnet, mit seiner Unterstützung rechnen.

Der Psalmdichter spricht von sieben verschiedenen Situationen, in denen wir uns als Gläubige befinden können:

  • Wir haben einen täglichen Bedarf
  • Wir spüren geistliche Bedürfnisse
  • Wir versagen und sind niedergeschlagen
  • Wir befinden uns im Schatten des Todes
  • Wir sind von Feinden umgeben
  • Wir führen ein Alltagsleben
  • Wir haben die Ewigkeit vor uns

All das kann uns auf unterschiedliche Weise und zu verschiedenen Zeiten begegnen. Wenn wir uns diesen Situationen aus eigener Kraft stellen, werden sie uns sicher mit Furcht und Schrecken überwältigen. Doch mit dem Herrn als unserem Hirten und Führer können wir den Weg zur Herrlichkeit trotz Problemen mit Zuversicht gehen.

Jeder Segen in diesem Psalm ergibt sich aus der ersten grossen Aussage: «Der Herr ist mein Hirte.» Deshalb ist alles, was darauf folgt, mit dieser Tatsache verknüpft.

1) Der tägliche Bedarf

«Der HERR ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln» (Vers 1).

In diesem Vers können wir den körperlichen Bedarf sehen, den wir täglich haben. Wie soll er befriedigt werden? Der Psalmdichter sagt nicht: «Ich habe eine gute Arbeitsstelle, mir wird nichts mangeln.» Oder: «Ich habe gute Freunde, die für mich sorgen, mir wird nichts mangeln.» Oder: «Ich besitze viel, mir wird nichts mangeln.» Oder: «Ich bin jung, gesund und fähig, mir wird nichts mangeln.»

Auf alle diese und viele andere Arten kann der Herr unsere Bedürfnisse stillen. Doch der Psalmdichter denkt nicht an diese Mittel. Er blickt über alle zweitrangigen Ursachen und Wege der Vorsehung hinaus. Er sieht den Herrn, der vorausgeht und dem er folgen will. Darum sagt er: «Der HERR ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.»

2) Die geistlichen Bedürfnisse

«Er lagert mich auf grünen Auen, er führt mich zu stillen Wassern» (Vers 2).

Auf dem Glaubensweg verspüren wir auch geistliche Bedürfnisse. Für uns Christen ist die Welt um uns herum wie eine karge Wüste. In all den vergänglichen Eitelkeiten der Welt gibt es nichts, was unsere Seele nährt. Ihre Weiden sind dürr und unfruchtbar. Ihr Wasser ist aufgewühlt und trübe. Doch wenn «der Herr mein Hirte ist», wird Er mich auf seine grünen Auen und an die stillen Wasser führen.

Wie schnell verblassen die Vergnügungen der Welt – sogar bei denen, die zu ihr gehören. Die geistliche Nahrung hingegen, die der Hirte gibt, ist immer frisch, denn Er führt auf «grüne Auen». Er gibt so viel Nahrung, dass die Schafe gesättigt werden und sich «auf grünen Auen lagern». Kein hungriges Schaf lässt sich mitten im Überfluss nieder. Es frisst zuerst, bis es satt ist, um sich dann hinzulegen.

Der Hirte führt auch zu stillen Wassern. Fliessendes Wasser, das am meisten Lärm macht und sich am eindrucksvollsten zeigt, ist immer dort, wo die Felsen am zahlreichsten sind und der Wasserstand am niedrigsten ist. Die stillen Wasser hingegen sind ruhig, aber tief. Der Hirte kann unser Herz ruhig machen und unseren geistlichen Durst stillen. Dazu benutzt Er die tiefgründige Wahrheit des Wortes Gottes, die weit entfernt ist von den lärmenden und seichten Bestrebungen, die die Menschen beschäftigen und uns Christen allzu oft ablenken.

3) Wiederherstellung und Führung

«Er erquickt meine Seele, er leitet mich in Pfaden der Gerechtigkeit um seines Namens willen» (Vers 3).

Auf unserem Weg durch die Wüste dieser Welt können wir darin versagen, dem Hirten zu folgen. Es ist auch möglich, dass wir müde werden und unsere Zuneigung zu Ihm abnimmt. Wenn jedoch «der Herr mein Hirte ist», dann stellt Er meine Seele wieder her und belebt sie. Er selbst ist es, der diese Zurechtbringung oder Erquickung bewirkt. Manchmal meinen wir, wir könnten uns durch eigene Anstrengung und zu unserer Zeit wiederherstellen, wenn wir auf der Wanderschaft müde geworden oder vom Weg abgekommen sind. Doch das ist nicht möglich. Nur der Herr kann uns wieder zurechtbringen und aufrichten. Als Noomi von ihrem Aufenthalt im Land Moab heimkehrte, musste sie bekennen: «Ich bin gegangen.» Doch dann fügte sie hinzu: «Der HERR hat mich zurückkehren lassen» (Rt 1,21). Gepriesen sei sein Name! Der Herr kann wiederherstellen, und Er tut es auch. Wenn es nicht so wäre, würde das Volk Gottes auf der Erde kaum mehr als eine traurige Schar von Untreuen sein.

Nach unserer Wiederherstellung führt uns der Hirte «auf Pfaden der Gerechtigkeit um seines Namens willen». Wie oft betreten wir sogar aufrichtig und eifrig eigenwillige Wege, die mit seinem Namen unvereinbar sind. Damit beweisen wir nur, wie wenig wir uns im Alltag von unserem Hirten führen lassen. Der Pfad der Gerechtigkeit, auf dem Er uns führt, ist ein «schmaler Weg». Dort ist kein Platz für fleischliches Selbstvertrauen. Wir können ihn nur gehen, wenn wir den Herrn als unseren Hirten vor uns haben. Denken wir an Petrus! Mit echter Aufrichtigkeit und wirklichem Eifer, aber auch mit grossem Selbstvertrauen erklärte er: «Herr, mit dir bin ich bereit, auch ins Gefängnis und in den Tod zu gehen» (Lk 22,33). Das war nicht der Pfad der Gerechtigkeit.

4) Im Tal des Todesschattens

«Auch wenn ich wanderte im Tal des Todesschattens, fürchte ich nichts Übles, denn du bist bei mir; dein Stecken und dein Stab, sie trösten mich» (Vers 4).

Auf unserem Glaubensweg begegnen wir «dem Tal des Todesschattens». Wir hoffen, dass wir bis zum Kommen des Herrn am Leben bleiben und nicht persönlich durch den Tod gehen müssen. Dennoch erleben wir dieses dunkle Tal, und zwar jedes Mal, wenn einer von unseren Lieben heimgeht. In einem weiteren Sinn ist unser ganzer Weg durch die Welt eine Reise durch das Tal des Todesschattens. Immer wieder hören wir das Läuten der Totenglocke.

Wenn der Herr unser Hirte ist, können wir mit dem Psalmdichter sagen: «Ich fürchte nichts Übles, denn du bist bei mir.» Der Herr Jesus erklärt: «Wenn jemand mein Wort bewahrt, so wird er den Tod nicht sehen in Ewigkeit» (Joh 8,51). Er sagt hier nicht, dass die Gläubigen nicht durch den Tod gehen, sondern dass sie ihn nicht sehen werden. Jene, die am Sterbebett eines Erlösten stehen, sehen zwar den Tod. Aber derjenige, der tatsächlich in das dunkle Tal hinabsteigt, sieht Jesus Christus. Vielleicht müssen wir diesen Weg gehen. Doch es ist nur ein kurzer «Durchgang». Sobald wir ausheimisch vom Leib sind, sind wir einheimisch beim Herrn (2. Kor 5,8). Beim Durchgang durch dieses dunkle Tal ist der Herr nicht nur bei uns, sondern hat auch seinen Stecken und seinen Stab in der Hand. Mit dem Stecken vertreibt Er jeden Feind, mit dem Stab unterstützt Er uns in all unserer Schwachheit.

5) Das Festmahl in Gegenwart der Feinde

«Du bereitest vor mir einen Tisch angesichts meiner Feinde; du hast mein Haupt mit Öl gesalbt, mein Becher fliesst über» (Vers 5).

In der Welt, die einer Wüste gleicht, sind wir von Feinden umgeben. Sie wollen uns den Genuss an unseren Segnungen rauben und unseren geistlichen Fortschritt behindern. Doch der Herr ist unser Hirte, der uns in der Gegenwart unserer Feinde ein Bankett zubereitet. Aber nicht nur das: Er macht auch die Seinen für das Fest bereit, denn Er salbt unser Haupt mit Öl und füllt den Becher, bis er überfliesst. Er tut viel mehr für uns, als die Menschen jemals für Ihn taten, als Er auf der Erde lebte. Einmal bat Ihn ein Pharisäer, mit ihm zu essen. In seiner wunderbaren Gnade ging der Herr in das Haus des Pharisäers und legte sich zu Tisch, um mit ihm essen. Doch Er musste ihm sagen: «Du hast mein Haupt nicht mit Öl gesalbt» (Lk 7,46).

6) Jeden Tag im Leben

«Nur Güte und Huld werden mir folgen alle Tage meines Lebens» (Vers 6)

Auf der Erde gibt es einen alltäglichen Weg, den wir zu gehen haben. Jeder Tag in unserem Leben bringt seine gewöhnlichen Pflichten, seine grossen und kleinen Alltagssorgen mit sich. Aber auf dem Weg hinter dem Hirten her stellen wir fest, dass uns jeden Tag «Güte» und «Huld» folgen. Wenn wir uns näher beim Herrn aufhalten und dem Hirten dicht folgen würden, könnten wir seine Hand in den kleinen Dingen des Alltags klarer erkennen. Wir würden täglich seine Güte und Huld entdecken.

7) Das ewige Zuhause

«Ich werde wohnen im Haus des HERRN auf immerdar» (Vers 6).

Zuletzt blicken wir über die Tage unseres Lebens hinaus in die grosse Ewigkeit, die sich vor uns erstreckt. Da erkennen wir, dass der Hirte uns nicht nur durch die Wüste führt, sondern uns auch heimbringen wird: «Ich werde wohnen im Haus des HERRN auf immerdar.» Für uns Christen ist es das Haus des Vaters. Dort gibt es keinen körperlichen Bedarf mehr. Dort ist jedes geistliche Bedürfnis gestillt. Dort wird es kein Versagen geben, und kein Herz wird erkalten. Dort erreicht uns kein Schatten des Todes. Dort kann sich uns kein Feind nähern. Stattdessen wird unser Becher tatsächlich überfliessen. «Die Tage meines Lebens» werden enden, aber im «Haus des Herrn» werde ich für immer wohnen. Dort wird kein einziges seiner Schafe fehlen. Diese Sicherheit gibt uns der Hirte: «Ich habe sie behütet, und keiner von ihnen ist verloren gegangen» (Joh 17,12).

Vor vielen Jahren schrieb ein Glaubensmann: «Wie denkt ihr über die Liebe unseres Hirten? Seine Füsse wanderten einst durch die Welt, um die verlorenen Schafe zu finden, und wurden schliesslich durchbohrt. Seine Augen, die sich oft im Gebet zu Gott im Himmel erhoben, waren auch von Tränen erfüllt. Sein Haupt wurde mit Dornen gekrönt. Sein Angesicht, das einmal heller als die Sonne strahlte, war ganz entstellt. Seine Wangen wurden gerauft. Er nahm die Schande auf sich und gab uns die Herrlichkeit. Er nahm den Fluch auf sich und gab uns den Segen. Er nahm den Tod auf sich und gab uns das Leben. Als der grosse Hirte wird Er Rechenschaft über alle seine Schafe ablegen und seinem Vater sagen: Das sind alle meine Schafe! Ich ging durch Wald und Wasser, durch Dornen und Gestrüpp, um sie zu sammeln: Meine Füsse, meine Hände und meine Seite wurden durchbohrt, bevor Ich sie ergreifen konnte. Aber nun sind sie hier.»

Wir erinnern uns daran, was der Herr Jesus in der Vergangenheit für uns getan hat: Als der gute Hirte gab Er sein Leben für die Schafe! Wir wissen auch, was Er noch alles für uns tun wird und wie Er als Erzhirte offenbar werden wird. In diesem Bewusstsein schauen wir auf unserer gegenwärtigen Reise durch die Wüste zu Ihm auf und sagen: «Der Herr ist mein Hirte.»