«Im Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde.» Mit diesen gewaltigen Worten beginnt der inspirierte Schreiber das erste Buch Mose. Auch wenn diese Aussage heute von vielen Menschen als längst überholt angesehen wird, gibt es für Kinder Gottes, die an die Wahrheit der Bibel glauben, keinen Zweifel daran, dass Gott alles durch das Wort seiner Macht ins Dasein gerufen hat. Zweifellos leidet die Schöpfung unter den Folgen der Sünde. Dennoch sehen wir in dem Gemachten immer noch eine grossartige Offenbarung der Macht und Weisheit unseres Gottes.
Doch nicht nur die uns umgebende Natur ist ein Beweis für die Existenz eines Schöpfers, der Mensch selbst ist aus der Hand Gottes hervorgegangen. Kein einziger ist das Produkt eines Zufalls, sondern von Gott gewollt. Auch hier hat die Sünde ohne jede Frage tiefe Spuren hinterlassen. Doch das ändert nichts an der Tatsache, dass kein Mensch auf dieser Erde lebt, den Gott nicht gewollt und geschaffen hat.
Durch den Propheten Jesaja lässt Er seinem Volk dazu folgendes sagen: «Und nun, so spricht der HERR, der dich geschaffen, Jakob, und der dich gebildet hat, Israel …» (Jes 43,1). Diese Worte wollen wir einmal praktisch auf uns anwenden. Zum einen fällt uns auf, dass Gott einerseits vom Schaffen und anderseits vom Bilden spricht, zum andern ist auch die zweifache Anrede – einmal Jakob und einmal Israel – sicher nicht ohne Bedeutung.
Gottes Schöpferallmacht
Gott erinnert Jakob daran, dass Er ihn geschaffen hat. Ein Blick zurück in die Schöpfungsgeschichte im ersten Buch Mose zeigt uns, dass auch dort gesagt wird, dass Gott Adam und Eva «geschaffen» hat (1. Mo 1,27). Gott ist der Schöpfer jedes Menschen. Das lässt uns an seine Schöpferallmacht denken. Gott wollte Menschen in seinem Bild und in seinem Gleichnis haben (1. Mo 1,26). Dabei beschränkt sich seine Schöpferallmacht nicht nur auf Adam und Eva. Paulus verkündigte den Athenern, dass Gott nicht allein die Welt geschaffen hat, sondern auch der Schöpfer jedes Menschen ist: «… da er selbst allen (Menschen) Leben und Odem und alles gibt. Und er hat aus einem Blut jede Nation der Menschen gemacht» (Apg 17,25.26). Jeder Mensch, der heute über die Erde geht, ist ein lebendiger Beweis der Schöpferallmacht unseres grossen Gottes.
Als Kinder Gottes dürfen wir einen Augenblick dabei stehen bleiben. Hast du schon einmal darüber nachgedacht, dass Gott dich genau so haben wollte, wie du bist? Natürlich dürfen und können wir Gott nicht für die Folgen der Sünde, die sich auch in unserem Leben zeigen, verantwortlich machen – das ist ein anderer Gedanke. Aber als Menschen sind wir von unserem Gott mit bestimmten Merkmalen und Fähigkeiten ausgestattet worden, die Er gerade so – und nicht anders – haben wollte. Er hat dich so gemacht, wie du aussiehst. Er hat dir bestimmte Gaben und Fähigkeiten gegeben, die nur du hast. Beim Überdenken dieser Tatsache kommen wir schnell zur Erkenntnis, dass Gott nur «Unikate» geschaffen hat. Jeder Mensch ist anders, keiner gleicht genau dem anderen. Das lässt uns die Schöpferallmacht Gottes noch mehr bewundern, aber es führt auch zu einer wichtigen Schlussfolgerung für unser Leben.
Diese lässt sich in folgende Frage kleiden: Sind wir – du und ich – zufrieden damit, wie Gott dich und mich geschaffen hat? Wir haben einerseits überhaupt keinen Grund, von oben herab auf andere zu sehen und uns zu überheben. Wenn Gott mir bestimmte Fähigkeiten gegeben hat, die ein anderer nicht hat, dann darf ich meinem Schöpfer dafür dankbar sein. Mehr noch, ich erkenne, dass damit auch Verantwortung verbunden ist, der ich nachkommen darf, aber auch nachkommen sollte. Wir haben zudem – und das ist die andere Seite – keinen Grund, neidisch auf die Gaben und Fähigkeiten des anderen zu sein. Wir dürfen und wollen mit dem zufrieden sein, was Gott uns gegeben und gleichzeitig dankbar anerkennen, was Er anderen geschenkt hat. Weder Hochmut und Stolz einerseits noch Minderwertigkeitskomplexe anderseits sind am Platz.
Das gilt im Übrigen nicht nur für Gaben und Fähigkeiten, sondern auch für äussere Merkmale, die uns kennzeichnen. Wie viel Zeit verschwenden manche Menschen heute darauf, ihr Äusseres zu verändern (um «besser» auszusehen). Auch hier dürfen wir uns so akzeptieren und annehmen, wie Gott uns gemacht hat, wobei wir natürlich auch für unseren Körper verantwortlich sind.
Gottes Schöpferweisheit
Die Erinnerung an Israel lautet, dass Gott Israel «gebildet» hatte. Warum wird nun einmal Jakob und einmal Israel angesprochen? Wir erinnern uns, dass Jakob der ursprüngliche Name des Patriarchen und Vorfahren des Volkes war, während Israel der Name war, den Gott ihm nach dem Kampf am Jabbok gegeben hatte (1. Mo 32,28). Aus dem Überlister und Fersenhalter (Jakob) war ein Kämpfer Gottes (Israel) geworden. Die Anrede «Jakob» musste also die Erinnerung an das Vergangene hervorrufen, während die Anrede «Israel» an das neue Leben erinnerte.
Als Erlöste kennen wir auch ein «Einst» und ein «Jetzt». Von Natur können wir uns alle mit «Jakob» identifizieren. Wir alle waren in diesem Sinn Überlister und Fersenhalter. Doch jetzt sind wir alle «Kämpfer Gottes» geworden, solche also, mit denen Gott etwas bewirken kann, die für Ihn ihren Mann (ihre Frau) in dieser Welt stellen dürfen. Dazu hat Gott uns gebildet.
Ein erneuter Blick in die Schöpfungsgeschichte zeigt, dass dort nicht nur vom Schaffen, sondern auch vom Bilden die Rede ist. «Und Gott der HERR bildete den Menschen, Staub vom Erdboden, und hauchte in seine Nase den Odem des Lebens» (1. Mo 2,7). Hier kommt besonders die Schöpferweisheit Gottes zum Ausdruck. Im ersten Kapitel ist vom Schaffen die Rede – und es wird uns noch nicht genau gesagt, wie Gott den Menschen geschaffen hat. Wenn aber vom Bilden gesprochen wird, wird uns genau mitgeteilt, wie Gott uns gebildet hat. Er tat es in unergründlicher und bewundernswerter Weisheit.
Wenn wir nun noch einmal den Gedanken aufnehmen, dass Israel daran erinnert wurde, von Gott gebildet worden zu sein, dann dürfen wir sicher folgende Anwendung auf uns machen: Gott hat uns als Menschen mit bestimmten Merkmalen geschaffen, aber Er möchte uns als seine Kinder auch bilden. Er hat einen bestimmten Plan mit unserem Leben. Er möchte die Wesensmerkmale seines Sohnes in uns sichtbar werden lassen. Das ist nur mit solchen möglich, die «dem neuen Menschen» angehören, die also wiedergeboren sind. Mit diesem Ziel bildet und formt Er uns. Wir denken an einen Bildhauer, der etwas ganz Bestimmtes vor Augen hat, das er aus dem Stein hauen (bilden) möchte. Das Bild, das Gott vor Augen hat, ist das Bild seines Sohnes. Gewiss, wir werden dem «Bild seines Sohnes» einmal gleichförmig sein (Röm 8,29), aber jetzt schon – solange wir noch auf dieser Erde leben – soll Christus in uns gesehen werden. Paulus wünschte sich von den Galatern, dass Christus in ihnen Gestalt gewinnen möge (Gal 4,19). Das ist ein Prozess, der unser ganzes Leben lang andauert, bis wir bei Ihm sein werden. In diesem Sinn angewandt, ist das Bilden also eine fortdauernde Tätigkeit Gottes, die Er durch seinen Geist ausübt, solange wir auf dieser Erde sind.
Auch dieser Gedanke führt uns zu einer praktischen Schlussfolgerung, die wir abschliessend in der Frage formulieren wollen: Geben wir dem Geist Gottes die Gelegenheit, uns zu bilden und zu formen, oder widersetzen wir uns seiner Tätigkeit? Beides ist möglich. Gott hat ein Ziel mit uns. An Ihm liegt es nicht, wenn dieses Ziel nicht erreicht wird. Wird es aber erreicht, dann wird zur Freude Gottes, des Vaters, unser Herr in unserem Leben verherrlicht.