7. Die Gnade
Am Ende seiner Wüstenreise angekommen, verdient das rebellische Israel gewiss nur den Fluch Gottes und seine Züchtigung. Der vom Feind angestiftete König Balak, der Zuflucht zum Propheten Bileam nahm, um es zu verfluchen, schien dem Volk nur das zu wünschen, was es sich zugezogen hatte.
Warum änderte Gott den Fluch in Segen? Es gibt nur eine mögliche Antwort: Aufgrund seiner Gnade, dieser unumschränkten, unverdienten, unerklärlichen Gnade.
Die Gnade rettet uns; und während unseres ganzen christlichen Lebens ist sie da, um uns zu unterweisen, wiederherzustellen und ans Ziel zu führen.
Bileam musste ausrufen: «Wie soll ich verfluchen, den Gott nicht verflucht? … Denn vom Gipfel der Felsen sehe ich es … Siehe, ein Volk, das abgesondert wohnt» (4. Mo 23,8.9). Dass auch wir lernten, die Geliebten des Herrn «vom Gipfel der Felsen» zu sehen, so wie Gott sie in Christus sieht, getrennt von der Welt, abgesondert für Ihn und nicht für Satan!
«Er erblickt keine Ungerechtigkeit in Jakob und sieht kein Unrecht in Israel» (Vers 21). In Christus sind wir abgewaschen, gereinigt, gerechtfertigt; Gott wird unserer Sünden und unserer Gesetzlosigkeiten nie mehr gedenken. Wir können «ohne Gewissen von Sünde» ins Heiligtum eintreten. Nur die Gnade kann sich in solchen Worten ausdrücken. «Da ist keine Zauberei gegen Jakob, und keine Wahrsagerei gegen Israel» (Vers 23). «Wer wird uns scheiden von der Liebe des Christus? … Kein Geschöpf wird uns zu scheiden vermögen von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn» (Röm 8,35.39).
«Wie schön sind deine Zelte, Jakob, deine Wohnungen, Israel!» (4. Mo 24,5). In Christus ist Neues geworden, da ist eine neue Schöpfung: Gott sieht in den Seinen einen Widerschein der Schönheit Christi (Ps 45,12). Er hat uns «angenehm gemacht in dem Geliebten» (Eph 1,6).
Ein gesetzlicher Geist wird die Gnade nicht begreifen. Anderseits kann man die Gnade Gottes leider auch in Ausschweifung verkehren. «Die auf nichtige Götzen achten, verlassen ihre Gnade» (Jona 2,9). Um das Gleichgewicht zu bewahren, ist es wichtig, dass die Gnade weder eine Theorie ist, noch eine interessante Belehrung, sondern dass die Augen unserer Herzen ständig auf den gerichtet sind, der die Gnade ist. Die Gnade Gottes ist nicht nur eine Gunst, sondern «aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, und zwar Gnade um Gnade» (Joh 1,16). Es geht darum, «in der Gnade und Erkenntnis unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus zu wachsen» (2. Pet 3,18). Der Apostel konnte schreiben: «Durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin; und seine Gnade gegen mich ist nicht vergeblich gewesen» (1. Kor 15,10).
Als der Prophet das Volk am Ende der Wüstenreise vor sich sieht, erklärt er: «Um diese Zeit wird von Jakob und von Israel gesagt werden, was Gott gewirkt hat» (4. Mo 23,23). Wir hätten gesagt: Was das Volk getan hat. Doch was besteht am Ende einer langen Lebensbahn noch fort? Ist es nicht die Erinnerung an die Gnade und Barmherzigkeit Gottes? Dass dies von Israel (dem neuen Namen des Kämpfers Gottes; 1. Mose 32,28) gesagt wird, kann man noch verstehen; aber das Wort unterstreicht, dass von Jakob (dem Betrüger) gesagt wird: was Gott gewirkt hat. Wir spüren, dass wir hier die Unermesslichkeit der Gnade berühren, die unser Elend zudeckt.
Trotz all seiner Fehltritte und Schwachheiten «bleibt noch eine Sabbatruhe dem Volk Gottes übrig» (Heb 4,9). «Der, der ein gutes Werk in euch angefangen hat, wird es vollenden bis auf den Tag Jesu Christi» (Phil 1,6).
- Wie tief und weit vor uns wird das Geheimnis liegen
der Liebe und der Gnad, die wir dann ganz verstehn.