So kurz wie möglich möchte ich die folgenden vier Fragen zu beantworten suchen:
- Was ist das Mahl des Herrn?
- Wie erhielt es den Platz einer dauernden Einrichtung?
- Welche Personen sollen daran teilhaben?
- Kann man sich freiwillig dieses Mahls enthalten, ohne den Herrn zu betrüben?
Diese Fragen sollten von allen gläubigen Christen im göttlichen Licht des Wortes geprüft werden, um sich nicht durch menschliche Meinungen und Gefühle beirren zu lassen. Denn manche sehen im Mahl des Herrn das, was dem Herzen Heilsgewissheit gibt. Andere fürchten, eine häufige Teilnahme daran könnte zu einer oberflächlichen Gewohnheit führen, und meinen, es sei Demut, sich dessen zu enthalten.
1. Was ist das Mahl des Herrn?
Als Antwort auf die erste Frage wird uns in der Schrift mitgeteilt, dass das Mahl des Herrn zum Gedächtnis an eine geschehene Befreiung und zugleich an eine kommende Befreiung eingesetzt wurde. Einerseits weist es darauf hin, dass der Sohn Gottes sich freiwillig den Schlägen der göttlichen Gerechtigkeit ausgesetzt hat, dass Er die Strafe für unsere Sünden erlitt, dass sein Blut am Kreuz geflossen ist, um sie zu sühnen und sie daher vor Gott ausgelöscht sind. Das Blut bringt uns in Sicherheit vor dem Gericht, und sobald wir diese Wahrheit verstehen, geniessen wir den Frieden in unserem Gewissen. Das ist eine Befreiung, die geschehen ist. In Matthäus 26,26-29, Markus 14,22-25, Lukas 22,19-22 haben wir diese Seite der Sache. Der Herr setzt dort das Mahl ein, zum Gedächtnis an seine sühnenden Leiden, wobei die Frage seines Wiederkommens nicht berührt wird. Das Brot, das man nehmen und essen soll, stellt seinen geopferten Leib dar; der Kelch, aus dem man trinkt, spricht von seinem Blut, «das für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden» (Mt 26,28).
Paulus, dem das Geheimnis der Versammlung offenbart wurde, empfing später dasselbe Gebot: «Dies tut zu meinem Gedächtnis», um es den Gläubigen weiterzugeben, und er fügte vonseiten des Herrn hinzu: «Denn sooft ihr dieses Brot esst und den Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt» (1. Kor 11,23-26).
Das Mahl des Herrn spricht also vom Tod des Christus, wie auch von seinem Wiederkommen: Sein Tod hat uns in Frieden mit Gott versetzt, und seine Wiederkunft wird unseren Leib der Niedrigkeit in einen Leib der Herrlichkeit umgestalten, der dem seinen gleichförmig ist. Wenn dies geschehen ist, sind keine Symbole mehr nötig. Jetzt aber, während wir noch so leicht vergessen, was sich am Kreuz ereignet hat und was beim Kommen des Herrn geschehen wird, sollen wir diese Symbole wertschätzen, als ein Pfand der unveränderlichen Liebe und Treue Gottes.
Nebst dem Gedächtnis an die Leiden des Herrn und der Erinnerung an sein Kommen zeigt uns das Mahl des Herrn noch eine andere Seite: Es ist ein Symbol der Gemeinschaft mit Christus und auch mit allen denen, die daran teilnehmen. Dieser Gedanke geht aus 1. Korinther 10,16.17 klar hervor: «Der Kelch der Segnung, den wir segnen, ist er nicht die Gemeinschaft des Blutes des Christus? Das Brot, das wir brechen, ist es nicht die Gemeinschaft des Leibes des Christus? Denn ein Brot, ein Leib sind wir, die Vielen, denn wir alle nehmen teil an dem einen Brot.» Wenn ein Leib in seinem normalen Zustand ist, sind die Glieder in Harmonie miteinander; auch die gläubigen Christen werden als «ein Leib» betrachtet.
2. Wie erhielt es den Platz einer dauernden Einrichtung?
Zweitens: Wenn man berücksichtigt, dass der Herr dieses Mahl nach der Passahfeier eingesetzt hat (Lk 22,14-20), so bleibt kein Zweifel bestehen, dass es nun diese ersetzt und wie jenes Fest eine dauernde Einrichtung sein soll. Zudem war das Passahlamm nur ein Vorbild des eigentlichen Lammes Gottes, und Paulus sagt: «Denn auch unser Passah, Christus, ist geschlachtet worden» (1. Kor 5,7). Als Christus, das Gegenbild, geopfert war, handelte es sich für die Glaubenden nicht mehr darum, am 14. des ersten Monats des jüdischen Jahres Passah zu feiern, sondern jeden ersten Tag der Woche Brot zu brechen. So taten es die ersten Christen. «Am ersten Tag der Woche aber, als wir versammelt waren, um Brot zu brechen» (Apg 20,7). Das war der Zweck, weshalb sie sich dort versammelten.
3. Welche Personen sollen daran teilhaben?
Die dritte Frage ist nun: Welche Personen sollen daran teilnehmen? Wenn das Mahl des Herrn, wie wir sahen, das Zeichen einer vollbrachten und einer zukünftigen Befreiung ist, so ist es sicher, dass nur die, die sich der ersten Befreiung erfreuen und mit Gewissheit die zweite erwarten können, daran teilnehmen sollen. Die Ungläubigen haben kein Teil daran. Wie vor dem Essen des Passahlammes die beiden Pfosten der Tür und der Türsturz mit Blut bestrichen sein mussten, so ist es auch heute: Die Seele muss unter dem Schutz des Blutes Christi sein, bevor sie den Kelch nehmen darf. Der Gläubige gleicht darin dem Israeliten, den das Blut vor dem Gericht schützte; es war die Grundlage seines Friedens, denn Gott hatte gesagt: «Sehe ich das Blut, so werde ich an euch vorübergehen» (2. Mo 12,13).
«Kein Fremder soll davon essen», hatte Gott gesagt (2. Mo 12,43). Einzig die Personen des Hauses, das das Zeichen des Blutes trug, sollten vom Lamm geniessen. Diese hatten Ursache, sich zu freuen, denn es war ihr Fest. Sie bildeten einen Gegensatz zu den Ägyptern, die wehklagten. So wird auch den Glaubenden, die heute zur Versammlung Gottes gehören, zugerufen: «Lasst uns Festfeier halten … mit ungesäuertem Brot der Lauterkeit und Wahrheit» (1. Kor 5,8). Ist dies für uns nicht tatsächlich eine Feier: die Erinnerung, dass unsere Sünden ausgelöscht sind, verbunden mit der Hoffnung, bald den zu sehen, dem wir gleichförmig gemacht werden? Möchten wir doch, geschart um unser Lamm, um das Lamm Gottes, uns in zunehmendem Mass dessen erfreuen!
4. Kann man sich freiwillig dieses Mahls enthalten?
Ich komme zur vierten Frage: Kann man sich freiwillig des Mahls des Herrn enthalten, ohne den Herrn zu betrüben? Wenn der Herr seine Gedanken klar formuliert, darf man sie dann missachten?
Er hatte vom Passah gesagt: «Die ganze Gemeinde Israel soll es feiern» (2. Mo 12,47). Einer, der sich hätte daran genügen lassen, das Blut an die Tür zu sprengen, ohne vom Passah zu essen, wäre zwar gerettet gewesen, weil das Blut den Engel des Gerichts zurückhielt. Doch war es nicht weniger sicher, dass er durch seine Unterlassung das Wort des HERRN verachtet hätte, der doch später gesagt hatte (zu solchen, die unter Gesetz waren, nicht unter Gnade): «Wer es unterlässt, das Passah zu feiern, diese Seele soll ausgerottet werden» (4. Mo 9,13). Er hätte sich durch seine Weigerung, das Fest zu feiern, auch freiwillig eines grossen Vorrechts beraubt.
Und ist es, so frage ich, nicht auch so mit jeder gläubigen Seele, die heute aus Furcht oder Gleichgültigkeit nicht am Mahl des Herrn teilnimmt und sich daran genügen lässt, durch das Blut vor dem Gericht geschützt zu sein? Gewiss, denn der Herr Jesus hat gesagt: «Tut dies zu meinem Gedächtnis». Das zu unterlassen, hiesse, einen Wunsch des Herrn nicht zu erfüllen und dadurch eines grossen Vorrechtes verlustig zu gehen. Es wäre verkehrt, damit zu warten, bis man die sündige Natur, die immer zum Bösen neigt, nicht mehr in sich hat; denn sie findet sich nach dem Zeugnis des Wortes Gottes bei jedem Gläubigen vor. Sowohl vor wie nach der Erlösung ist sie immer dieselbe; und Gott kennt und beurteilt sie so. Doch Er hat Israel, das unter der Besprengung des Blutes war, schon eingeladen, von dem Lamm zu essen. Und ohne Widerrede hat es sich diesem unterzogen, denn wir lesen: «Und alle Kinder Israel taten, wie der HERR Mose und Aaron geboten hatte; so taten sie» (Vers 50). Jede Furcht war von ihren Herzen genommen, denn Gott hatte ja gesagt: «Wenn ich das Blut sehe».
Du bist doch überzeugt, dass Gott sieht und anerkennt, dass das kostbare Blut Christi auch für dich auf Golgatha geflossen ist? Warum solltest du dich denn fürchten, diesem Wort deines Herrn bis zu seinem Wiederkommen zu gehorchen: «Tut dies zu meinem Gedächtnis»? Warum solltest du, der du schon seit einiger Zeit weisst, dass das Blut Christi deine Sünden ausgetilgt hat, noch zögern, öffentlich Zeugnis zu geben, dass du Ihn erwartest und glücklich bist, mit deinen Geschwistern zu einem Leib vereinigt zu sein? Sich denen nicht anzuschliessen, die das Gedächtnis des Herrn feiern, heisst das nicht, seinen Wunsch geringachten? Möge doch jede Furcht und falsche Scham aus deinem Herzen verbannt sein! Wenn die vollkommene Liebe die Furcht austreibt, so zeige dies, indem du das kostbare Vorrecht wertschätzest, das der Herr dir gewähren will.