Achimaaz
Absalom war tot! Mit seinem Haupt an einer Terebinthe hangend, hatte er zwischen Himmel und Erde geschwebt, als ihm Joab – ungeachtet des Gebots des Königs – drei Speere ins Herz stiess (2. Sam 18). Das Volk Israel aufseiten des falschen Königs war geschlagen, jeder floh nach seinem Zelt.
Es galt, dem König David die Siegesbotschaft zu überbringen. Wer würde laufen? Da ist Achimaaz. Schon einmal hatte er – unter Gefahr seines Lebens – dem König wichtige Botschaft gebracht, als dieser vor seinem Sohn Absalom floh. – «Ich will doch hinlaufen und dem König Botschaft bringen, dass der HERR ihm Recht verschafft hat von der Hand seiner Feinde.» Sein Herz schlägt für David, er sucht die Ehre und Verherrlichung seines Herrn. Aus Liebe zu seinem Herrn, dem König, will er ihm die Nachricht von dem Tod Absaloms schonend beibringen.
Doch der Politiker Joab hält Achimaaz heute nicht für den richtigen Mann: der Kuschit soll laufen, da der Sohn des Königs tot ist. Achimaaz aber lässt sich nicht abweisen. Der Kuschit mag sich vor Joab niederbeugen (Vers 21), er aber will sich vor dem König auf sein Gesicht zur Erde niederbeugen und ihm seine Zuneigung zu Füssen legen (Vers 28). So fordert er mit grosser Energie und Entschiedenheit zweimal von Joab: «Was auch geschehen möge, ich will laufen.» – Und schliesslich sagt ihm dieser: «Laufe!» Und so läuft er, läuft schneller als der Kuschit und kommt ihm zuvor.
Laufen wir auch so wie Achimaaz? Woher bekam er diese Energie? Die Liebe zu David liess ihn so laufen. «Hinschauend auf Jesus …», das ist es, was wir nötig haben, Geliebte! In dem Mass, wie wir auf Jesus, den Anfänger und Vollender des Glaubens, schauen, in demselben Mass werden wir vor den mancherlei Bürden dieses Zeitlaufes und der leicht umstrickenden Sünde bewahrt bleiben und werden Kraft empfangen, den vor uns liegenden Wettlauf mit Ausharren zu laufen (Heb 12,1.2). Ja, es ist ein Wettlauf. Achimaaz wollte unbedingt als erster ankommen. Und du, du willst dich überholen lassen?
Achimaaz gleicht dem Apostel Paulus: Er lief nicht wie aufs Ungewisse (vgl. 1. Kor 9,26), er lief geradewegs auf sein Ziel zu – ohne Umwege. Wohin laufen wir eigentlich? – Ach, dass uns doch die gesegnete Person Jesu, unseres Herrn, mehr anzöge! Wie flink würde unser Lauf, wie gerade und glücklich unser Weg!
Der christliche Lauf gleicht einem langen Korridor, an dessen Ende es licht ist. Rechts und links hängen die herrlichen Bilder alter Glaubenshelden, eine Wolke von Zeugen umgibt uns. Aber vorn ist das Licht: «Hinschauend auf Jesus …» Je näher wir zu dem Licht kommen, desto heller wird es um uns her. Nicht, dass wir es schon ergriffen haben, nein – wir sind noch nicht bei Ihm. «Ich jage ihm aber nach …» – Ihm? Nun, dem Kampfpreis. – Dem Kampfpreis? Das ist Christus – Christus in der Herrlichkeit! «Wisst ihr nicht, dass die, die in der Rennbahn laufen, zwar alle laufen, aber einer den Preis empfängt? Lauft nun so, (d.h. auf eine solche Art und Weise) dass ihr ihn erlangt» (1. Korinther 9,24).
Maria Magdalene
Doch lassen wir noch das Licht einer anderen Szene in unsere Seele fallen: Der Herr Jesus war gestorben! Die Welt war nun völlig leer für Maria Magdalene, ohne Ihn völlig leer. Der, der die sieben Dämonen von ihr ausgetrieben und ihr Herz durch seine Liebe völlig glücklich gemacht hatte, dem sie, mit ihrer Habe dienend, gefolgt war – Er war nicht mehr! Sie hatte Ihn am Kreuz hängen sehen, hatte zusammen mit den übrigen Frauen von Galiläa zugeschaut, wie sie Ihn vom Kreuz abgenommen und in die Gruft gelegt hatten. Vor den anderen Frauen kommt sie in der Frühe des ersten Wochentages, als es noch finster war, allein zur Gruft und findet sie – leer! (Joh 20). Sollte ihr auch der gestorbene Heiland noch genommen werden?
Doch beachten wir, was Maria tut: sie beginnt zu laufen! Sie läuft zu Simon Petrus und dem anderen Jünger, sie läuft aus Liebe zu ihrem Herrn, sie läuft, «weil sie» – wie sie bald darauf zu dem «Gärtner» sagt – «meinen Herrn weggenommen, und ich nicht weiss, wo sie ihn hingelegt haben». Welch eine hingebende Liebe im Herzen dieser Frau! Wie muss doch das Herz des Herrn, der vielleicht schon ganz in der Nähe weilte, dadurch erquickt worden sein!
Petrus und Johannes
Die Nachricht der Maria bringt auch die beiden Jünger in Bewegung: sie laufen zusammen zur Gruft. Wieder ist es wie ein Wettlauf. Der eine läuft schneller als der andere. Gewiss, es ist Petrus – er wird der erste sein! Nein? – «Der andere Jünger lief voraus, schneller als Petrus, und kam als Erster zu der Gruft.» Armer Petrus! Es läuft sich nicht gut mit einem beschwerten Gewissen! –
Hast du’s wohl verstanden, mein Bruder, warum du nicht mehr so gut läufst? Der Umgang mit dem Herrn ist nicht mehr so innig wie früher? Du fühlst dich in diesem oder jenem verurteilt? «Und der Herr wandte sich um und blickte Petrus an … Und Petrus ging hinaus und weinte bitterlich» (Lk 22,61.62). Sieh, man läuft nicht gut, wenn man nicht glücklich ist! Ach, dass doch der Herr von uns nicht sagen muss: «Ihr lieft gut; wer hat euch aufgehalten?» (Gal 5,7). Wie traurig vollends, wenn wir zu denen gehören, die da «laufen, ein jeder für sein eigenes Haus», während doch sein Haus «wüst liegt»! (Hag 1,9). Ein jeder für sein eigenes Haus! Gibt es ein Wort, das treffender unsere Tage kennzeichnete? Und dabei sammelt man nur Lohn für einen durchlöcherten Beutel. In der Tat, es ist nicht der Mühe wert, dafür zu laufen.
Einer ist es, für den und zu dem zu laufen sich lohnt – Christus! Mögen wir das gleiche Begehren haben wie die Braut im Hohenlied: «Zieh mich: Wir werden dir nachlaufen» (Hld 1,4). Ja, dir nach! Paulus konnte am Ende seines hingebungsvollen Dienstes sagen: «Ich habe den guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet …» (2. Tim 4,7). Ob wir dies auch einmal werden sagen können?
Bald kommt der Herr Jesus, um uns zu sich zu nehmen. Was wird es sein, wenn wir mit Ihm zusammentreffen werden und Er uns ins Vaterhaus führen und uns die ewigen Segnungen des Vaterhauses geniessen lassen wird! «Er wird sich umgürten und sie sich zu Tisch legen lassen und wird hinzutreten und sie bedienen» (Lk 12,37). Anbetungswürdige Liebe! – Doch bedenke, dieses eine Wort wirst du nie mehr von seinen Lippen hören können, das Er dir heute noch zuruft: Laufe!