9. Der Aufbruch
a) Die Wolke
Die Wolke war das sichtbare Kennzeichen der Gegenwart Gottes in der Mitte seines Volkes. Sie schützte es (Vers 15; 2. Mo 14,20); führte es (Vers 17; 2. Mo 13,21); erfüllte das Heiligtum (2. Mo 40,34); die Herrlichkeit des HERRN hat sich da bei sieben verschiedenen Gelegenheiten offenbart.
Welch eine Sicherheit für Israel zu wissen, dass Gott mit ihnen ging, mit ihnen lagerte, mit ihnen kämpfte. Aufzubrechen oder zu lagern ohne die Wolke, verursachte den Verlust der göttlichen Gegenwart. Sie wurden nicht nur durch ein rotes und ein grünes Licht gelenkt wie auf unseren Strassen, sondern durch die Gegenwart dessen, den sie kannten und liebten. Es war nicht nötig, sich für den folgenden Tag Sorgen zu machen, noch über die Länge und die Gefahren der Wegstrecke. Es galt, auch auf das Signal der Wolke zu warten, wenn sie sich noch nicht erhoben hatte. Welch eine Freude, wenn man am Ende eines Weges oder einer Wegstrecke zurückblickend sagen kann: «So leitete ihn der HERR allein» (5. Mo 32,12).
In Jesaja 52,12 lesen wir: «Denn nicht in Hast sollt ihr ausziehen und nicht in Flucht weggehen; denn der HERR zieht vor euch her, und eure Nachhut ist der Gott Israels». Keine unnötige Hast für die, die auf Ihn warten!
Das schloss eine beständige Abhängigkeit mit ein, an der das Fleisch sehr wenig Geschmack findet; man musste beständig nach oben blicken. Jona, der vollkommene Klarheit über den Weg hatte, den Gott ihn führen wollte, floh vor seinem Angesicht weg und erntete dafür nichts als Unglück. In 4. Mose 14,40 will das Volk ohne den HERRN hinaufziehen und erfährt eine Niederlage. In 5. Mose 25,17 sind mehrere ermüdet, schleppen sich hintennach und werden eine Beute des Feindes.
Dennoch bleibt die Gnade. Nehemia 9,18.19 erinnert daran: «Sogar als sie sich ein gegossenes Kalb machten … verliessest du in deinen grossen Erbarmungen sie doch nicht in der Wüste. Die Wolkensäule wich nicht von ihnen.» «Gott ist treu!»
Es ist interessant, die verschiedenen Stellungen zu beobachten, die die Wolke einnimmt. Gewöhnlich bedeckte sie die Wohnung (4. Mo 9,15; ebenso 4. Mo 16,42). Ein einziges Mal sehen wir sie auf dem Sühndeckel (3. Mo 16,2), an dem Ort, wo Aaron einmal im Jahr und Mose so oft er es wünschte, dem HERRN von Angesicht zu Angesicht begegnete. Zu drei wiederholten Malen finden wir sie am Eingang des Zeltes der Zusammenkunft:
- Zur Zeit des goldenen Kalbes (2. Mo 33,9), als ob der HERR sich aufmachte, um wegzugehen und das Volk zu verlassen; die Fürbitte Moses hielt Ihn in ihrer Mitte zurück.
- In 4. Mose 12,5 kommt der HERR als Richter an den Eingang des Zeltes, um Mirjam zu strafen und geht sogar so weit, dass Er sich zurückzieht. Die Fürbitte Moses stellt die Wiederherstellung seiner Schwester sicher.
- In 5. Mose 31,15 lesen wir vom letzten Mal, dass Mose in das Zelt hineingeht. «Siehe, du wirst dich zu deinen Vätern legen», sagt die bekannte Stimme; und am gleichen Tag fügt der HERR hinzu: «Steige auf den Berg Nebo» (4 Mo 32,49).
Es scheint, dass die Wolkensäule an den Eingang des Zeltes kommt, wie um Mose auf seiner letzten Reise zu begleiten. Inspiriert durch den Geist Gottes, verfasst er das Lied, das als Zeugnis in den Ohren Israels durch die Jahrhunderte widerhallen wird. Dann besteigt er allein das Gebirge, und da nähert sich der treue Freund, der mit ihm gewesen ist, seit den Tagen des brennenden Dornbusches, um ihn ein letztes Mal hier auf der Erde seine Gnade und seine Gemeinschaft spüren zu lassen.
b) Die Trompeten
Die silbernen Trompeten, von den Priestern geblasen, leiteten unmittelbar die Bewegungen des Volkes:
- das Versammeln (Verse 3 und 4)
- den Aufbruch (Verse 5 und 6)
- den Kampf (Vers 9)
- in den Tagen der Freude und der Anbetung (Vers 10)
Sind sie nicht ein Bild des Wortes Gottes, so wie es durch den Dienst den Seinen vorgestellt wird, damit sie wissen, wie sie sich zu verhalten haben, ganz besonders auf ihrem gemeinschaftlichen Weg durch die Wüste: Versammeln, Anbetung, Wandel oder Kampf?
c) Die Marschordnung – Hobab – Die Bundeslade
Im zweiten Jahr, im zweiten Monat, am zwanzigsten des Monats, da erhob sich die Wolke. Zum ersten Mal brachen die Kinder Israels nach dem Befehl des HERRN durch Mose auf. Das ganze Lager setzte sich in Bewegung und schritt unter der Leitung der Wolke voran.
Es ist auf den ersten Blick nicht leicht, den wahren Beweggrund zu erkennen, der Mose in diesem Moment dazu trieb, seinem Schwager Hobab vorzuschlagen, sie zu begleiten. Einerseits sagte er: «Zieh mit uns, so werden wir dir Gutes tun; … wenn uns jenes Gute geschieht, das der HERR an uns tun will, so werden wir dir auch Gutes tun.» Eine solche Einladung ist gut an alle die zu richten, denen wir es im Bewusstsein sagen können, dass wir mit ihnen das teilen, was der Herr uns gibt. Warum fügt Mose hinzu: «Du wirst unser Auge sein»? War das ein ermutigendes Wort, um Hobab zum Entschluss zu bringen, sich mit dem Volk zu vereinigen? (Vgl. Ri 4,11). Oder war dies im Gegenteil der verborgene Beweggrund, der Mose wünschen liess, dass dieser Kenner der Wüste sie begleite? Im folgenden Abschnitt geht die Bundeslade vor dem Volk her, um ihnen einen Ruheort zu erkunden. Will uns der Geist Gottes durch diese Tatsache nicht andeuten, dass Mose in Gefahr stand, sein Vertrauen in ungebührender Weise mehr auf seinen Schwager als auf den HERRN zu setzen?
«Gott verlässt den Ort, den Er inmitten der Stämme eingenommen hatte, um dort sozusagen bedient und geehrt zu werden, und macht sich in einem gewissen Sinn zu ihrem Diener, um ihnen in einer weglosen Wüste einen Ruheort zu erkunden … Das ist ein schönes Bild von der zärtlichen und kostbaren Gnade dessen, der, wenn Er uns zu unserem Wohl durch die Wüste ziehen lässt, es nicht versäumt, dort bei uns zu sein, und der, indem Er seine Schafe herausführt, für sie sorgt und vor ihnen hergeht und sie mit seiner Liebe erquickt» (J. N. Darby).
So verlässt die Lade in Gnade ihren normalen Platz inmitten des Volkes und geht auf dem Weg drei Tagereisen weit voraus. Diese drei Tage reden zu uns vom Tod und der Auferstehung des Herrn Jesus. In Matthäus 28,7 lesen wir: «Er ist von den Toten auferstanden; und siehe, er geht euch voraus nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen.» Dem Herrn Jesus im Bewusstsein nachfolgen, dass Er für uns gestorben und auferstanden ist, dass Er als treuer Hirte vor uns her geht (Joh 10,4), heisst das nicht, in der Wüste einen Ruheort finden, in Erwartung der Ruhe in der Herrlichkeit?
Auf jeder neuen Wegstrecke betet Mose (4. Mo 10,35.36) mit der Gewissheit, dass die Gegenwart des HERRN sie begleitet.