7. Mutlosigkeit
Wenn Jeremia den Anfang der Wüstenwanderung in Erinnerung ruft, sagt er im Namen des HERRN: «Ich gedenke dir die Zuneigung deiner Jugend, die Liebe deines Brautstandes, dein Wandeln hinter mir her in der Wüste, im unbesäten Land. Israel war heilig dem HERRN, der Erstling seines Ertrags» (Jer 2,2.3). Die Jahre waren vorbeigegangen. Die Anhänglichkeit des Anfangs hatte dem Murren, den Klagen, selbst dem Aufruhr Platz gemacht: «Mein Volk hat nicht auf meine Stimme gehört, und Israel ist nicht willig gegen mich gewesen … o dass mein Volk auf mich gehört hätte! … mit dem Fett des Weizens hätte er es gespeist, und mit Honig aus dem Felsen hätte ich dich gesättigt» (Ps 81,12-17).
Der Weg ist lang. Sie müssen noch das Land Edom umziehen. Ist es erstaunlich, wenn das Herz des Volkes ungeduldig wird auf dem Weg? Diese Mutlosigkeit führt es dahin, gegen Gott und gegen Mose zu reden und aufs Neue zu fragen: warum? Und dazu sagen sie vom Manna: «Unsere Seele ekelt sich vor dieser elenden Speise.» Die «elende Speise» stellte doch Christus vor, das lebendige Brot, das aus dem Himmel herabgekommen ist. Wenn das Herz kein Interesse mehr für Ihn hat, wird es leer und Satan steht bereit, es zu füllen.
Der HERR wird sie strafen und sie die Bosheit des Feindes spüren lassen, der durch das Fleisch wirkt: Feurige Schlangen beissen und quälen sie. Er will sie dahin führen, dass sie zum ersten Mal wirklich aufrichtig sagen: «Wir haben gesündigt.»
Vielleicht gibt es Christen, die sich niemals entmutigen lassen. Im Alten Testament ist Kaleb ein Beispiel dafür; im Lauf seines langen Lebens ist er «dem Gott Israels völlig nachgefolgt». Man kann ermattet sein auf dem Weg, der Herr Jesus war es auch. Man kann niedergeschlagen sein, der Apostel Paulus konnte davon reden (2. Kor 4,9). Aber Mutlosigkeit geht viel weiter: Der Grund dafür ist vor allem Mangel an Glauben, und das ist Sünde. Mutlosigkeit ist ein innerer Zustand, wobei man den «Unsichtbaren» aus dem Auge verloren hat. Angesichts des äusseren Widerspruchs, der Enttäuschungen, der Eintönigkeit des Weges, ist man bereit aufzugeben, zu sagen: wozu das alles?
Was ist da zu tun? «Zeigst du dich schlaff am Tag der Bedrängnis, so ist deine Kraft gering» (Spr 24,10). Sogar unter der Zucht des Vaters kann man nach Hebräer 12,5 den Mut verlieren. Man weiss: «Die Freude an dem HERRN ist eure Stärke» (Neh 8,10), aber diese Freude hat man so gut wie verloren. Es bleibt ein einziges, grosses, wunderbares Heilmittel: «Betrachtet den, der so grossen Widerspruch von den Sündern gegen sich erduldet hat, damit ihr nicht ermüdet, indem ihr in euren Seelen ermattet» (Heb 12,3). Von Mose konnte gesagt werden: «Er hielt standhaft aus, als sähe er den Unsichtbaren» (Heb 11,27). «Betrachtet den, der … erduldet hat …» Da sind keine weiteren Kommentare nötig, sondern ein langer Blick, ein tiefes Nachdenken.
Dann werden wir die Sünde richten, dass wir im Glauben und Vertrauen versagt haben und uns durch die Umstände oder den Widerstand niederdrücken liessen. Wir werden lernen, in der Not, die uns bedrückt hat, die Hand des Vaters zu sehen, und indem wir uns «den ewigen Armen» überlassen, werden wir die Gnade eines gestärkten Glaubens empfangen. Wer solche Erfahrungen hinter sich hat, kann auch anderen helfen, «die erschlafften Hände und die gelähmten Knie aufzurichten» (Heb 12,12). So tat es Paulus auf dem Schiff in Seenot (Apg 27); so taten es die Brüder von Rom gegenüber dem Apostel selbst, der als müder Gefangener, erschöpft vom Weg, sich der Stadt näherte, die er so sehr gewünscht hatte zu sehen: «Von dort kamen die Brüder, als sie von uns gehört hatten, uns bis Appii-Forum und Tres-Tabernä entgegen; und als Paulus sie sah, dankte er Gott und fasste Mut» (Apg 28,15).