Geistliche Ruhe oder der stille Geist

Diogenes sagte: «Begrabt mich mit dem Gesicht nach unten.» Als ihn jemand nach dem Warum fragte, gab er zur Antwort: «Weil in kurzem die Welt auf dem Kopf stehen wird.» In gewissem Sinn hat sich diese menschliche Prophezeiung erfüllt. Wir leben in einer Welt, in der alles drunter und drüber geht, in einem Jahrhundert grosser Verwirrung. Obwohl grosse Führer in dieser Welt «Friede, Friede» sagen, planen sie plötzliches Verderben. Wir sehen Enttäuschung, Unsicherheit und Misstrauen auf allen Seiten.

Dieser unruhige Geist der Welt hat auch auf die Gläubigen übergegriffen. Viele sind in ernsten Seelennöten. Satan hat es geschickt angestellt, um sie mit Verwirrung, Problemen, Komplexen, Sorgen und Stress unter Druck zu setzen. Die grosse Mehrheit dieser belasteten Gläubigen ist sich dessen gar nicht bewusst. Doch der Heilige Geist wird dem aufrichtigen, suchenden Herzen in Treue begegnen.

Es ist an der Zeit, sich zu prüfen. Sind wir zu einer Bestandesaufnahme bereit? Paulus wies die Korinther an: «So prüft euch selbst, ob ihr im Glauben seid, untersucht euch selbst» (2. Kor 13,5).

Bist du erzürnt über die Übeltäter (sei es ein Sünder oder ein Gläubiger, der Böses tut)? Täusche dich nicht. Stelle dich ehrlich dem Test. Gottes Befehl lautet: «Erzürne dich nicht über die Übeltäter» (Ps 37,1).

Machst du dir Sorgen? Sei vorsichtig mit deiner Bewertung. Du kannst nicht die geringste Spur von Sorge vor dem Herrn verbergen. Seine Aufforderung an den Sorgenvollen lautet: «Seid um nichts besorgt» (Phil 4,6).

Wirst du in unachtsamen Augenblicken von Ungeduld übermannt? Dann wird die Wirkung des Heiligen Geistes ausgelöscht und der ruhelose Geist hat die Kontrolle über dich. Das Heilmittel in diesem Fall findet sich in Jakobus 1,3.4: «Da ihr wisst, dass die Bewährung eures Glaubens Ausharren bewirkt. Das Ausharren aber habe ein vollkommenes Werk, damit ihr vollkommen und vollendet seid und in nichts Mangel habt.»

Schiesst deine Zunge sarkastische Pfeile ab? Werden durch deinen Spott andere verletzt? Das ist ein Zeichen innerer Unordnung, wie in Matthäus 15,18 gesagt wird: «Was aber aus dem Mund ausgeht, kommt aus dem Herzen hervor, und das verunreinigt den Menschen.» Eine Zunge, die «von der Hölle angezündet wird», braucht einen neuen Steuermann. Wenn der Heilige Geist die Kontrolle über den «Leib» hat – welcher «der Tempel des Heiligen Geistes» ist –, werden die Gläubigen «aus dem guten Wandel ihre Werke in Sanftmut der Weisheit zeigen» (Jak 3,6.13).

Gibt es verborgene Ängste, denen du nicht offen und mutig entgegentreten willst? Solch ein Versteckspiel kann in der Seele nur wachsende Spannungen und Stürme bewirken. Das bietet dem Feind eine verwundbare Stelle, wo er angreifen kann. «Denn Gott hat uns nicht einen Geist der Furchtsamkeit gegeben», somit muss er vom Feind kommen. Weg mit aller Unruhe! Bringe sie zum Herrn über alle Ängste, denn «der HERR schafft dir Ruhe von deiner Mühsal und von deiner Unruhe» (Jes 14,3).

Nimmst du eine harte, rechthaberische, unbeugsame Haltung ein? Hast du vergessen, das grosse «Ich» als ans Kreuz genagelt zu betrachten? Hast du deinem tyrannischen Selbst erlaubt zu regieren und dein Leben und deine Tätigkeiten zu beherrschen? Wenn dem so ist, wird es nicht leicht sein, sich dieser Diagnose zu unterwerfen. Frage dich: «Bin ich friedsam, milde, folgsam (lenksam)» (Jak 3,17)? Ein solcher Geist kommt von Gott. Ein unsanfter Geist, dem man kaum nahetreten darf, ist sinnlich und kommt von der Welt.

Liebäugelst du heimlich mit der Welt? Ein weltlicher Geist oder ein Geist der Welt wird nie Freude oder Befriedigung hervorbringen. Er wird zu Unruhe und Enttäuschung führen. Es ist ein biblischer Grundsatz, dass «niemand zwei Herren dienen kann; denn entweder wird er den einen hassen und den anderen lieben, oder er wird einem anhangen und den anderen verachten» (Mt 6,24). Die klaren Anweisungen des Mannes Gottes lauten: «Liebt nicht die Welt noch was in der Welt ist» (1. Joh 2,15).

Wirst du ärgerlich, wenn du von anderen missverstanden wirst und wenn all deine ehrlichen Bemühungen, die Dinge klarzustellen, abgewiesen werden? Es gibt einen «Balsam von Gilead» für diese schmerzliche Lage. Du findest ihn in 1. Petrus 2,20: «Denn was für ein Ruhm ist es, wenn ihr ausharrt, indem ihr sündigt und geschlagen werdet? Wenn ihr aber ausharrt, indem ihr Gutes tut und leidet, das ist wohlgefällig bei Gott.»

Gibt es solche, die dir gegenüber barsch, unerbittlich und unversöhnlich sind, die all deine Bemühungen um Aussöhnung rundweg vereitelt haben? Wie reagierst du auf eine solche Behandlungsweise? Sagt dein Fleisch: «Räche dich, stelle sie bloss!»? Das würde heissen: Gleiches mit Gleichem vergelten. Gott bewahre dich davor. Der Gläubige mit dem stillen Geist wird nicht «Böses mit Bösem oder Scheltwort mit Scheltwort vergelten», sondern im Gegenteil segnen (1. Pet 3,9).

Diese Äusserungen sind nur einige Symptome des Geistes dieser Welt. Sei es nun eine schwerwiegende Sünde oder ein kleines Abweichen vom Willen Gottes, das Resultat ist das gleiche: ein unruhiger Geist. Wie steht es bei dir? In dieser kurzen Übersicht wurde nicht alles erwähnt, was zu diesem Thema gehört. Wir möchten der Wirkung des Heiligen Geistes in deinem Herzen keine Grenzen setzen. Für einen vollständigen Sieg braucht es absolute Ehrlichkeit und Herzenserforschung. Worin bist du schuldig? Schreibe auf, was irgend der Heilige Geist dir offenbar macht, und handle entsprechend seinen Anweisungen. «Du aber, o Mensch Gottes, fliehe diese Dinge; strebe aber nach Gerechtigkeit, Gottseligkeit, Glauben, Liebe, Ausharren, Sanftmut des Geistes» (1. Tim 6,11) «… euch zu beeifern, still zu sein» (1. Thes 4,11).

Vielleicht bist du in deinem Leben mit der Schwachheit des Fleisches konfrontiert worden. Selbstsucht hat sich unangenehm bemerkbar gemacht. Du hast dein Herz eingehend geprüft und dich ehrlich angestrengt, den «Frieden, der allen Verstand übersteigt», zu finden. Aber der Sturm wütet noch immer. Eine Antwort zu diesem Dilemma finden wir in Hannas Erfahrung: «Und so, wie er das Jahr für Jahr tat, so kränkte sie sie, sooft sie zum Haus des HERRN hinaufzog; und sie weinte und ass nicht» (1. Sam 1,7). Es fehlte Hanna in gewissem Sinn an geistlicher Ruhe und einem stillen Geist, als sie sich grämte, als sie weinte und nicht essen mochte. Aber die Lösung zu ihrem Problem findet sich in den Worten: «Und sie sprach: Möge deine Magd Gnade finden in deinen Augen! Und die Frau ging ihres Weges und ass, und ihr Angesicht war nicht mehr dasselbe» (1. Sam 1,18). Das Gebet brachte ihrem Geist die Ruhe, so dass «ihr Angesicht nicht mehr dasselbe war».

Es gibt noch einen anderen Vorgang, durch den der Heilige Geist die Gläubigen zu einem Zustand innerer Ruhe führt. Er wird oft als Gebet betrachtet, aber es ist kein Beten. Es ist still vertrauen, harren oder warten: «Nur auf Gott vertraut still meine Seele» (Ps 62,1). «Gütig ist der HERR gegen die, die auf ihn harren» (Klgl 3,25). «Ich warte auf den HERRN, meine Seele wartet; und auf sein Wort harre ich. Meine Seele harrt auf den Herrn, mehr als die Wächter auf den Morgen, die Wächter auf den Morgen» (Ps 130,5.6).

Wirkliches Vertrauen und Warten auf Gott ist nicht ein unbeteiligter, passiver Seelenzustand. «Es ist gut, dass man still warte auf die Rettung des HERRN» (Klgl 3,26). «Nur auf Gott vertraue still meine Seele, denn von ihm kommt meine Erwartung» (Ps 62,5). Hoffnung und Erwartung sind im Herzen des Gläubigen, der auf den Herrn vertraut. Der Psalmist sagt: «Ich warte auf den HERRN, meine Seele wartet.» Hier wird keine Tätigkeit beschrieben, es kommt nichts über die Lippen, der Körper ist nicht aktiv, sondern es ist ein Warten mit ganzer Seele vor Gott.

«Vertraue still dem HERRN und harre auf ihn!» (Ps 37,7). «In Stillsein und in Vertrauen würde eure Stärke sein» (Jes 30,15). «Das Werk der Gerechtigkeit wird Friede sein, und der Ertrag der Gerechtigkeit Ruhe und Sicherheit in Ewigkeit» (Jes 32,17). Beachte: Zuerst kommt Ruhe, und dann Sicherheit.

Diese Stille und Ruhe, die das Warten begleiten, sind das direkte Gegenteil von Eile.

  • «Aber Gott sollte in diesem Notfall jetzt handeln.» Warte, lieber Freund, auf den Herrn!
  • «Das Gericht Gottes sollte die Person treffen, die mir unrecht getan hat.» Nur ruhig! «Mein ist die Rache; ich will vergelten, spricht der Herr» (Röm 12,19)
  • «Warum offenbart mir Gott seinen Willen nicht sofort in allen Einzelheiten?» Du musst lernen, auf Ihn zu warten. Abraham zog aus, «ohne zu wissen, wohin er komme». Sind wir besser als dieser Freund Gottes?
  • «Warum, o Gott, hast du nicht eingegriffen und dieses Unglück verhindert?» Martha zeigte bis zu einem gewissen Grad diesen vorwurfsvollen Geist, als sie sanft, aber doch tadelnd zum Herrn sagte: «Herr, wenn du hier gewesen wärest, so wäre mein Bruder nicht gestorben» (Joh 11,21)

Denke daran! Gott kommt immer zur rechten Zeit, wie aufreibend uns die Umstände auch erscheinen mögen. «Wenn es sich verzögert, so harre darauf; denn kommen wird es, es wird nicht ausbleiben. Siehe, aufgeblasen, nicht aufrichtig ist in ihm seine Seele. Der Gerechte aber wird durch seinen Glauben leben» (Hab 2,3.4).

Stille Unterordnung gegenüber dem Herrn Jesus ist eine wirkungsvolle und wichtige Erfahrung für den Gläubigen. «Die auf den HERRN harren, gewinnen neue Kraft: sie heben die Schwingen empor wie die Adler; sie laufen und ermatten nicht, sie gehen und ermüden nicht» (Jes 40,31). Es ist wichtig, gegenüber der Welt klar Stellung zu nehmen, das Fleisch nicht zum Zug kommen zu lassen und dem Teufel zu widerstehen. Besondere Zeiten, die man für vermehrtes Gebet reserviert, können von Nutzen sein. Dies sollte unter Gottes Leitung geschehen. Aber lass dir die Erfahrung der Seele, die auf den Herrn wartet, nicht rauben. Satan wird sich gegen die Anstrengung eines jeden stellen, der nach einem stillen Geist trachtet. Der Feind ist tätig, wie in Psalm 35,20 beschrieben: «Nicht von Frieden reden sie; und gegen die Stillen im Land ersinnen sie trügerische Dinge.» Wir müssen unsere Herzen ermutigen, wie David es tat: «Was beugst du dich nieder, meine Seele, und was bist du unruhig in mir? Harre auf Gott!» (Ps 42,11).

Als die Jünger mit dem Herrn Jesus im Schiff über einen sturmbewegten See ruderten, ging es ihnen gut, bis der Sturm in ihr Herz eindrang. Darum müssen wir, die wir in einer unruhigen Welt leben, aufpassen, dass die unruhige Welt nicht in uns lebt. Der Geist der Welt jagt. Der Herr Jesus führt. Inmitten von Stürmen und aufgewühlten Wassern hilft uns seine Verheissung, dass Er uns «zu stillen Wassern» führen werde.