Geistlicher Müssiggang

Während das Volk von Sebulon, Naphtali, Issaschar und anderen Stämmen im Kampf gegen die Kanaaniter «ihre Seelen dem Tod preisgaben», gab es an den Bächen Rubens «grosse Beratungen des Herzens» (Richter 5,15.16). Die Nachricht vom ausgebrochenen Streit war zu ihnen gedrungen, und sie hatten eigentlich das Empfinden: wir sollten mitkämpfen. Hätten sie sich in Einfalt nach dem Willen Gottes erkundigt, wären sie unverzüglich aufgebrochen. Aber das Fleisch mischte sich in ihre Überlegungen, und da kam für die Sache Gottes nichts Gutes heraus. Die Beratungen nahmen nun kein Ende:

«Der Kampf findet ja beim Bach Kison, auf der anderen Seite des Jordans, an der Grenze zwischen Sebulon und Naphtali statt», werden sie gesagt haben. «Das ist eigentlich nicht unser Gebiet und unsere Sache. Zudem haben wir keinen direkten Marschbefehl erhalten (Ri 4,10), und drittens können wir doch unser vieles Vieh (4. Mo 32,1), unsere Arbeit, nicht einfach vernachlässigen.»

Und während sie beieinander sassen und berieten, flötete es so lieblich über das Tal hin … Ach nein, sie wollten dieses Leben hier, das sie liebten, nicht mit dem Kampffeld in der Ferne vertauschen, auf dem es so ganz um die Interessen des Herrn und seines Volkes ging. Und so blieben sie in ihrem eigenen Interessenkreis. –

Aber ihnen und allen andern unter dem Volk Gottes, die in geistlichem Müssiggang sich selbst leben, ergeht es nach dem ernsten Grundsatz, der in gewissem Sinn auch auf Gläubige Anwendung findet: «Wer irgend sein Leben erretten will, wird es verlieren» (Mt 16,25). Schon in diesem Leben «verlieren» sie den köstlichen Segen und die Ruhe der Seele (Mt 11,29), die allein in der Hingabe an den Herrn und unter seinem Joch gefunden werden. Und am Richterstuhl des Christus müssen sie einst erkennen: Es wird uns keine Belohnung zuteil; der Herr konnte sich durch unser Leben so wenig verherrlichen!

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Zur Zeit, «wenn die Könige ausziehen», zur Zeit, als Jakob und die Kinder Israel gegen Ammon kämpften, zu dieser Zeit lag David «auf seinem Lager». (2. Samuel 11), nicht etwa um Gottes zu gedenken und über Ihn zu sinnen, wie er, «der Liebliche in Gesängen Israels», es schon so oft getan hatte (Ps 63,7), sondern um sich dem Müssiggang hinzugeben.

Und als er dann «zur Abendzeit» endlich aufstand, da beging er, der treue Knecht und «Mann nach dem Herzen Gottes», eine grosse Schandtat in Israel!

Der HERR hatte ihm ringsum Ruhe geschafft vor allen seinen Feinden (2. Sam 7,1). Aber der schlimmste Feind, der auf der Erde umherstreift, um die Menschen zu Fall zu bringen und zu verschlingen, dieser Feind war noch da. David hatte nicht gewacht und Satan hatte vermocht, sein Herz vom Herrn und seinem Dienst abzulenken, wenn auch vielleicht nur für kurze Zeit. Und was war die Folge? Seine Tat brachte Unehre auf den Namen des HERRN, dem er so viele Jahre treu gedient, Bürgerkrieg und Not für das Volk, dem er bis dahin ein treuer Hirte war, und ihm selbst tiefe, selbstverschuldete Trübsal!

Ja, wir alle – selbst Kinder Gottes mit grosser Schriftkenntnis und reichen Erfahrungen eines Lebens mit dem Herrn – haben darüber zu wachen, dass unser Herz auf Ihn gerichtet bleibt. Nur so werden wir vor geistlichem Müssiggang und seinen schlimmen Folgen bewahrt.

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Der Apostel sagte von gewissen Schwestern, die in ihrem Haus zu wenig zu tun hatten: «Sie lernen müssig sein, indem sie in den Häusern umherlaufen; nicht allein aber müssig, sondern auch geschwätzig und vorwitzig, indem sie reden, was sich nicht geziemt» (1. Tim 5,13).

Was sollen sie denn tun, wenn ihre Arbeit den Tag nicht voll ausfüllt, wenn sie keine eigene Familie oder keine eigenen Kinder besitzen?

Auch sie dürfen «jedem guten Werk» nachgehen (Vers 10). Von der «tüchtigen Frau» in Sprüche 31 wird gesagt: «Sie sinnt auf ein Feld und erwirbt es» (Vers 16). Auf dem Erntefeld fehlt es nicht an Arbeit, sondern an Arbeitern.

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In unseren Tagen der Vollbeschäftigung in irdischen Dingen sind die Arbeitslosen zwar selten. Aber wir sind jetzt umso mehr in Gefahr, dem geistlichen Müssiggang zu frönen. Die irdische Beschäftigung nimmt uns so sehr in Anspruch, dass wir geneigt sind, uns vom Werk des Herrn fernzuhalten. Andere mögen Ihm dienen und ihr Leben für Ihn hingeben! Wir suchen «Entspannung» – vielleicht solche, wie die Welt sie uns bietet – und gehen einer zusätzlichen Belastung, die das Arbeiten im Werk des Herrn mit sich bringt, oft aus dem Weg. Entfernen wir uns aber von Ihm und seinem Dienst, so wird unsere Seele dürr und kraftlos. Wie leicht fallen wir dann in Selbstsucht, in Sünde, in eitles Geschwätz und vorwitzige Dinge!

Der Herr möge jedem von uns, der sich in geistlichen Müssiggang treiben liess, Gnade geben, sich aufzuraffen und aufs Neue sich Ihm zur Verfügung zu stellen! Der Dienst, und besonders die Bemühungen gegenüber den Verlorenen, die uns umgeben, bringen uns ständig die eigene Schwachheit in Erinnerung und veranlassen uns, unaufhörlich die Hilfsquellen der Gnade Gottes in Christus Jesus in Anspruch zu nehmen. Welchen Segen können wir da um uns her verbreiten und selber geniessen! Paulus ruft uns zu: «Meine geliebten Brüder, seid fest, unbeweglich, allezeit überströmend in dem Werk des Herrn, da ihr wisst, dass eure Mühe nicht vergeblich ist im Herrn» (1. Kor 15,58).