4. Unglaube
Israel ist an der Grenze Kanaans angekommen. Der HERR hat ihnen ein Land verheissen, das von Milch und Honig fliesst. «Siehe», sagt Mose, «der HERR, dein Gott, hat das Land vor dich gestellt; zieh hinauf, nimm in Besitz, so wie der HERR, der Gott deiner Väter, zu dir geredet hat; fürchte dich nicht und verzage nicht!» (5. Mo 1,21).
Aber das Volk hört es nicht mit diesem Ohr. Es wünscht, dass Männer gesandt würden, um das Land «für uns» zu erkunden, «ob es gut oder schlecht ist», und ob das Volk, das darin wohnt, «stark oder schwach» ist.
Warum an der göttlichen Verheissung zweifeln? Konnte Gott den Seinen ein schlechtes Land geben? Hatte Er nicht die Macht, die starken Feinde zu schlagen, so gut wie die schwachen? Der Mangel an Glauben an die göttliche Verheissung führt das Volk dazu, die Aussendung von Kundschaftern zu wünschen. Gott gibt Ihnen, was sie begehrt haben (4. Mo 13,2).
Der Bericht der Spione bestätigt das, was der HERR gesagt hatte: Das Land fliesst wirklich von Milch und Honig. Sie zeigen seine herrliche Frucht. «Nur», fügen sie hinzu, «dass das Volk stark ist, das in dem Land wohnt … Wir vermögen nicht gegen das Volk hinaufzuziehen» (4. Mo 13,28.31). Der Zweifel macht dem Unglauben Platz. Es fehlte an Glaube an die Verheissung Gottes; jetzt fehlt es an Glaube zur Eroberung. Der Unglaube wird zu Empörung führen (14,4), sogar zum Willen, die zu steinigen, die mit Glauben darauf beharren, dass der HERR wohl die Macht hat, sie in das Land zu bringen (14,8).
Hebräer 3,19 legt den Finger auf den wunden Punkt: «Wir sehen, dass sie nicht eingehen konnten wegen des Unglaubens. Fürchten wir uns nun, dass nicht etwa … jemand von euch scheine zurückgeblieben zu sein … das Wort der Verkündigung nützte jenen nicht, weil es bei denen, die es hörten, nicht mit dem Glauben verbunden war».
So kann es leider in entscheidenden Augenblicken des Lebens sein. Wenn der Glaube nicht in Tätigkeit ist, wenn das Vertrauen in Gott nicht Wirklichkeit ist, wird man einen Weg wählen, der uns von Ihm wegführt. Tatsächlich hatte das Volk den HERRN verachtet (14,11), das Land «verschmäht» (Vers 31). Was machte die Höhe der Mauern aus, wenn sie beim Schall einer Posaune einstürzen würden! Im entscheidenden Moment hat man nicht mit Gott gerechnet, man hat das Hindernis gefürchtet, man hat die Schwierigkeit nicht überwunden, man hat dem Feind nachgegeben. Und das arm gewordene Leben wird unter den Folgen des Unglaubens verlaufen bis dass wir durch die Gnade zu Ihm zurückkehren, und Er, wenn die Zucht ihre Frucht gebracht hat, eine Wiederherstellung bewirkt.
a) Der Einfluss der Wenigen
Zehn Kundschafter haben genügt, um das Herz des Volkes zum Schmelzen zu bringen. Die ganze Versammlung beginnt zu schreien, die ganze Nacht zu weinen, gegen Mose und Aaron zu murren, und schlägt schliesslich vor, einen Anführer über sich zu setzen und nach Ägypten zurückzukehren. Wenn diese zehn Männer einen Bericht des Glaubens und des Vertrauens in Gott erstattet hätten, würde sich das Volk nicht ganz anders verhalten haben?
Zwei Männer, die ihren Gott kannten, Kaleb, dann auch Josua, beharren darauf: «Lasst uns nur hinaufziehen … Wenn der HERR Gefallen an uns hat, so wird er uns in dieses Land bringen und es uns geben». Für den Augenblick ernteten sie nichts als die Drohung der Steinigung. Viele Jahre später wird Josua der Anführer des Volkes bei der Einnahme des Landes sein, und Kaleb wird sein Erbteil, das Gott ihm verleiht, selbst in Besitz nehmen können (Jos 14).
In einer Versammlung, in einer Gegend, kann der Einfluss von zwei oder drei Männern des Glaubens entscheidend zum Segen sein, wie es zuweilen wenige braucht, damit ein verderblicher Einfluss zu vielen Trümmern führt. Es ist leichter «ein böses Gerücht über das Land zu verbreiten», die lebendigen Gläubigen zu entmutigen, von Schwierigkeiten, von Verzicht, von Opposition zu reden, als von göttlicher Hilfe und von Freuden. Der Unglaube einiger weniger steckt die anderen an.
In Kaleb war «ein anderer Geist». Er würdigte die Gabe Gottes, er spornte seine Brüder an, Besitz davon zu ergreifen. Wollen wir nicht durch unser Leben, durch unsere ganze Haltung zeigen, welchen Wert das himmlische Erbe, das einzig Bestand hat, für uns besitzt?
b) Die Regierung Gottes
Nach den Klagen des Volkes wütet das Feuer im Lager. Nach der Lüsternheit breitet sich das Verderben aus und führt zu Gräbern. Mirjam wird aussätzig. Die zehn Männer, die das ganze Volk veranlasst haben zu murren, indem sie das Land in Verruf brachten, sterben durch eine Plage vor dem HERRN (14,37); und alles Volk, das geklagt und sich aufgelehnt hat, wird in der Wüste aufgerieben werden: «In dieser Wüste sollen eure Leichname fallen, ja, alle eure Gemusterten nach eurer ganzen Zahl, von zwanzig Jahren und darüber, die ihr gegen mich gemurrt habt.» Während vierzig Jahren werden sie in diesen öden Wüsteneien umherirren. Die Gräber der Männer des Auszuges werden eines nach dem anderen die Wegstrecken markieren.
Wiederholen wir es: «Irrt euch nicht, Gott lässt sich nicht spotten! Denn was irgend ein Mensch sät, das wird er auch ernten» (Gal 6,7).
Das Volk will sich den Folgen seines Fehlers entziehen. Leichtfertig sagen sie: «Hier sind wir und wollen zu dem Ort hinaufziehen, von dem der HERR geredet hat; denn wir haben gesündigt» (14,40). Mose versucht sie davon abzubringen, indem er ihnen sagt, dass sie dadurch den Befehl des HERRN übertreten, dass sie sich fügen sollten und die Folgen ihrer Fehltritte demütig annehmen müssten. Sie wollen nichts davon hören und vermessen sich hinaufzusteigen … «Da kamen die Amalekiter und die Kanaaniter … und zersprengten sie bis Horma» (Vers 45).
Es ist schwer, sich unter die göttliche Zucht zu beugen; aber ist dies nicht der wahre Beweis einer echten Demütigung?
c) Die Belehrung von Kades
Hat diese entscheidende Wegstrecke der Wüstenreise nicht eine tiefe Belehrung für uns Gläubige? Das Passah und der Durchzug durch das Rote Meer entsprechen der Sühnung unserer Sünden und der Befreiung aus der Macht Satans durch die Erlösung. Die Bekehrung befreit uns durch den Glauben an den Herrn Jesus aus der Macht des Feindes und der Welt und führt uns in die Wüste auf den Weg Gottes. Die Seele macht hier die Erfahrung seiner Fürsorge, seiner Güte und seiner Macht. Aber sie lernt auch sich selbst kennen. Dennoch soll sich das christliche Leben nicht immerfort in Höhen und Tiefen, in Niederlagen und nachfolgender Reue abspielen. Es verläuft auch in Kanaan, auf der anderen Seite des Jordans (unser Gestorbensein mit Christus), auf dem Boden der Auferstehung mit Ihm, im Bewusstsein unserer vollen Annahme in Ihm vor Gott und der wunderbaren, für den Glauben wirklichen Tatsache, dass Er in uns ist (Joh 14,20; Gal 2,20). Das ist die Erfahrung von Römer 6 bis 8; sie führt uns dazu, dass wir «im Geist wandeln», «von der Sünde frei gemacht und Gottes Sklaven geworden», «getötet worden, um eines anderen zu werden, des aus den Toten Auferweckten, damit wir Gott Frucht brächten.» Dieses Leben des Glaubens verlangt Selbstverleugnung. «Stellt euch selbst Gott dar als Lebende aus den Toten» (Röm 6,13). Es verlangt, dass wir das ganze Sein den Händen des Herrn zur Verfügung stellen. Davor weicht man oft zurück, man fürchtet die Opfer und … wendet sich zurück in die Wüste, indem man dem «Land» den Rücken zukehrt und die Segnung verliert, die für uns erreichbar war. Werden wir Reben sein, die viel Frucht bringen oder solche, die nur wenig Frucht tragen? Es richtet sich danach, wie wir das, was das «Bleiben in ihm» in sich schliesst, praktisch verwirklichen werden oder nicht (Joh 15).