Einleitung
«Daher, wer zu stehen meint, sehe zu, dass er nicht falle» (1. Kor 10,12).
«Gott aber ist treu» (1. Kor 10,13).
Das 4. Buch Mose ist das Buch der Wüste.
Im 2. Buch Mose erlöst Gott sein Volk aus der Sklaverei Ägyptens und der Macht Pharaos. Das Blut des Passahlammes bringt es in Sicherheit vor dem göttlichen Gericht, und das Rote Meer trennt es für immer von Ägypten, für uns ein Bild der Welt. In der Wüste wird Israel die Erfahrung der Fürsorge seines Gottes machen, der es übernimmt, das Volk zu ernähren, seinen Durst zu stillen und es zu beschützen. Wie auf Adlersflügeln wird Er es zu sich führen. Alle Anweisungen zum Bau der Stiftshütte sind gegeben, damit der HERR in ihrer Mitte wohnen kann.
Im 3. Buch Mose redet Gott zu Mose «aus dem Zelt der Zusammenkunft», d.h. aus dem Heiligtum, und gibt ihm alle Anweisungen, die sich darauf beziehen, im Besonderen die Einsetzung der verschiedenen Opfer, die mannigfaltige Vorbilder des Werkes Christi sind. Das 16. Kapitel dieses Buches, das zentrale Kapitel der fünf Bücher Mose, zeigt, wie Gott inmitten seines Volkes wohnen konnte, auf der Grundlage des Opfers Christi, dargestellt durch die Opfer des grossen Versöhnungstages.
Im 4. Buch Mose wendet sich der HERR an Mose «in der Wüste» (4. Mo 1,1). Das Volk stand im Begriff, den Sinai zu verlassen und die Wanderung durch «diese ganze grosse und schreckliche Wüste» (5. Mo 1,19), wo es auf die Probe gestellt werden würde, fortzusetzen. Tatsächlich liegt in unserem Buch die Betonung auf der Verantwortlichkeit des Volkes, das auf dem Weg ins verheissene Land ist. Elf Tagereisen hätten genügt, um das Ziel zu erreichen (5. Mo 1,2). Gott hat für alles vorgesorgt. Wie wird sich das Volk verhalten?
Halten wir von Anfang an fest, dass das christliche Leben gleichzeitig «in der Wüste» und «im Land» verlaufen kann. 5. Mose 8 hilft uns, diesen Unterschied zu erfassen. Die Verse 2-6 und 14-16 unterstreichen den Charakter der Wüste. Dieser lange Weg in einer feindlichen und dürren Umgebung hat Demütigung und Erprobung zum Zweck, «um zu erkennen, was in deinem Herzen ist». Da empfindet man Hunger und Durst. Aber Gott trägt Sorge dafür, indem Er das Manna gibt – für uns Christus, das lebendige Brot aus dem Himmel – und Wasser aus dem Felsen, eine unerschöpfliche, erquickende Quelle, die gleichzeitig von Christus, vom Heiligen Geist und vom Wort spricht. In der Wüste macht man auch die Erfahrung der göttlichen Vorsehung: «Deine Kleidung ist nicht an dir zerfallen, und dein Fuss ist nicht geschwollen»; aber auch von der Züchtigung des Vaters (5. Mo 8,5), gemäss Hebräer 12. Diese Erprobung hat nicht nur zum Zweck, aufzudecken was im Herzen ist, um Selbstgericht und das Bewusstsein der Gnade herbeizuführen, sondern vor allem, «damit er dir Gutes tue an deinem Ende» (Vers 16).
Im Gegensatz dazu unterstreichen die Verse 7-10 was «das Land» ist: ein Ort des Segens, wo Wasser im Überfluss vorhanden ist, in Form von Wasserbächen, Quellen und Gewässern; wo es an Nahrung aller Art nicht mangelt: Weizen, Gerste, Weinstöcke, Feigenbäume, Granatbäume, Öl, Honig; wo alle Hilfsquellen zum Bauen und Kämpfen da sind: Eisen und Kupfer; wo man schliesslich gesättigt ist und anbetet. Das ist das Auferstehungsleben mit Christus, wie es uns der Kolosser- und der Epheserbrief vorstellen: «Wenn ihr nun mit dem Christus auferweckt worden seid, so sucht, was droben ist … Sinnt auf das was droben ist» (Kol 3,1.2). Es ist auch ein Ort des Kampfes. Man ist noch nicht im Himmel, die geistlichen Feinde sind noch da: «Unser Kampf ist … gegen die Weltbeherrscher dieser Finsternis, gegen die geistlichen Mächte der Bosheit in den himmlischen Örtern» (Eph 6,12). Darum müssen wir, selbst im Land, die ganze Waffenrüstung Gottes anziehen. Der Sieg in diesem Kampf ist uns sicher durch den Glauben. Das Buch Josua entfaltet uns das Vorbild dafür.
Um aus der Wüste in das Land zu gelangen, musste der Jordan überquert werden. Im Jordan ruhten zwölf aufgerichtete Steine, ein Bild unserer alten Natur, unseres Gestorbenseins mit Christus. Dem Jordan wurden zwölf Steine entnommen und in Gilgal aufgerichtet, ein Bild unserer Auferweckung mit Christus, um dieses Leben «in Überfluss» (Joh 10,10) zu leben. Er wünscht, dass die Seinen es geniessen.
Es ist, wie der Apostel sagt: «Alle diese Dinge aber widerfuhren jenen als Vorbilder und sind geschrieben worden zu unserer Ermahnung, auf die das Ende der Zeitalter gekommen ist» (1. Kor 10,11). Diese Berichte des Alten Testaments sind nicht nur an sich interessant, vom geschichtlichen Gesichtspunkt aus, sondern haben auch eine bestimmte geistliche Bedeutung, die wir uns nicht genug zu Herzen nehmen können. Tatsächlich zieht der Apostel zwei Schlussfolgerungen daraus: «Daher, wer zu stehen meint, sehe zu, dass er nicht falle.» Das ist auch die Seite der Verantwortlichkeit. Aber er sagt auch: «Gott aber ist treu, der nicht zulassen wird, dass ihr über euer Vermögen versucht werdet, sondern mit der Versuchung auch den Ausgang schaffen wird» (1. Kor 10,12.13). Einerseits finden wir also, dass, wer zu stehen meint, wachsam sein soll, damit er nicht falle. Das ist eine Warnung an unser Gewissen. Anderseits ist Gott treu, ein Trost für unsere Herzen und die Grundlage unseres Glaubens auf dem Wandel durch die Wüste.
In diesem Abriss über das 4. Buch Mose werden wir die Anweisungen bezüglich der Leviten nicht betrachten, noch das, was sich besonders auf Mose bezieht. Diese Gegenstände waren Inhalt früherer Betrachtungen.1
Die Ausführungen zu diesem Thema sind in drei Hauptabschnitte aufgeteilt:
Zur weiteren Vertiefung des vorliegenden Gegenstandes empfehlen wir:
- 4. Buch Mose aus «Betrachtungen über das Wort Gottes» (Synopsis) von J.N. Darby
- 4. Buch Mose aus «Die fünf Bücher Mose» von C.H. Mackintosh
- «Mose und die Wüstenwanderung des Volkes Gottes» von Georges André
- Was das 19. Kapitel betrifft, verweisen wir auf den Artikel «Das Opfer der roten jungen Kuh», Halte fest, 1960, S.65-76.
- 1«Der Dienst der Leviten», Halte fest, 1961, Seite 23
«Mose, der Mann Gottes», Halte fest, 1964, Seite 23