Die Wüstenwanderung (2)

4. Mose 5,1-8.11-13.16-18.22; 4. Mose 6,1-8.13-15

4. Die Reinigung des Lagers

(4. Mose 5,1-8.11-13.16-18a.22)

Die Israeliten sollten darüber wachen, «ihre Lager nicht zu verunreinigen». Warum das? – Das Wort unterstreicht es ausdrücklich: Weil der HERR in ihrer Mitte wohnte (Vers 3). Sich daran erinnern, sich immer unter den Blicken Gottes wissen, im Bewusstsein seiner Heiligkeit, würde uns vor manchem Fall bewahren.

Verschiedene Fälle werden uns vorgestellt. Zuerst solche, die einen Ausschluss aus dem Lager bedingten:

  • der Aussatz,
  • der Ausfluss,
  • die Berührung mit einer Leiche, wovon man sich nicht gereinigt hatte.

Der Aussatz ist ein Bild der Sünde, eine chronische Krankheit. Er kann sogar einen Gläubigen darstellen, den der Eigenwille kennzeichnet, was ihn zu schweren Fehltritten führt und ihn zu einem «Bösen» macht (1. Kor 5). Verkehrtheiten, die man nicht beachtet, können sich zu Aussatz oder Ausfluss entwickeln!

Der Ausfluss spricht von jemand, der die Regungen des Fleisches nicht zurückhalten kann, der sich selbst nicht unter Kontrolle hat, und aus diesem Grund einen schädlichen Einfluss auf andere ausübt. Aber nehmen wir uns davor in Acht: Man kann sich leicht auf einen solchen Weg verirren, wenn man sich selbst einem verderblichen Einfluss von aussen aussetzt, der uns zum Bösen verleitet. 1. Korinther 15,33 sagt uns: «Lasst euch nicht verführen: Böser Verkehr verdirbt gute Sitten.» Es ist wichtig, über unsere Freundschaften, selbst über unsere Geschäftsbeziehungen zu wachen und die Energie zu haben, sie abzubrechen, wenn sie mit dem christlichen Wandel nicht zu vereinbaren sind. «Werdet rechtschaffen nüchtern und sündigt nicht» (1. Kor 15,34).

Wer wegen einer Leiche unrein wurde, sollte sich reinigen, wie wir es im 19. Kapitel sehen werden. Wenn er es nicht tat, stand er in Gefahr, aus der Mitte der Gemeinde ausgerottet zu werden: er verunreinigte so das Heiligtum des HERRN (4. Mo 19,20). Der Tod ist der Lohn der Sünde, unter ihren zwei Gesichtspunkten der Gewalt und des Verderbens. Die Berührung mit einem Toten umfasst alle Äusserungen des Fleisches, unter anderem die Gemeinschaft mit denen, die kein Leben aus Gott haben und durch diese Gewalttätigkeit und Unreinheit gekennzeichnet sind. Der Umgang ist unvermeidlich (1. Kor 5,9-10), aber wachen wir darüber, dass wir uns nicht mit denen verbinden, die durch den «Tod» gekennzeichnet sind (2. Kor 6,14).

Die drei obgenannten Fälle zogen – wenigstens für eine Zeit – den Ausschluss vom Lager nach sich, eine aussergewöhnliche, sehr ernste Massnahme. Darf man dagegen über «alle Sünden der Menschen», die so leicht begangen werden, hinweggehen? Die Verse 5 bis 10 zeigen, wie man sich verhalten soll, wenn man seinem Bruder Unrecht getan hat. Vier Dinge werden hervorgehoben:

  • Sobald der Schuldige sich seiner Schuld bewusst wurde, sollte er die begangene Sünde bekennen (Vers 7). Das Bekennen ist auch für den Christen unerlässlich. Das gibt uns die Sicherheit der Vergebung und der Reinigung (1. Joh 1,9). Das Bekenntnis richtet sich einerseits an Gott, denn jede Untreue wurde gegen Ihn begangen, und anderseits an den, der durch unseren Fehltritt geschädigt wurde, damit die Gemeinschaft auch mit ihm wiederhergestellt sei.
  • Dann folgt die Rückerstattung. Wenn man jemandem etwas gestohlen hat, muss man es ihm zurückgeben. Anderes Unrecht muss wiedergutgemacht werden, was die Wirklichkeit der Buße und des Bekenntnisses beweist.
  • Der Schuldige, der den gestohlenen Gegenstand zurückerstattete, entzog sich dadurch nichts. Er hatte nur den rechtmässigen Besitz wiederhergestellt. Er musste daher noch «das Fünftel davon hinzufügen» und es dem geben, an dem er sich verschuldet hatte, Das Gewissen und das Herz des Gläubigen werden in jedem Fall zeigen, was «das Fünftel» bedeutet.
  • Endlich ist eine Wiederherstellung ohne die Sühnung durch das Opfer «der Versöhnung, um Sühnung zu tun», nicht möglich. Das 3. Buch Mose legt den Schwerpunkt auf das Opfer für die Sünde und für die Schuld. In 4. Mose, dem Buch der Verantwortlichkeit, werden vor allem das Bekenntnis und die Rückerstattung unterstrichen. Aber keine Wiederherstellung könnte stattfinden, ohne auf das Opfer Christi zurückzukommen. Wenn Gott «gerecht» ist, um zu vergeben (1. Joh 1,9), so ist Er es nicht gegenüber uns, sondern gegenüber Christus, dessen vollkommenes Opfer unsere Sünden weggenommen hat. Es ist wichtig, dass wir jedes Mal, wenn wir gefehlt haben, die ernste Erinnerung an das wiederbeleben, was es den Herrn Jesus gekostet hat, gerade diese Sünde zu tilgen. Das führt uns auch dahin, uns im Selbstgericht zu erforschen, warum wir diese Sünde verübt haben, und was der geheime Beweggrund für diese Beleidigung der Heiligkeit Gottes war.

Die Tat bekennen, die Ursache richten, die Sache zurückerstatten, das Fünftel hinzufügen, von neuem durchdrungen sein vom Gedanken an den Preis, den Christus bezahlte, um unsere Vergehungen auszutilgen, – das führt uns in den vollen Genuss des göttlichen Lichts zurück.

Das Ende unseres Kapitels spricht von dem, der sich im Geheimen abwendet. Das Herz wird von verbotenen Dingen angezogen. Niemand hat davon etwas gesehen …, ausser Gott. Das Ende des Lebens des Königs Salomo wurde verdunkelt, weil er «viele fremde Frauen liebte». Jakobus bezeichnet die Freundschaft der Welt als Ehebruch (Jak 4,4).

Die schuldige Frau sollte sich «vor den HERRN stellen» (Verse 18 und 30). Nur die Rückkehr in die Gegenwart Gottes bringt den Zustand des Herzens ans Licht und führt uns dazu, ihn zu richten. Sie musste das heilige Wasser trinken, in das Staub vom Fussboden der Stiftshütte geschüttet worden war (Vers 17). Spricht dieses Wasser nicht vom Heiligen Geist, der die Erinnerung an den Tod des Herrn Jesus auf Herz und Gewissen anwendet? («In den Staub des Todes legst du mich» Ps 22,16). Diese Wasser der Bitterkeit rufen eine tiefe Übung hervor, die zu einer vollständigen Reinigung und Wiederherstellung führen kann. Leider bleiben die Warnungen des Wortes und des Heiligen Geistes, selbst die Erinnerung an die Leiden Christi, manchmal ohne Wirkung: die Selbstsucht (der aufgeschwollene Bauch, Phil 3,19; Röm 16,18) und der schwankende Wandel (geschwundene Hüfte, Vers 27) werden offenbar.

«Behüte dein Herz mehr als alles, was zu bewahren ist; denn von ihm aus sind die Ausgänge des Lebens» (Spr 4,23).

5. Das Nasiräertum

(4. Mose 6,1-8; 13-15)

Um sich dem HERRN zu weihen, war es nicht erforderlich, zum Stamm Levi zu gehören. Jeder Mann und jede Frau aus Israel konnte das Gelübde eines Nasirs geloben. Dazu gab es keinen Zwang; es war die Entscheidung eines Herzens, das den Wunsch hatte, für seinen Gott abgesondert zu sein. Es handelte sich dabei auch nicht um eine gemeinschaftliche Sache, sondern vielmehr um eine höchst persönliche Einstellung, um ein «Gelübde», bei dem sich der ganze Mensch verpflichtete. Die Berufung zum Dienst des Herrn ist eine andere Sache; sie wird zu ihrer Zeit kommen. Aber in der Zwischenzeit ist es der einzige Wunsch der Seele, für ihren Herrn da zu sein, Ihm zur Verfügung zu stehen (Röm 12,1.2).

Die Schrift redet von Nasiräern, die es ihr ganzes Leben lang waren: Simson, Samuel, Johannes der Täufer. Der 13. Vers unseres Kapitels zeigt indessen, dass das Nasiräertum zeitlich begrenzt sein konnte. Kann es während des Lebens des Gläubigen nicht ein oder mehrere Zeitabschnitte geben, in denen er sich ganz besonders für den Herrn abgesondert fühlt? Da ist ein Bruder, der während zwei Jahren einzig die Bibel zu seinem Lesestoff hatte. Ein anderer, der durch Krankheit für eine Zeit auf die Seite genommen wurde, wollte alles aus seinen Beschäftigungen ausschliessen, was sich nicht auf den Herrn und die Gemeinschaft mit Ihm bezog (Wort Gottes, Gebet, Werke nach der Schrift usw.). Die geistlichen Fortschritte, die sich daraus ergaben, kennzeichneten ihr Leben. Der eine stand später ganz im Dienst des Herrn, der andere war wieder für seine Familie da und ging in Abhängigkeit von Ihm seinen Geschäften nach.

Das höchste Vorbild des Nasiräertums war Christus selbst, «heilig, unschuldig, unbefleckt, abgesondert von den Sündern» (Heb 7,26). Sein einziger Wunsch war, den Willen dessen zu tun, der Ihn gesandt hatte und sein Werk zu vollbringen (Joh 4,34).

Der Nasiräer zeichnete sich durch drei Dinge aus:

  • Er sollte weder Wein noch starkes Getränk trinken und sich von allem enthalten, was vom Weinstock bereitet wird (Verse 3 und 4). Der Wein spricht von den Freuden der Erde in allen ihren Formen. Wer sich für Gott abzusondern wünscht, ganz besonders im Blick auf den Dienst für Ihn, wird dazu kommen, manche Dinge zu lassen, die für einen gewöhnlichen Christen normal wären. Die Absonderung vom Bösen, von Unreinheit, von Unbeherrschtheit, ist eine Notwendigkeit für jeden Gläubigen. Um dieses handelt es sich hier nicht. Der Nasir setzte nicht nur den Wein und die starken Getränke beiseite, sondern alles was vom Weinstock kam, «von den Kernen bis zur Hülse»: nicht nur das, was unrein ist in den Freuden dieser Welt, sondern alle rein irdischen Genüsse, die ihn vom Anhangen und der Hingabe an den Herrn ablenken könnten.
  • Während allen Tagen seiner Weihe sollte der Nasir seine Haare wachsen lassen. Das war für den Mann eine Unehre (1. Kor 11,14). Jedermann konnte es feststellen: Das Gelübde war ein Geheimnis zwischen dem Israeliten und seinem Gott; die Auswirkungen aber offenbarten sich nach aussen hin, und der Nasir nahm die damit verbundene Unehre auf sich. Der Christ ist berufen, ein Brief Christi zu sein, «gekannt und gelesen von allen Menschen» (2. Kor 3,2.3). Das für alle sichtbare Zeugnis ist die Folge des inneren, geistlichen Lebens, gibt aber auch Anlass zu Schmach vonseiten «derer, die verloren gehen» (2. Kor 2,15). Deshalb weist der Apostel auf das hin, was bei uns vorhanden sein muss: «Diese Gesinnung sei in euch, die auch in Christus Jesus war, der … in seiner Gestalt wie ein Mensch erfunden, sich selbst erniedrigte, indem er gehorsam wurde» (Phil 2,5-8). Er konnte sagen: «Ich aber bin ein Wurm und kein Mann, der Menschen Hohn und der vom Volk Verachtete» (Ps 22,7). Wie sehr hat Er dies empfunden, als Er ausrief: «Der Hohn hat mein Herz gebrochen» (Ps 69,21)!
  • Schliesslich sollte der Nasir in keinerlei Berührung mit einer Leiche kommen, nicht einmal in seiner eigenen Familie. Das erinnert uns an Lukas 14,26 und 9,57-62. Zu wie vielen Opfern, sogar im Kreis der Familie, werden die wahren Diener des Herrn, die ganz in seinem Dienst stehen, berufen! Zudem soll sich derjenige, der sich für Ihn abzusondern wünscht, vor allen Verunreinigungen der Sünde, den Früchten des Fleisches, hüten. Ohne praktische Heiligkeit kann es im Dienst Gottes und im Wandel keine Kraft geben. Klagelieder 4,7 erinnert an diese Reinheit der Nasiräer in Israel: «Ihre Fürsten (oder Nasiräer, Fussnote) waren reiner als Schnee, weisser als Milch.»

Wenn es in unserer Umgebung Gläubige gibt, die sich so als «Nasiräer» auszeichnen, dann haben wir uns davor zu hüten, ihnen ein Fallstrick zu sein. Der Prophet erinnert daran, wie der HERR «Propheten erweckt hat aus euren Söhnen und Nasiräer aus euren Jünglingen» und verschweigt nicht, was ihre Nächsten ihnen getan haben: «Ihr habt den Nasiräern Wein zu trinken gegeben!» (Amos 2,11.12). Welch schreckliche Verantwortung laden die auf sich, die ihren Brüdern – in deren Herzen der Herr diesen ganz besonderen Wunsch, sich für Ihn abzusondern, gelegt hat – auf diese Weise ein Anlass zum Fall sind!

Wenn es vorkam, dass der Nasir «das Haupt seiner Weihe verunreinigte», so waren die vorigen Tage verfallen (Vers 9-12). War er deshalb von jeder neuen Möglichkeit, sich für Gott abzusondern, ausgeschlossen? Nach sieben Tagen der Übung sollte er sein Haupt scheren. Damit zeigt er, dass das frühere Zeugnis verdorben worden war. Aber es gab einen achten Tag. Er brachte dem Priester zwei Turteltauben, die eine zum Sündopfer, die andere zum Brandopfer; Sühnung wurde für ihn getan. Dann brachte er ein einjähriges Lamm zum Schuldopfer herbei und konnte von neuem «die Tage seiner Absonderung für den HERRN absondern». Wenn im Leben eines Gläubigen ein tiefer Fall eingetreten ist, der es doch im Herzen gehabt hätte, für Gott abgesondert zu sein, so ist die Folge immer ein Verlust. Aber die Gnade kennt den «achten Tag»: Es darf darin eine Wiederherstellung erfolgen, eine kostbare Erneuerung der Gemeinschaft mit dem Herrn und des Dienstes für Ihn. Voraussetzung dafür ist, dass die Verurteilung des Fehlers und das Selbstgericht gründlich sind (sieben Tage!) und dass die Seele ein ganz besonderes Bewusstsein vom Wert des Werkes Christi wiedergefunden hat.

Nachdem die Tage seiner Absonderung beendigt waren, brachte der Mensch dem HERRN alle Opfer dar. Bildlich reden sie davon, dass er in dieser Zeit viel tiefer als früher in alle Seiten des Werkes am Kreuz eingedrungen ist. Auf seine Hände war die Opfergabe gelegt worden, und danach mochte der Nasir Wein trinken (Vers 20). Das ist ein Bild der völligen Freude, die im Himmel die Herzen derer erfüllen wird, die während ihres irdischen Lebensweges gewünscht haben, für Ihn abgesondert zu sein.