9. Die geteilten Herzen
Der Bericht, den das Wort uns über die Stämme Ruben und Gad erhalten wollte, ist das Bild einer der zeitgemässesten Gefahren, die unsere Familien bedrohen.
Diese Stämme besassen zahlreiche Herden. Sie stellen fest, dass das Land Gilead günstig ist für die Herden. Warum sollte man sich nicht hier niederlassen? Übrigens, hatte der HERR dieses Land nicht vor der Gemeinde Israel geschlagen? Ohne Ihn um Rat zu fragen, wird daraus geschlossen: «So möge dieses Land deinen Knechten zum Eigentum gegeben werden; lass uns nicht über den Jordan ziehen!» (4. Mo 32,5).
Welches waren die Folgen einer solchen Wahl? Gad und Ruben liefen Gefahr, die Kinder Israel zu entmutigen, um nicht in das Land hinüberzuziehen, das der HERR ihnen gegeben hatte (Vers 7). Das wurde zu einer Gefahr für das ganze Volk (Vers 15). Sie ziehen den halben Stamm Manasse mit sich fort. Da die Männer der zweieinhalb Stämme, die im diensttauglichen Alter sind, sich verpflichten an der Eroberung teilzunehmen, müssen sie ihre Familien in Gilead unterbringen und von ihnen während Jahren getrennt bleiben: «Unsere Kinder, unsere Frauen, unsere Herden und all unser Vieh sollen dort in den Städten Gileads bleiben; deine Knechte aber, alle zum Heer Gerüsteten, werden vor dem HERRN hinüberziehen in den Kampf.»
So überqueren nur die Väter den Jordan und erleben die Eroberung. Sie kämpfen an der Seite ihrer Brüder und gehen bis zum Ende dessen, was ihnen obliegt (Jos 22,3). Aber der Feind hat es fertiggebracht, sie von den Familien zu trennen! Die Frauen, die Kinder, die jungen Leute, die in Gilead blieben, haben nie mit der Bundeslade den Jordan durchschritten und haben die Wechselfälle des Sieges nicht erlebt. Wohl eingerichtet jenseits der Grenze, erfreuen sie sich der Segnungen der göttlichen Vorsehung, und das ist alles!
Wie steht es heute damit? Gibt es nicht zwei Arten von Christentum? Ein «teilweises», das die Fürsorge Gottes schätzt, seinen Beistand, seine Hilfe, seinen irdischen Segen, was dem Leben in der Wüste oder dem in Gilead entspricht. Man ist glücklich, gerettet zu sein, die Wohltaten von oben zu erfahren. Aber man hat sich nie Gott ausgeliefert, «als Lebende aus den Toten» (Röm 6 und 12). Man hat keine Ahnung von der Bedeutung der Ermahnung des Herrn Jesus: «Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes».
Das wahre christliche Leben umfasst auch das, was der Jordan und das Land vorbilden. Durch den Glauben verstehen und erfassen wir unseren Tod und unsere Auferstehung mit Christus, dieses neue Leben, Leben in Überfluss, das nur durch den Glauben ausgelebt werden kann, indem wir die von Gott geschenkten geistlichen Segnungen in Besitz nehmen. Es wird Kampf und Übungen geben, aber man wird lernen, mit Christus auferweckt zu sein, die Dinge zu suchen und an die Dinge zu denken, die droben sind. Man wird verstehen, dass man ein unverwesliches, unverwelkliches Erbteil in den Himmeln hat, aufbewahrt für uns. Man wird ins Heiligtum gehen können, dahin, wo die Bundeslade ist, und anbeten.
In Josua 22 kommt der ernste und entscheidende Augenblick. Die Väter haben an der Seite ihrer Brüder gekämpft und erobert. Werden sie jetzt weggehen, um sich wieder mit ihren Familien in Gilead zu vereinigen, «weg von den Kindern Israel, von Silo, das im Land Kanaan ist, um in das Land ihres Eigentums zu ziehen» (Jos 22,9)? Oder werden sie ihre Familien, die bis dahin in Gilead weilten, nach Kanaan kommen lassen, gemäss der Ermahnung von Pinehas: «Kommt herüber in das Land des Eigentums des HERRN, wo die Wohnung des HERRN weilt, und macht euch ansässig in unserer Mitte» (Vers 19)? Aber wie das nur zu oft vorkommt: es sind nicht die Väter, obwohl «geistlicher», die sich gegenüber der Familie durchgesetzt haben, sondern die Familie hat die Oberhand über die Väter gewonnen!
Diese kehren nach Gilead zurück. Aber sie fühlen die Gefahr, die ihren Kindern droht, sehr wohl. Sie errichten am Ufer des Jordans einen Altar, gross von Ansehen, nicht um Opfer darauf darzubringen, sondern um zu zeigen, dass sie die Formen des Gottesdienstes des HERRN festhalten (Verse 26 und 27). Man gibt das Wort nicht vollständig auf; man liest es noch, man betet am Tisch, man wird gelegentlich den Gottesdienst besuchen, aber das Herz ist nicht mehr dort, die geistliche Lebenskraft lässt nach. Eine oder zwei Generationen gehen darüber, und was bleibt übrig?
Es ist uns nicht möglich, unseren Kindern das ewige Leben zu geben, das ist das Werk Gottes. Aber wir können durch unser Verhalten, durch unser Streben nach den Dingen der Welt, durch den Mangel an Zuneigung zum Herrn, Hindernisse sein für diese göttliche Tätigkeit. Die Kinder sehen sehr gut, ob die Eltern «das Land schätzen».
Was die Jungen betrifft, mögen sie sich daran erinnern: Es ist nicht die Erziehung eines christlichen Elternhauses, die bewirken wird, dass sie «den Jordan überqueren». Jeder muss diese Entscheidung für sich selbst treffen, im Blick auf den Herrn; der Bundeslade folgend, den Todesfluss durchschreiten. Wenn es nicht bei jedem Glied jeder Generation eine geistliche Erneuerung gibt, bleibt bald nichts mehr als Tradition und Form, die ausgewischt werden.