2. Lüsternheit
Viel Mischvolk war mit Israel aus Ägypten heraufgezogen (2. Mo 12,38). Wie immer in ähnlichen Fällen, wenn sich in die Mitte des Volkes Gottes andersartige Elemente eingemischt haben, wird sich ihr Einfluss unweigerlich bemerkbar machen. «Und das Mischvolk, das in ihrer Mitte war, wurde lüstern.» Die Israeliten hatten mit solchen Leuten nichts zu tun, und sie hätten sie nicht aufnehmen sollen. Nachdem es aber so ist, stehen sie unter deren Einfluss und fangen selbst wiederum an zu weinen, indem sie sagen: «Wer wird uns Fleisch zu essen geben? Wir erinnern uns an die Fische, die wir in Ägypten umsonst assen …» (Verse 4 und 5). Nicht nur Klagen dieses Mal, sondern Tränen (Verse 10.13.18). Hatten sie es demnach so gut in Ägypten? (2. Mo 5,13!) Man fand dort – das Volk behauptet es wenigstens – sechs Nahrungsmittel (Vers 5), wie in Assyrien (2. Kön 18,32), während es «im Land» deren sieben gibt (5. Mo 8,8), Zahl der göttlichen Fülle im Gegensatz zur Unzulänglichkeit des Menschen (sechs). Aber man benötigt Gründe, um das Murren zu rechtfertigen, auch wenn sie wertlos oder irrig sind. Wie leicht sucht man Vorwände, wenn man den Geschmack am Wort Gottes verliert («Gar nichts ist da, nur auf das Man sehen unsere Augen»), um sein Wegbleiben von den Zusammenkünften und das Zuwenig an Zeit, die man sich für das Hören der Stimme des Herrn nimmt, zu rechtfertigen. Das Verlangen des Herzens wendet sich der Welt, den Dingen der Welt zu: «Wenn jemand die Welt liebt, so ist die Liebe des Vaters nicht in ihm» (1. Joh 2,15).
Die Lüsternheit führt zum Verlangen nach dem, was man nicht hat, was Gott in den Umständen, in denen man sich befindet, nicht gegeben hat. Sie führt auch dahin, das zu verachten, was Gott gibt. Das Manna, dessen Geschmack wie Kuchen mit Honig war, hat jetzt den Geschmack von Ölkuchen und wird später nur noch eine elende Speise sein (2. Mo 16,31; 4. Mo 11,8; 21,5). Seien wir auf der Hut! Für uns handelt es sich nicht darum, eine irdische Speise zu verachten – obwohl man es oft tut! – sondern das himmlische Manna, Christus, das lebendige Brot aus dem Himmel (Joh 6), gering zu achten. Denken wir an die allzu Zahlreichen in unseren Tagen, die keine Bibeln besitzen und sich bemühen, einige von hier und da ausgeliehene oder von einem entfernten Sender gehörte Seiten abzuschreiben. Das ist die eine von den durch den Propheten angekündigten Nöte: «Siehe, Tage kommen, spricht der Herr, HERR, da werde ich einen Hunger in das Land senden, nicht einen Hunger nach Brot und nicht einen Durst nach Wasser, sondern die Worte des HERRN zu hören. Und sie werden umherschweifen von Meer zu Meer und vom Norden bis zum Osten; sie werden umherlaufen, um das Wort des HERRN zu suchen, und werden es nicht finden» (Amos 8,11.12).
Wenn wir feststellen, dass unser Interesse am Wort abgenommen hat, sollten wir die Dinge nicht in diesem Zustand lassen. Unsere Gemeinschaft mit dem Herrn steht auf dem Spiel; sie ist vielleicht unterbrochen worden. Suchen wir Ihn wieder auf! Nehmen wir uns Zeit – einige Stunden oder einige Tage, wenn nötig abseits in der Stille – um zu beten und unsere Wege vor Ihm zu prüfen, damit Er uns wiederherstelle und uns den Geschmack an seinem Wort, der verloren ging, wiederfinden lasse.
Wachen wir auch über alles, womit wir unseren Geist nähren. Ohne Zweifel sind viele Dinge an sich nützlich und förderlich an ihrem Platz, aber wenn wir in dem, was wir lesen, hören und sehen, Dinge bemerken, die unser Herz gefangen nehmen und den Platz des Herrn und seines Wortes einnehmen, dann lasst uns die Kraft haben, darauf zu verzichten. «Gebt acht, dass nicht jemand da sei, der euch als Beute wegführt … nach der Überlieferung der Menschen, nach den Elementen der Welt» (Kol 2,8). Wie viele junge Leute, Jungen und Mädchen, die doch eifrig für den Herrn schienen, haben sich von den Dingen Gottes abbringen lassen, sei es durch intellektuellen Zweifel, den sie durch ihren Lesestoff und andere Unterweisungen der Menschen nach und nach in sich aufgenommen haben, sei es durch die Begierden des Fleisches, die sie gefördert haben durch alles, was sie sahen und hörten und das sie hätten «fliehen» müssen (2. Tim 2,22). Alles das hat dem Herzen nicht die tiefe Befriedigung verschafft, die nur die Gemeinschaft mit dem Herrn geben kann, der gesagt hat: «Wer zu mir kommt, wird nicht hungern, und wer an mich glaubt, wird niemals dürsten» (Joh 6,35).
Ungeachtet des Murrens und der Verschmähung durch sein Volk, blieb Gott treu: «Und wenn nachts der Tau auf das Lager herabfiel, so fiel das Man darauf herab» (Vers 9). In moralischer Hinsicht war es Nacht, aber der Tau fiel trotzdem herab und das Manna auch. Jeden Tag dieser langen Wanderung, jeden Morgen war es da zur Verfügung. Es hörte erst am folgenden Tag nach ihrem Einzug in das Land Kanaan auf (Jos 5,12), um durch das Getreide des Landes ersetzt zu werden.
Schliesslich gibt Gott seinem Volk das, was das Fleisch fordert, und offenbart so seine Macht. Aber das Ergebnis ist nur Ekel davor: «Da gab er ihnen ihr Begehr, aber er sandte Magerkeit in ihre Seele» (Ps 106,15). Mit welch unbeherrschtem Eifer häuften die Leute die Wachteln auf: «Und das Volk machte sich auf, jenen ganzen Tag und die ganze Nacht und den ganzen folgenden Tag, und sie sammelten die Wachteln; wer wenig gesammelt hatte, hatte zehn Homer (ungefähr zwei Tonnen!) gesammelt.» «Wer für sein eigenes Fleisch sät, wird von dem Fleisch Verderben ernten» (Gal 6,8). Was geschah nach wenigen Tagen mit diesen Ansammlungen von Wachteln unter der brennenden Hitze der Wüste? «Und man gab jenem Ort den Namen Kibrot-Hattaawa: Gräber des Gelüsts.»
«Wenn du Gott für alle Freuden, die Er dir gibt, danken wolltest, hättest du keine Zeit mehr, dich zu beklagen.»