Das vierte Buch Mose redet von der Reise Israels durch die Wüste – ein Sinnbild vom Wandel des Christen durch die Welt. Bei diesem Wandel ist er allen Arten von Verunreinigungen ausgesetzt, die jede Gemeinschaft mit Gott völlig unterbrechen.
Das Wesen dieser Verunreinigungen ist beachtenswert und sollte eindringlich zu unseren Gewissen reden. Hier sind es nicht die aus Versehen oder aus Unwissenheit begangenen Sünden, wie in 3. Mose 4, die uns durch andere kundgetan werden, sondern Sünden aus Unachtsamkeit oder aus Mangel an Wachsamkeit.
Die christliche Wachsamkeit ist das einfache Mittel, um jeden Unterbruch der Gemeinschaft zu vermeiden.
Diese Sünden haben noch einen anderen gemeinsamen Wesenszug. In allen hier aufgezeigten Fällen entsteht die Verunreinigung durch die Berührung eines Toten, oder dessen, was sich aus dem Tod ergibt. Wenn man sich verunreinigt hatte, konnte man sich nicht mit Unwissenheit entschuldigen, denn nicht zu wissen, was der Tod ist, ist unmöglich. Er ist der deutliche, zuverlässige Beweis der Sünde: «An dem Tag, da du davon isst, musst du sterben.» – «Der Lohn der Sünde ist der Tod.» Die Sünde wird durch ihre letzten Konsequenzen offenbar, so dass also der Mensch, der den Tod berührte, keine Entschuldigung geltend machen konnte.
Die Verunreinigung durch einen Toten konnte an zweierlei Orten stattfinden: im Zelt oder auf freiem Feld. Im zweiten Fall wurde nur der Einzelne verunreinigt; im Zelt aber erstreckte sich die Verunreinigung auf alles, was sich darin befand, und besonders auf jedes offene Gefäss, auf dem kein festgebundener Deckel war. Wie ist doch diese Art der Verunreinigung unter den Christen so häufig! Auf dem freien Feld, in der Öffentlichkeit, inmitten der Welt, ist man für gewöhnlich wachsamer, weil man sich von feindlich gesinnten Menschen umgeben weiss, die bei uns nach Fehlern suchen, um eine Gelegenheit zu finden, das Evangelium verächtlich zu machen. Im Zelt, im mehr oder weniger geschlossenen Kreis der Familie nimmt man sich leicht weniger in Acht, man ist nicht so wachsam über sich selbst. Da werden Dinge geduldet, die man nicht vor allen tun würde; da gibt es weniger Zurückhaltung, weil man ja «unter sich» ist. Da darf sich eine gewisse Weltlichkeit breitmachen, die man in der Öffentlichkeit nicht an den Tag legen möchte; Böses wird entschuldigt, weil niemand da ist, der es blossstellt. Der Tod ist im Zelt.
Was resultiert daraus? Wenn ein offenes Gefäss vorhanden ist, kommt es mit der Verunreinigung in Berührung. Wenn wir uns im Zelt damit einlassen, wird sie sich auch unserer nächsten Umgebung mitteilen. Woher kommt es, dass die Kinder so oft Wege der Weltlichkeit einschlagen und die Wahrheit aufgeben, in der sie doch im Vaterhaus unterwiesen worden sind? Zweifellos mag es dafür viele Gründe geben, und in den meisten Fällen wird auch nicht eine grosse Weltlichkeit bei den Eltern dafür verantwortlich gemacht werden können. Aber müssen wir nicht oft, tief gebeugt, bekennen, dass wir im Kreis der Familie eine gewisse weltliche Verunreinigung bestehen liessen, die auf die ungeschützten Gefässe überging, die durch unsere Nachlässigkeit zubereitet waren, diesem Einfluss zu erliegen?
Die zweite Art der Verunreinigung durch einen Toten konnte auf freiem Feld stattfinden. Wenn man es dort an Wachsamkeit fehlen liess, war es möglich, mit dem Tod in vier Erscheinungsformen in Berührung zu kommen:
- mit dem Gebein eines Menschen
- mit einem gewaltsam Getöteten
- mit einem auf gewohnte Weise Gestorbenen oder
- mit einem Grab
Ein Gebein hatte nur eine weit entfernte Beziehung zu einem Leichnam. Die anfängliche Verwesung liess sich nicht mehr erkennen. Vor langem schon hatten die Sonne, der Regen, die Vögel und die Tiere des Feldes die Knochen vom verwesenden Fleisch befreit. Man war sich gewohnt, auf solche Gebeine zu stossen, ohne sie in Zusammenhang mit ihrer Herkunft zu bringen. Die Menschen waren dazu gekommen, solche als nützlich und unentbehrlich zu betrachten.
Welche allgemeine, von allen geduldete Sünde mag mit diesem «Gebein» gemeint sein? Welche Sünde ist so häufig, dass man nicht mehr auf sie achtet und Weltmenschen erstaunt sind, wenn sich einer darüber entsetzt und sie verurteilt? Der Christ begegnet ihr überall, wenn er, wie der Israelit, genötigt ist, in die Welt hinauszugehen. Auf Schritt und Tritt sieht er, wie der Kaufmann den Käufer hinsichtlich der Qualität seiner Waren betrügt, wie der Bankier seine eigenen Interessen vor die des Kunden stellt, wie der Arzt seine Patienten belügt, wie der Weltmensch ins Angesicht schmeichelt und hintenherum verleumdet – alles das, und vieles andere noch, ist das nicht ganz gewöhnliches Gebein? Inwieweit sind wir Christen von derartigen, uns umgebenden Grundsätzen beeinflusst und geneigt, sie nicht mehr als eine Verunreinigung zu betrachten? Seien wir hier auf der Hut, denn sie zerstören die Gemeinschaft mit Gott.
Der zweite und der dritte Fall waren der gewaltsame Tod und der natürliche Tod: die Gewalttat und sittliche Verdorbenheit, zwei grosse Klassen von Sünden, die Gott vor Augen hatte, als er den Entschluss fasste, die Flut über die Erde kommen zu lassen. Die Welt hat sich nicht geändert. Diese Ausdrücke: «Sie haben sich verdorben»; «Verwüstung und Elend ist auf ihren Wegen» sind immer wahr, aber für uns Christen stellt sich die Frage, ob in unseren Beziehungen zu der Welt diese Dinge von unserem eigenen Weg ausgeschlossen sind. Wenn wir beleidigt und verleumdet worden sind, wenn wir gegen die anderen berechtigte Klagen vorzubringen hätten, was offenbaren wir dann? Einen Geist des Friedens, oder einen Geist der Gewalt? Anderseits umgibt uns auch von allen Seiten sittliches Verderben, wie die Luft, die wir einatmen. Es befindet sich in dem, was wir lesen, in dem was wir hören, in dem was wir sehen, in dem Mann oder in der Frau, die vorübergehen; es offenbart sich am helllichten Tag und schleicht in den Schatten der Nacht umher. Gelüsten wir nach diesen Dingen und lassen wir uns von dem uns umgebenden Verderben beeinflussen? Oh, lasst uns wachsam sein, um unsere Augen und unsere Ohren, unsere Hände und unsere Schritte, unsere Gedanken und unsere Herzen von allen diesen Verunreinigungen freizuhalten, in dem wir selbst das von dem Fleisch befleckte Kleid hassen!
Der vierte Fall war das Grab. Man konnte über ein Grab hingehen, ohne es zu wissen (Lk 11,44). Der Herr brauchte das Grab als Bild, um die Heuchelei des Herzens zu brandmarken, das sich nach aussen hin einen schönen Schein gibt, sich sogar einen Ruf von Gottesfurcht zu erwerben weiss, inwendig aber voll von Totengebeinen und aller Unreinheit ist (Mt 23,27.28). Das Grab entspricht einem Herzen, das hinter einem schönen Aushängeschild bewusst das Verderben verbirgt, das in ihm ist. Die Pharisäer waren solche Leute, und der Herr hat ihr Tun scharf verurteilt. Und wie viel Tausende von Kindern Gottes kommen auf ihrem Weg mit solchen Gräbern in Berührung, machen sich die Grundsätze der Religion dieser Welt zu eigen und lassen sich an einer Form der Gottseligkeit genügen, zu der der Zustand ihres Herzens keineswegs im Einklang steht. Ach, ein Christ kann sich wegen eines Grabes verunreinigen; auch er kann in diesem Fall zu einem Heuchler werden! Der Apostel Paulus hatte diese Verunreinigung vermieden; er suchte nicht den Beifall der Menschen, sondern die Anerkennung Gottes. Er sagte: «Gott aber sind wir offenbar geworden; ich hoffe aber, auch in euren Gewissen offenbar geworden zu sein» (2.Kor 5,11).
Ein Grab anrühren, verunreinigt und zerstört die Gemeinschaft. Ein einziger böser Gedanke, eine einzige Begierde, die im Herzen verwahrt wird und sich noch nie den Blicken eines Menschen gezeigt hat, genügt. Oft sind wir trocken und unfruchtbar, das Wort interessiert uns nicht mehr, die Freude und die Kraft sind uns abhanden gekommen. Warum? Vielleicht ist uns der Grund von all diesem unbekannt, aber wir merken, dass die Gemeinschaft verloren ist. Fragen wir Gott, weshalb es so ist; Er wird uns antworten: du hast das Grab angerührt. Vielleicht haben wir uns wegen einer einzigen Begierde zu richten, die unser Herz im Stillen nährt, ohne ihr je Folge zu leisten … sie genügt, um aus uns verunreinigte Wesen zu machen.
Lasst uns jetzt betrachten, was zu tun war, wenn sich ein Israelit durch die Berührung eines Toten verunreinigt hatte.
Das Mittel der Reinigung war eine rote junge Kuh ohne Fehl, die noch nie das Joch getragen hatte. Sie ist ein Bild von Christus, dem Menschen ohne Sünde, der in seiner Natur nicht einmal den Folgen der Sünde unterworfen war. Die Kuh musste vor Eleasar, dem Priester, geschlachtet und ihr Blut siebenmal gegen die Vorderseite des Zeltes der Zusammenkunft hin gesprengt werden. Das war der Ort, wo das Volk sich vor Gott aufhielt, um den Gottesdienst vor Ihm auszuüben. Das Blut sollte nicht, wie am grossen Versöhnungstag, durch den Vorhang ins Allerheiligste getragen und dort unter den Blicken Gottes vor den Sühndeckel gesprengt werden. Hier war das Blut im Blickfeld des Menschen, der, nachdem er sich schuldig gemacht hatte, Gott nahte, um wiederhergestellt zu werden.1 Zur Wiederherstellung war es vor allem erforderlich, dass die Augen des Glaubens dem zur Sühnung vergossenen Blut begegneten, das dem Sünder vorausging an den Ort, wo er mit Gott zusammenkommen konnte.
Ohne diesen ersten Schritt ist keine Wiederherstellung möglich. Wenn wir gefehlt haben und nicht wissen, dass Jesus Christus vor Gott die Sühnung für unsere Sünden ist, werden wir uns von Gott fernhalten, statt uns Ihm zu nahen. Wir meinen dann, durch die Sünde unsere Beziehungen zu Ihm verloren zu haben, was ja ein Ding der Unmöglichkeit ist. In unserer Unwissenheit machen wir diese Beziehung von unserem Wandel abhängig, während doch durch unser Tun die Gemeinschaft unterbrochen wurde. Die Frucht solcher Unwissenheit ist nicht die Wiederherstellung, sondern die Verzweiflung. Eine wahre Reinigung in unserem Wandel wird nur durch die völlige Gewissheit herbeigeführt, dass das Auge Gottes auf dem vergossenen Blut Christi ruht, und dadurch, dass auch unsere Augen darauf gerichtet sind, als auf das Mittel, das im Hinblick auf die Sünde den Forderungen Gottes völlig entspricht.
Der ganze Leib der jungen Kuh, die geschlachtet worden war, wurde ausserhalb des Lagers verbrannt. So war es auch mit dem für die Sünde des Hohenpriesters oder des Volkes dargebrachten Opfer (3. Mo 4), oder auch mit dem Opfer des grossen Versöhnungstages (3. Mo 16), denn die Vorschrift lautete: «Aber alles Sündopfer, von dessen Blut in das Zelt der Zusammenkunft gebracht wird, um im Heiligtum Sühnung zu tun, soll nicht gegessen werden; es soll mit Feuer verbrannt werden» (3. Mo 6,23). Der ausserhalb des Lagers verbrannte Leib redet von der Heiligkeit Gottes, der die Sünde aus seiner Gegenwart verbannen muss, selbst dann, wenn sie auf Christus gelegt ist. Wie unnachgiebig war also die Strenge seines Gerichts, wenn es sogar das heilige Opfer, das die Sünde trug, verzehrte! Gleichzeitig verkündigt der übrigbleibende Aschenhaufen der jungen Kuh aber auch, dass die Sünde nicht dem Sünder zur Last gelegt wird, sondern dass diese grosse Frage zwischen Christus und Gott für immer geregelt ist.
Drei Dinge wurden in das Feuer geworfen und mit dem Opfertier verbrannt (4. Mo 19,6):
- Zedernholz
- Ysop und
- Karmesin
Zedernholz stellt in der Schrift die Grösse des Menschen dar, Ysop aber seine Kleinheit. In diesen beiden äussersten Grenzen ist der ganze natürliche Mensch eingeschlossen, wie auch die beiden Extreme seiner Weisheit und seiner Erkenntnis (1. Kön 5,13). Das alles taugte nur für das Feuer. Der ganze Mensch, von welcher Seite man ihn auch betrachten mag, hat im Kreuz sein Gericht und sein Ende gefunden. Gott hat am Kreuz Christi aber auch die Welt verurteilt. Karmesin (andere übersetzen: Scharlach) ist hier ein Bild von der Herrlichkeit der Welt, von dem, was hier auf der Erde einen Namen hat und die Blicke der Menschen anzieht.
So begegnete also der Israelit, der sich verunreinigt hatte, schon am Anfang, bevor irgend ein Werk der Reinigung an ihm geschah, drei grossen Tatsachen, ohne welche seine Wiederherstellung unmöglich gewesen wäre, drei Tatsachen zu seinen Gunsten, die ohne sein Zutun entstanden und geeignet waren, ihn in den feierlichen Augenblicken, die er jetzt durchlebte, zu ermutigen. So zeigt Gott dem Gläubigen, der sich beim Gang durch die Welt verunreinigt hat, dass
- für seinen Zustand Sühnung geschehen und seine Sünde einem andern auferlegt worden ist
- er mit Christus gekreuzigt und
- die Welt ihm gekreuzigt ist
Noch eine Einzelheit wird hinzugefügt. Alle, die den verbrannten Leib der jungen Kuh berührten, wurden dadurch unrein bis an den Abend. Wie ist dies geeignet, das Bewusstsein von der Abscheulichkeit der Sünde in der Seele des Gläubigen zu vertiefen! Selbst der Wert des vollkommenen Opfers vermochte an der Grösse der Verunreinigung, die den Fehlbaren kennzeichnete, nichts zu ändern. Beachten wir anderseits (3. Mo 6,17-23), dass alle, die das Fleisch des Sündopfers berühren oder assen, heilig waren. Es handelte sich da um etwas «Hochheiliges». Wenn Gott sein Angesicht von einem zur Sünde gemachten Christus auch abgewendet hat, so war der Erretter darum nicht weniger hochheilig, und selbst im Augenblick seiner Darbringung das vollkommene Wohlgefallen für das Herz des Vaters. Nachdem die Sühnung vollbracht war, hat der Vater seine ganze Befriedigung in Ihm dadurch zum Ausdruck gebracht, dass Er Ihn auferweckte und Ihn zu seiner Rechten setzte.
Beachten wir nun, auf welche Weise sich die Wiederherstellung des Unreinen vollzog.
Ein reiner Mann sammelte die Asche der jungen Kuh, die sorgfältig aufbewahrt und bereitgehalten wurde. Wenn sich in der Folge ein Israelit durch einen Toten verunreinigte, nahm man von dieser Asche und goss in einem Gefäss Wasser darauf. Dann tauchte ein reiner Mann Ysop in dieses Wasser und besprengte damit das Zelt, die Geräte und den Unreinen selbst. Die Schrift selbst erklärt uns die Bedeutung dieses Sinnbildes. Das lebendige Wasser (Joh 7,38.39) ist der Heilige Geist, der durch das Wort Gottes in diesem Fall nicht das Blut auf die Seele anwendet, um sie zu waschen, sondern an die Leiden erinnert, die Christus unter dem Gericht Gottes ertrug, Leiden, durch die Gott den Menschen gerichtet und die Welt verurteilt hat. Seine Liebe, in der Er uns Christus gab, hat dieses Werk der Befreiung für uns vollbracht, damit wir Ihm gehörten und in seiner heiligen Gegenwart zu wandeln vermöchten. Diese sinnbildliche Handlung zeigt uns also in lebendiger Weise die Gewissensübungen, die nötig sind, damit ein Kind Gottes, das gesündigt hat, die Gemeinschaft mit seinem Vater wiederfindet. Ja, durch meine Nachlässigkeit habe ich diese Gemeinschaft verloren, nebst dem Heil das kostbarste Gut, das höchste Vorrecht, das der Gläubige besitzen kann. Ich habe ja das ewige Leben im Hinblick auf die Gemeinschaft empfangen (1. Johannes 1), die darin besteht, die Gedanken und die Freuden des Herzens Gottes in Bezug auf alle Dinge zu teilen! Umgekehrt, hätte ich mich nur darauf besonnen, diese Gemeinschaft zu bewahren, so wäre ich nicht nachlässig geworden und wäre dann instinktiv vor allem zurückgeschreckt, was vor Gott ein Gräuel ist. Hätte ich die Gemeinschaft bewahrt, so hätte ich auch Christus und sein Werk nach dem Wert eingeschätzt, den Gott Ihm beimisst. Ich wäre dieser Verunreinigung, um derentwillen Christus hat leiden müssen, ausgewichen; die Zuneigung zu Ihm hätte mich abgehalten, das zu berühren, was die Veranlassung zu seinen Leiden war!
Das war es, was die mit lebendigem Wasser vermischte Asche sinnbildlich dem Gewissen des verunreinigten Israeliten nahebrachte. Diese reinigende Besprengung führt notwendigerweise zur Beugung und bringt der Seele gleichzeitig den unendlichen Wert dessen zum Bewusstsein, was am Kreuz für sie vollbracht worden ist. Schliesslich lernt die wiederhergestellte Seele verstehen, dass sie keinerlei Vertrauen auf das Fleisch haben kann. Unsere Verfehlungen, die in der Gegenwart Gottes gerichtet werden, öffnen unsere Augen dafür, dass wir von uns selbst nichts zu erwarten haben, wie Gott es ja auch nicht tut. Hat Er doch am Kreuz die Sünde im Fleisch verurteilt. Wir erkennen dann, dass es sich für uns nicht darum handeln, den Entschluss zu fassen, nicht mehr zu sündigen. Solche menschlichen Entschlüsse führen zu nichts. Wir beugen uns dann vielmehr unter die Tatsache, dass der Mensch völlig verdorben ist. Nur so vermögen wir in der heiligen Freiheit und in der Kraft des neuen Menschen zu wandeln.
Man durfte zwischen der Verfehlung und der Wiederherstellung keine lange Zeit verstreichen lassen. Gott setzte eine Frist von drei Tagen, nach der das Wasser der Reinigung zum ersten Mal angewendet werden musste. Wer meint, durch das Bekenntnis seiner Sünde, im Augenblick der Verunreinigung, alles Erforderliche zu seiner Wiederherstellung getan zu haben, zeigt meistens eine mehr oder weniger oberflächliche Gesinnungsart. Und wer zögert, sich zu beugen, lässt sich durch diese Verzögerung das Gewissen abstumpfen. Satan redet ihm ein, die Verfehlung sei nicht so ernst, viele andere handelten ebenso – und das Herz fängt an sich zu beruhigen und die Schwere der Sünde zu vergessen. In vielen Fällen lässt ein solches Vergessen dem Feind den Zugang zu einem neuen Einfall offen. Auf einem solchen Weg hat der Wandel so mancher Christen sogar bis zum Ausschluss aus der Versammlung geführt: «Und wenn jemand unrein wird und sich nicht entsündigt, diese Seele soll ausgerottet werden aus der Mitte der Versammlung; denn er hat das Heiligtum des HERRN verunreinigt: Das Wasser der Reinigung ist nicht auf ihn gesprengt worden, er ist unrein» (4. Mo 19,20).
Der Unreine wurde zweimal, am dritten und am siebten Tage mit dem Wasser besprengt. Die Gemeinschaft verliert sich leicht; sie wiederzufinden ist schwerer. Die Demütigung ist noch nicht die Gemeinschaft; sie ist nur der Weg zu ihr. Zur Wiederherstellung war eine Zeitspanne von sieben Tagen nötig. Wenn wir vorher die Segnung einer Herzensverbindung mit dem Herrn genossen haben, möchten wir nach dem Sündigen sogleich wiederhergestellt werden. Wir möchten ohne Verzug die durch unsere Nachlässigkeit verlorene Kraft und auch den vertrauten Umgang mit dem Vater wiederfinden, der die Frucht eines ungetrübten Vertrauens ist. Aber es ist nicht so, es kann nicht so sein. Diese praktische Reinigung vollzieht sich nicht auf einmal, man muss darauf zurückkommen. Lasst uns dies wohl erwägen. Wenn uns die Kraft und die Freude der Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn kostbar ist, so wollen wir sie uns nicht rauben lassen. Auf der einen Seite ist ihr nichts zu vergleichen; auf der andern wird alles, was wir in der Welt finden, sie zerstören. Die Welt ist nur ein Fetzen Scharlach, der trotz seiner leuchtenden Fläche nur für das Feuer taugt. Sie ist im Grund nur der Ort der Gebeine, der Verwesung und der Gräber. Wenn unsere so leicht zu betörenden Herzen sich auf diesem verunreinigten Boden anschicken, leichtfertig dahinzuleben, werden wir sehr bald verunreinigt und müssen dann über den Verlust der Gemeinschaft klagen. Seien wir daher in allen Dingen sorgfältig auf der Hut! Lasst uns die Gemeinschaft mit Gott so hoch einschätzen, dass wir alles, was sie unterbrechen könnte, mit unserem ganzen erneuerten Wesen hassen.
- 1Es war ähnlich wie beim Sündopfer, nur musste das Blut dort an die Hörner des Altars getan und an den Fuss des Altars gegossen werden.