Die Wüstenwanderung (9)

4. Mose 11,1-3

II. Das Murren und die Fallstricke

5. Mose 8,2 erklärt das «Warum» der Wüste: «Der HERR, dein Gott, dich hat wandern lassen diese vierzig Jahre in der Wüste, um dich zu demütigen, um dich zu prüfen, um zu erkennen, was in deinem Herzen ist.» Das Volk wird so auf die Probe gestellt, um sich selbst kennenzulernen und um dadurch zum unvermeidbaren Schluss zu kommen, dass es das verheissene Land nur auf der Grundlage der Gnade betreten könne. Tatsächlich ist, wie wir früher gesehen haben, das höchste Ziel der Wüste nicht, «um dich zu demütigen und um dich zu prüfen», sondern vor allem «damit er dir Gutes tue an deinem Ende» (5. Mo 8,16).

Gott hatte für alles vorgesorgt: das Volk war versammelt um einen Mittelpunkt, die Bundeslade, die vor ihnen herzog in der Wüste; die Wolke war da, um sie zu führen, die Trompeten, um sie zu benachrichtigen (vgl. Ps 32,8). Jeden Tag sandte die göttliche Vorsehung ihnen das Manna; sie tranken aus einem «geistlichen Felsen», der ihnen nachfolgte. Elf Tagereisen (5. Mo 1,2) hätten genügt, um sie an die Grenze des Landes zu führen.

Warum so viele verlorene Jahre, von denen uns 4. Mose 33 die unzähligen Wegstrecken angibt? Von diesen hat die Schrift uns nichts als den Namen erhalten: es blieb davon nichts für Gott übrig; sie waren nur die Strafe für ihren Unglauben.

Die folgenden Kapitel werden uns die Beweggründe dieser Tragödie geben.

1. Die Klagen

«Das Volk beklagte sich.» Es wird uns keine Ursache dafür angegeben, keine Einzelheit; aber erkennen wir da nicht einen Umstand, der so häufig unter uns vorkommt? Nachdem man so viel empfangen hat, gibt es da noch Grund, sich zu beklagen? «Über seine Sünden beklage sich der Mann!» (Klgl 3,39). Wenn die eingetretene Schwierigkeit nur die Folge unserer Fehler ist, wäre es da nicht angebracht, sie demütig anzunehmen? Aber es gibt noch mehr: «Wer ist es, der sprach, und es geschah, ohne dass der Herr es geboten hat?» (Klgl 3,37). Lenkt unser Gott nicht jedes Geschehen im Leben der Seinen, indem Er ihr wahrhaft Bestes im Auge hat? «Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Guten mitwirken» (Röm 8,28).

Warum denn so oft diese Klagen, dieses Murren? Entweder passt uns das Wetter nicht, oder das Essen, oder die Umstände! Man macht es sich zur Gewohnheit, sich über alles zu beklagen, und das Leben wird trübselig. Dieser Geist des Klagens zerstört das Zeugnis und verunehrt den Herrn. «Freut euch allezeit», sagt der Apostel, aber er fügt sofort hinzu: «Betet unablässig; danksagt in allem» (1. Thes 5,16-18). Diese drei Verhaltensweisen sind miteinander verbunden: ohne Gebet, ohne Danksagen keine Freude. Im Verborgenen des Herzens liegt die Quelle der Freude im Herrn. «Ein fröhliches Herz ist ein beständiges Festmahl» (Spr 15,15).

Aber alles das verlangt Übung. Sogar der Apostel Paulus konnte schreiben: «Ich habe gelernt, worin ich bin, mich zu begnügen» (Phil 4,11). Dem Timotheus sagt er: «Die Gottseligkeit mit Genügsamkeit aber ist ein grosser Gewinn» (1. Tim 6,6). Der Brief an die Hebräer unterstreicht es: «Begnügt euch mit dem, was vorhanden ist, denn er hat gesagt: ‹Ich will dich nicht versäumen und dich nicht verlassen›» (Heb 13,5).

«Der HERR hörte es» (4. Mo 11,1; vgl. 12,2). Wir hätten diesen Klagen nur geringe Bedeutung beigemessen. Aber der Herr hört es und sein Zorn entbrennt. In seinen Regierungswegen trifft sein Gericht das Volk: Das Feuer des HERRN brennt unter ihnen. Das Volk schreit, Mose tritt für sie ein, der Brand legt sich. Aber da ist kein Selbstgericht, kein Bedauern, keine Reue. Muss es da erstaunen, dass in den folgenden Versen das Murren wieder aufkommt und zunimmt?