Die Wüstenwanderung (6)

4. Mose 13; 4. Mose 14; 4. Mose 16

4. Unglaube

(4. Mose 13,1-4.27-34; 14,1-11.22-25.36-38)

Israel ist an der Grenze Kanaans angekommen. Der HERR hat ihnen ein Land verheissen, das von Milch und Honig fliesst. «Siehe», sagt Mose, «der HERR, dein Gott, hat das Land vor dich gestellt; zieh hinauf, nimm in Besitz, so wie der HERR, der Gott deiner Väter, zu dir geredet hat; fürchte dich nicht und verzage nicht!» (5. Mo 1,21).

Aber das Volk hört es nicht mit diesem Ohr. Es wünscht, dass Männer gesandt würden, um das Land «für uns» zu erkunden, «ob es gut oder schlecht ist», und ob das Volk, das darin wohnt, «stark oder schwach» ist.

Warum an der göttlichen Verheissung zweifeln? Konnte Gott den Seinen ein schlechtes Land geben? Hatte Er nicht die Macht, die starken Feinde zu schlagen, so gut wie die schwachen? Der Mangel an Glauben an die göttliche Verheissung führt das Volk dazu, die Aussendung von Kundschaftern zu wünschen. Gott gibt Ihnen, was sie begehrt haben (4. Mo 13,2).

Der Bericht der Spione bestätigt das, was der HERR gesagt hatte: Das Land fliesst wirklich von Milch und Honig. Sie zeigen seine herrliche Frucht. «Nur», fügen sie hinzu, «dass das Volk stark ist, das in dem Land wohnt … Wir vermögen nicht gegen das Volk hinaufzuziehen» (4. Mo 13,28.31). Der Zweifel macht dem Unglauben Platz. Es fehlte an Glaube an die Verheissung Gottes; jetzt fehlt es an Glaube zur Eroberung. Der Unglaube wird zu Empörung führen (14,4), sogar zum Willen, die zu steinigen, die mit Glauben darauf beharren, dass der HERR wohl die Macht hat, sie in das Land zu bringen (14,8).

Hebräer 3,19 legt den Finger auf den wunden Punkt: «Wir sehen, dass sie nicht eingehen konnten wegen des Unglaubens. Fürchten wir uns nun, dass nicht etwa … jemand von euch scheine zurückgeblieben zu sein … das Wort der Verkündigung nützte jenen nicht, weil es bei denen, die es hörten, nicht mit dem Glauben verbunden war».

So kann es leider in entscheidenden Augenblicken des Lebens sein. Wenn der Glaube nicht in Tätigkeit ist, wenn das Vertrauen in Gott nicht Wirklichkeit ist, wird man einen Weg wählen, der uns von Ihm wegführt. Tatsächlich hatte das Volk den HERRN verachtet (14,11), das Land «verschmäht» (Vers 31). Was machte die Höhe der Mauern aus, wenn sie beim Schall einer Posaune einstürzen würden! Im entscheidenden Moment hat man nicht mit Gott gerechnet, man hat das Hindernis gefürchtet, man hat die Schwierigkeit nicht überwunden, man hat dem Feind nachgegeben. Und das arm gewordene Leben wird unter den Folgen des Unglaubens verlaufen bis dass wir durch die Gnade zu Ihm zurückkehren, und Er, wenn die Zucht ihre Frucht gebracht hat, eine Wiederherstellung bewirkt.

a) Der Einfluss der Wenigen

Zehn Kundschafter haben genügt, um das Herz des Volkes zum Schmelzen zu bringen. Die ganze Versammlung beginnt zu schreien, die ganze Nacht zu weinen, gegen Mose und Aaron zu murren, und schlägt schliesslich vor, einen Anführer über sich zu setzen und nach Ägypten zurückzukehren. Wenn diese zehn Männer einen Bericht des Glaubens und des Vertrauens in Gott erstattet hätten, würde sich das Volk nicht ganz anders verhalten haben?

Zwei Männer, die ihren Gott kannten, Kaleb, dann auch Josua, beharren darauf: «Lasst uns nur hinaufziehen … Wenn der HERR Gefallen an uns hat, so wird er uns in dieses Land bringen und es uns geben». Für den Augenblick ernteten sie nichts als die Drohung der Steinigung. Viele Jahre später wird Josua der Anführer des Volkes bei der Einnahme des Landes sein, und Kaleb wird sein Erbteil, das Gott ihm verleiht, selbst in Besitz nehmen können (Jos 14).

In einer Versammlung, in einer Gegend, kann der Einfluss von zwei oder drei Männern des Glaubens entscheidend zum Segen sein, wie es zuweilen wenige braucht, damit ein verderblicher Einfluss zu vielen Trümmern führt. Es ist leichter «ein böses Gerücht über das Land zu verbreiten», die lebendigen Gläubigen zu entmutigen, von Schwierigkeiten, von Verzicht, von Opposition zu reden, als von göttlicher Hilfe und von Freuden. Der Unglaube einiger weniger steckt die anderen an.

In Kaleb war «ein anderer Geist». Er würdigte die Gabe Gottes, er spornte seine Brüder an, Besitz davon zu ergreifen. Wollen wir nicht durch unser Leben, durch unsere ganze Haltung zeigen, welchen Wert das himmlische Erbe, das einzig Bestand hat, für uns besitzt?

b) Die Regierung Gottes

Nach den Klagen des Volkes wütet das Feuer im Lager. Nach der Lüsternheit breitet sich das Verderben aus und führt zu Gräbern. Mirjam wird aussätzig. Die zehn Männer, die das ganze Volk veranlasst haben zu murren, indem sie das Land in Verruf brachten, sterben durch eine Plage vor dem HERRN (14,37); und alles Volk, das geklagt und sich aufgelehnt hat, wird in der Wüste aufgerieben werden: «In dieser Wüste sollen eure Leichname fallen, ja, alle eure Gemusterten nach eurer ganzen Zahl, von zwanzig Jahren und darüber, die ihr gegen mich gemurrt habt.» Während vierzig Jahren werden sie in diesen öden Wüsteneien umherirren. Die Gräber der Männer des Auszuges werden eines nach dem anderen die Wegstrecken markieren.

Wiederholen wir es: «Irrt euch nicht, Gott lässt sich nicht spotten! Denn was irgend ein Mensch sät, das wird er auch ernten» (Gal 6,7).

Das Volk will sich den Folgen seines Fehlers entziehen. Leichtfertig sagen sie: «Hier sind wir und wollen zu dem Ort hinaufziehen, von dem der HERR geredet hat; denn wir haben gesündigt» (14,40). Mose versucht sie davon abzubringen, indem er ihnen sagt, dass sie dadurch den Befehl des HERRN übertreten, dass sie sich fügen sollten und die Folgen ihrer Fehltritte demütig annehmen müssten. Sie wollen nichts davon hören und vermessen sich hinaufzusteigen … «Da kamen die Amalekiter und die Kanaaniter … und zersprengten sie bis Horma» (Vers 45).

Es ist schwer, sich unter die göttliche Zucht zu beugen; aber ist dies nicht der wahre Beweis einer echten Demütigung?

c) Die Belehrung von Kades

Hat diese entscheidende Wegstrecke der Wüstenreise nicht eine tiefe Belehrung für uns Gläubige? Das Passah und der Durchzug durch das Rote Meer entsprechen der Sühnung unserer Sünden und der Befreiung aus der Macht Satans durch die Erlösung. Die Bekehrung befreit uns durch den Glauben an den Herrn Jesus aus der Macht des Feindes und der Welt und führt uns in die Wüste auf den Weg Gottes. Die Seele macht hier die Erfahrung seiner Fürsorge, seiner Güte und seiner Macht. Aber sie lernt auch sich selbst kennen. Dennoch soll sich das christliche Leben nicht immerfort in Höhen und Tiefen, in Niederlagen und nachfolgender Reue abspielen. Es verläuft auch in Kanaan, auf der anderen Seite des Jordans (unser Gestorbensein mit Christus), auf dem Boden der Auferstehung mit Ihm, im Bewusstsein unserer vollen Annahme in Ihm vor Gott und der wunderbaren, für den Glauben wirklichen Tatsache, dass Er in uns ist (Joh 14,20; Gal 2,20). Das ist die Erfahrung von Römer 6 bis 8; sie führt uns dazu, dass wir «im Geist wandeln», «von der Sünde frei gemacht und Gottes Sklaven geworden», «getötet worden, um eines anderen zu werden, des aus den Toten Auferweckten, damit wir Gott Frucht brächten.» Dieses Leben des Glaubens verlangt Selbstverleugnung. «Stellt euch selbst Gott dar als Lebende aus den Toten» (Röm 6,13). Es verlangt, dass wir das ganze Sein den Händen des Herrn zur Verfügung stellen. Davor weicht man oft zurück, man fürchtet die Opfer und … wendet sich zurück in die Wüste, indem man dem «Land» den Rücken zukehrt und die Segnung verliert, die für uns erreichbar war. Werden wir Reben sein, die viel Frucht bringen oder solche, die nur wenig Frucht tragen? Es richtet sich danach, wie wir das, was das «Bleiben in ihm» in sich schliesst, praktisch verwirklichen werden oder nicht (Joh 15).

5. Hochmut und Empörung

(4. Mose 16,1-15.27-35)

Überheblichkeit ist die Sünde des Teufels und der Grund seines Strafurteils (1. Tim 3,6). «Du sprachst in deinem Herzen: ‹Zum Himmel will ich hinaufsteigen, hoch über die Sterne Gottes meinen Thron erheben … Ich will hinauffahren auf Wolkenhöhen, mich gleichmachen dem Höchsten›» (Jes 14,13.14). Der Feind wusste sehr gut im Voraus, dass er mit dem Hochmut, den er in das Herz Korahs einflösste, Verwüstung unter das Volk säen würde.

Korah, ein Levit, ein Kehatiter, «unternahm es», gegen Mose aufzustehen (4. Mo 16,1); nicht zufrieden damit, ein Levit zu sein und den Dienst der Wohnung zu verrichten, trachtete er auch nach dem Priestertum (Vers 10). In unserem Kapitel stellt Aaron Christus als Priester vor; eine solche Funktion zu wünschen, entsprach im Vorbild dem Begehren, den Platz Christi einzunehmen.

Im Christentum sind alle Gläubigen Priester, aber ein einziger ist unser Hoherpriester, Mittler zwischen Menschen und Gott, der Mensch Christus Jesus. Kein Gläubiger darf sich über seine Brüder erheben und sich anmassen, Vermittler zwischen dem Volk Gottes und Gott selbst zu sein. Die Schwere der Verfehlung Korahs kann an der Härte der Strafe ermessen werden, die darauf folgte.

Er zieht 250 Männer, Fürsten, Männer von Namen, mit sich fort. Mose gibt sich alle Mühe, um ihm seinen Irrtum zu zeigen. Er spricht mit denen, die sich gegen ihn und gegen Aaron versammeln, er redet persönlich mit Korah (Vers 8), aber alles nützt nichts. Mose bekommt die Gnade, die Dinge in die Hände Gottes zu legen und Ihn durch die Probe mit dem Räucherwerk (Vers 7) entscheiden zu lassen, wer der Mann ist, den Er auserwählt hat.

Gleichzeitig mit der Empörung Korahs, einer religiösen Empörung, findet ein «ziviler» Aufstand vonseiten Dathans, Abirams und Ons, den Rubenitern, statt, die sich gegen die Autorität Moses erheben: «Du wirfst dich zum Herrscher über uns auf.» Mose ist hier ein Vorbild von Christus, nicht als Priester, sondern als Herr. Noch hochmütiger als Korah, verweigern Dathan und Abiram sogar jede Unterredung mit Mose (Vers 12). Sie beschuldigen ihn des misslungenen Eintritts in Kanaan (Vers 14) und, indem sie jeden Gehorsam verweigern, kommen sie soweit, dem Volk die Stirn zu bieten: mit ihren Kindern und ihren Frauen stellen sie sich an den Eingang ihrer Zelte (Vers 27).

Es gab keine andere Abhilfe mehr als die Züchtigung Gottes. Wie schrecklich war sie!

Korah hatte die ganze Gemeinde gegen Mose und Aaron an den Eingang des Zeltes der Zusammenkunft versammelt. In diesem entscheidenden Augenblick erscheint die Herrlichkeit des HERRN. Er fordert Mose und Aaron auf, sich von der ganzen Gemeinde abzusondern, die Er im Begriff steht zu vernichten. Die zwei Brüder treten mit Einsicht für das Volk ein: «Der eine Mann sündigt, und du solltest über die ganze Gemeinde zürnen?» Das ist ein feierlich ernster Grundsatz, denn wenn die Gemeinde die Empörung Korahs deckte, würde sie gesamthaft in das Gericht hineingezogen. Auf das Wort des HERRN: «Erhebt euch ringsum weg von der Wohnung Korahs, Dathans und Abirams», gehorchen die Israeliten. Mose, indem er einen letzten Versuch unternimmt, steht auf und geht zu diesen aufrührerischen Männern. Während das Volk einen grossen Kreis um deren Wohnungen macht, öffnet die Erde plötzlich ihren Mund und verschlingt sie mit allem was ihnen angehört. Und aus dem Heiligtum «ging Feuer von dem HERRN aus und frass die 250 Männer, die das Räucherwerk dargebracht hatten».

Anstatt die Unterweisung einer solchen Züchtigung anzunehmen, lehnt sich Israel schon am nächsten Tag von neuem auf. Es murrt gegen Mose und Aaron und beschuldigt sie, das Volk des HERRN getötet zu haben (Vers 41). Das führt zu einer Plage. Nur das Eingreifen Aarons, als Priester mit dem Räucherwerk zwischen den Toten und den Lebenden stehend, ein herrliches Vorbild von Christus, bringt die Plage zum Stillstand und verschont den Überrest der Aufrührer. Noch einmal glänzt die Gnade, nicht ohne dass die Heiligkeit Gottes ihre Ansprüche gefordert hätte.

«Stolz geht dem Sturz, und Hochmut dem Fall voraus» (Spr 16,18).

Dennoch leuchtet ein Strahl der Gnade inmitten dieser schrecklichen Szene: «Aber die Söhne Korahs starben nicht» (4. Mo 26,11). Warum wurden sie verschont? Wir wissen es nicht und wir können nur die Worte Abrahams wiederholen: «Sollte der Richter der ganzen Erde nicht Recht üben?» Später werden die Söhne Korahs Psalmen dichten dürfen, die durch die Zeitalter hindurch zum Trost und zur Erbauung der Gläubigen bleiben und zur Ehre dessen, von dem sie sagen können: «Du bist schöner als die Menschensöhne, Holdseligkeit ist ausgegossen über deine Lippen; darum hat Gott dich gesegnet in Ewigkeit» (Ps 45,3). Als Gegenstände einer besonderen Gnade haben sie den kennengelernt, der die einzige Quelle davon ist.