Gott ist uns Zuflucht und Stärke

Psalm 46

Die Söhne Korahs sprechen hier durch den Geist Erfahrungen aus, die der gläubige Überrest aus dem Volk Israel in der kommenden Zeit der Drangsal gemacht haben wird. Ihr Messias ist in Herrlichkeit erschienen (Psalm 45); sie haben gelernt, auf Ihn, auf Gott zu vertrauen und sehen daher getrost den Erschütterungen entgegen, die sie bis zur endgültigen Aufrichtung des Reiches noch zu erwarten haben.

Die Gläubigen der Jetztzeit leben in derselben unruhigen Welt, in der sich alles auf jene Tage der Drangsal ohnegleichen zubereitet, wo die Nationen toben und die Königreiche wanken (Vers 7). Zwar wird die Gesamtheit der wiedergeborenen Christen auf der Erde vor der Stunde der Versuchung, die über den ganzen Erdkreis kommt, in den Himmel entrückt (Off 3,10). Doch ist es nicht ausgeschlossen, dass auch wir noch in Ereignisse verwickelt werden, die Vorläufer jener Drangsalszeit sind. Denken wir nur an die Gläubigen, die in Ländern wohnen, die heute schon in antichristlichem Geist regiert werden und deshalb um ihres Glaubens willen durch grosse Prüfungen und Leiden gehen.

Aber, was uns hier auf der Erde auch immer beschieden sein mag – wir werden darin die Erfahrung des Überrestes machen: «Gott ist uns Zuflucht und Stärke, eine Hilfe, reichlich gefunden in Drangsalen.» Wie tröstlich ist dieser Gedanke, gerade auch im Blick auf unsere leidenden Brüder in der Welt!

Gott ist uns Zuflucht (Vers 2)

Beachten wir, es steht hier: «Zuflucht … in Drangsalen». Unser Herz mag wünschen, den Trübsalen auszuweichen und in ein Land zu fliehen, wo wir vor allen Leiden verschont blieben und in Ruhe dem Herrn entgegengehen könnten.

Aber nein, wenn Gott es für nötig findet, Trübsale auf unseren Weg zu legen, so ist es, damit wir uns der Trübsale «rühmen» lernen (Röm 5,3.4). Wie oft hört man Christen sagen: «Ich möchte diese schweren Erfahrungen in meinem Leben nicht missen. In diesen Zeiten habe ich nicht nur mein erbärmliches Ich besser kennen gelernt, sondern vor allem auch die Liebe und Treue Gottes und das Mitgefühl seines Vaterherzens.»

Die Trübsal lehrt uns, mit Vertrauen nach oben zu blicken. Sie zerbricht den eigenen Willen, schafft im Herzen «gebahnte Wege» zu Gott, läutert von allem Unechten und macht fähig, in Abhängigkeit von Gott auf Ihn zu harren. Sie löst das Herz vom Irdischen und lenkt das Auge auf die himmlischen Dinge, wodurch die Hoffnung im Herzen lebendiger und stärker wird. So erfüllt sich das Wort: «Wir wissen, dass die Trübsal Ausharren bewirkt, das Ausharren aber Erfahrung, die Erfahrung aber Hoffnung.»

Gott ist uns … Stärke (Vers 2)

Um in einem Leben der Schwierigkeiten, Kämpfe und Versuchungen guten Mutes zu bleiben, um zur Ehre Gottes und zum Segen anderer voranschreiten zu können, haben wir Stärke nötig. Wir bitten vielleicht, Gott möge uns stärken und vergleichen uns so mit einem Auto, das zur Tankstelle fährt, um «aufzutanken» und das diese Stelle verlässt, um weiterzufahren. Da müssen wir uns aber daran erinnern, dass es im geistlichen Leben nicht so ist. «Gott ist meines Lebens Stärke» (Ps 27,1); Er stellt sie mir nicht brockenweise zur Verfügung.

Das bedingt aber, dass meine Herzensverbindung mit Ihm keinerlei Unterbrechung erleidet, sonst «würde ich schwach werden und würde sein wie ein anderer Mensch» (Richter 16,7). Es ist ja nur zu wohl bekannt, wie leicht eine solche Unterbrechung zustande kommen kann, durch Abschweifung meiner Augen auf die Umstände, durch Eigenwille und Ungehorsam, durch irgendeine Verunreinigung der Gedanken und Wege, usw. Die Beispiele des Wortes, die diese Tatsache illustrieren, sind uns geläufig:

  • Mose, unter dem tiefen Eindruck des jahrelangen Murrens und Klagens des widerspenstigen Volkes, sank unter der Last zusammen und sagte zum HERRN: «Ich allein vermag dieses ganze Volk nicht zu tragen, denn es ist mir zu schwer» (4. Mo 11,14). War er wirklich allein?
  • Das Volk erlitt vor Ai eine demütigende Niederlage. Was war der Grund? Der HERR sagte zu Josua: «Ich werde nicht mehr mit euch sein, wenn ihr nicht den Bann aus eurer Mitte vertilgt» (Josua 7,12).
  • Weshalb der grosse Unterschied zwischen Elia auf dem Karmel und Elia unter dem Ginsterstrauch? Dort war der HERR der Heerscharen, vor dessen Angesicht er stand, seine Stärke (1. Kön 18,15), hier aber fühlte er sich allein vor Isebel, die nach seinem Leben trachtete (1. Kön 19,14).

Ja, Gott ist unsere Stärke. Und das Herz ist es, das von dieser Wahrheit erfüllt sein soll. Darum rief Nehemia dem Volk zu: «Die Freude an dem HERRN ist eure Stärke» (Neh 8,10). Wir sind so oft schwach, weil wir nicht die Herrlichkeit Gottes im Angesicht Christi betrachten und nicht Er allein vor unseren Blicken steht.

«Lasst ab und erkennt, dass ich Gott bin» (Vers 11)

Sobald inmitten der Unruhe dieser Welt die Umstände bedrückend und bedrohlich werden, zeigt sich bei uns Gläubigen die Neigung, uns durch menschliche Anstrengungen Erleichterung zu schaffen. Gewiss, der Herr mag uns in einem gegebenen Augenblick zeigen, dass es unsere Pflicht ist zu handeln. Wenn aber kein Auftrag da ist, so sollen wir uns still verhalten.

Gottes Wort ruft uns hier zu: «Lasst ab!» Lasst ab von menschlichen Anstrengungen; denn sie schliessen die Hilfe Gottes aus; man sucht durch sie einen Ausweg, der ein Beweis von Kleinglauben und Unruhe ist. Sie können nur alles verderben; denn solche Pläne des Menschen taugen zu nichts.

«Und erkennt, dass ich Gott bin.» Wir sollen uns in solchen Umständen in Geduld üben und der Neigung, uns selber zu helfen, widerstehen. Wenn wir Ihm ganz überlassen sind, so hat das zur Folge, dass uns die ganze Gewalt des Bösen ohnmächtig erscheint. Denn auch das grösste Ungemach kommt ja von der Kreatur, und was vermag diese gegen Gott auszurichten, wenn wir Ihn allein handeln lassen? Auf diese Weise werden wir erfahren, was Gott ist, und wie wunderbar Er sich zeigen wird.

«Wenn auch die Erde gewandelt würde …» (Vers 3)

Haben wir in den jetzigen Proben und Schwierigkeiten des Weges Gott als Zuflucht und Stärke erlebt und seine Hilfe reichlich erfahren, so werden auch wir mit dem Überrest sagen: «Darum werden wir uns nicht fürchten, wenn auch die Erde gewandelt würde …»

Menschen, die nur eine äusserliche Beziehung zu Gott haben, sehen mit banger Besorgnis und Furcht die dunklen Wolken am Horizont aufsteigen und sich zusammenballen. Sie ahnen, dass eine ernste Wandlung der Dinge auf der Erde bevorsteht, und sie möchten doch so gerne wie bisher auf der Erde wohnen und leben! – Die Gläubigen aber gehen mit Gott der Herrlichkeit entgegen und vertrauen Ihm, dass Er sie wunderbar und sicher zum himmlischen Ziel bringen wird, wie kurz oder wie lang der Weg bis dahin auch noch sein wird, und was für Ereignisse ihnen auch noch bevorstehen mögen.

Doch ermahnt uns der Apostel, Flehen, Gebete, Fürbitten und Danksagungen zu tun «für alle Menschen, für Könige und alle, die in Hoheit sind, damit wir ein ruhiges und stilles Leben führen mögen» – nicht in Selbstsucht, sondern um Ihm ungehindert dienen zu können – «in aller Gottseligkeit und würdigem Ernst. Denn», so fährt er weiter, «dies ist gut und angenehm vor unserem Heiland-Gott, der will, dass alle Menschen errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen» (1. Timotheus 2,1-4).

Der Strom von Wasser des Lebens …

Im Gegensatz zu den tobenden und schäumenden Wassern des Völkermeeres, die auf der Erde so viel Unheil anrichten (Vers 4), nennt der 5. Vers «einen Strom – seine Bäche erfreuen die Stadt Gottes, das Heiligtum der Wohnungen des Höchsten.» Dieser Strom des Segens floss schon durch das Paradies, wird einst im irdischen Jerusalem gefunden (Hesekiel 47), dann aber auch vom himmlischen Jerusalem ausfliessen (Off 22,1-3).

Aber heute schon ist jeder Dürstende herzugerufen, um bei Jesus aus dem Wasser des Heils zu trinken. Wer es tut, aus dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fliessen, zum Segen der Mitmenschen, durch den Heiligen Geist, der dem Glaubenden gegeben wird (Joh 7,37-39). Gott hat heute seinen Wohnort in der Versammlung oder Kirche, wo jetzt die erfrischenden Bäche dieses Stromes alle erfreuen, die in diesem Haus sind oder mit ihm in Verbindung kommen.

Wie sind doch diese Bäche aus dem Strom von Wasser des Lebens so vollauf genügend, um uns in allen Erfahrungen der Wüste zu erquicken!

Das Ende ist Frieden und Herrlichkeit

Nach all den Verheerungen, als Folge der Gerichte, die der Herr über die Erde bringen muss, (Vers 9), wird Er selbst die «Abrüstung», von der heute immer wieder und vergeblich geredet wird, herbeiführen. Er ist es, «der die Kriege beschwichtigt bis an das Ende der Erde, den Bogen zerbricht und den Speer zerschlägt, die Wagen mit Feuer verbrennt» (Vers 10).

Zum ersten Mal wird dann für diese Erde eine tausendjährige Friedenszeit anbrechen unter dem Zepter des Friedefürsten, aufgrund des Blutes des neuen Bundes mit Israel. Er, der einst die Schande des Kreuzes auf sich nahm und bis heute in der Welt der Verachtete geblieben ist, wird dann endlich vor aller Kreatur hoch erhoben und verherrlicht werden. Wir, die Gläubigen der Jetztzeit, werden Ihn als die Frau des Lammes begleiten, «wenn er kommt, um an jenem Tag verherrlicht zu werden in seinen Heiligen und bewundert zu werden in allen denen, die geglaubt haben» (2. Thes 1,10).

«Denn noch eine ganz kleine Zeit, und der Kommende wird kommen und nicht ausbleiben!» (Heb 10,37).