Das volle Heil in Christus Jesus (1)

Römer 8,1-13

Der Römerbrief beschreibt uns, besonders in seinen ersten acht Kapiteln, die Grundwahrheiten des Evangeliums, das volle Heil in Christus Jesus. Er beginnt mit der Schilderung des völlig verdorbenen Zustandes des Menschen in sittlicher Hinsicht. Sowohl Juden als Griechen – das heisst die Menschen aus den Nationen – sind unter der Sünde, und die ganze Welt ist dem Gericht verfallen.

Ab Kapitel 3,21 wird dann die Erlösung in Christus Jesus beschrieben, und zwar bis Kapitel 5,11 hinsichtlich unserer Sünden, ab Kapitel 5,12 hingegen bezüglich der in uns wohnenden Sünde, der Wurzel, aus der die Sünden hervorkommen.

Kapitel 7 beginnt mit der Feststellung, dass der Gläubige durch den Leib des Christus dem Gesetz getötet, also davon losgemacht ist. Dieses Kapitel zeigt aber auch an einem Beispiel, was daraus entsteht, wenn ein Mensch erweckt wird und neues Leben empfängt, aber weder die Befreiung in Christus Jesus vom Gesetz und von der Macht der Sünde kennt, noch die Kraft und Hilfe des Heiligen Geistes besitzt. Er gerät in tiefe Seelennot, denn er muss feststellen, dass er unter die Sünde verkauft ist (Röm 7,14). Er nimmt immer wieder einen Anlauf, nur das Gute auszuüben und die Forderungen des Gesetzes zu erfüllen, aber jedes Mal muss er feststellen: «Nicht das, was ich will, tue ich, sondern was ich hasse, das übe ich aus» (Röm 7,15). Er kommt zu der traurigen Einsicht: «Ich weiss, dass in mir, das ist in meinem Fleisch, nichts Gutes wohnt» (Röm 7,18). – Sobald er aber bei diesem Tiefpunkt angelangt ist und ausruft: «Ich elender Mensch! Wer wird mich retten von diesem Leib des Todes?» wird es ihm geschenkt, auf Jesus Christus und auf das Heil in Ihm zu blicken. Da endlich erkennt er die Befreiung in Ihm. Sein Danken beweist es; er sagt: «Ich danke Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn!» Diese Befreiung, die schon in den Kapiteln 5 und 6 behandelt wird und deren herrliche Ergebnisse im 8. Kapitel zusammengefasst werden, ist in Christus Jesus das Teil aller wiedergeborenen Christen, die seinen Geist besitzen, auch wenn sie es nur schwach erkennen und im praktischen Leben recht mangelhaft verwirklichen. Sie kommt nicht durch eigene Anstrengung zustande, sondern ist einzig und allein die Frucht des Werkes Christi und kann nur durch den Heiligen Geist verwirklicht werden. Sie ist nicht eine Sache des Gefühls; der Glaube stützt sich auf die klaren Belehrungen des Wortes und lebt sie aus.

Der Grund dafür, dass viele Kinder Gottes die Befreiung so wenig kennen und darin wandeln, liegt wohl darin, dass sie noch nicht erfahrungsgemäss zur Erkenntnis der Verdorbenheit ihres Fleisches gelangt sind, wie die Seele in Römer 7 oder wie Hiob, der gerechte und gottesfürchtige Mann. Nach vielen schmerzlichen Erfahrungen erst brach bei ihm die eigene Meinung vom «Guten in ihm» völlig zusammen und in tiefer Überzeugung sagte er nun: «Ich verabscheue mich und bereue in Staub und Asche» (Hiob 42,1-6). Gleichzeitig sah er jetzt Gott und seine Gnade in einem neuen Licht und wollte darüber noch besser belehrt werden. Jede aufrichtige, gläubige Seele, die in ihren tiefen Übungen bei diesem Ergebnis anlangt, ist zubereitet, um zum Herrn aufzublicken und von Ihm durch das Wort Belehrung über das volle Heil und die Befreiung in Ihm zu empfangen.

Die Wahrheit des letzten Verses im 7. Kapitel, dass im Gläubigen, bis zum Ende seines Lebens hier auf der Erde, zwei Naturen sind: das «Fleisch» und das neue Leben «im Geist», ist kein Hindernis für die Verwirklichung der Befreiung; das wird uns im 8. Kapitel gezeigt.

Im 8. Kapitel können wir drei Teile sehen:

  1. Gott mit uns (Verse 1-13). Hier wird der Heilige Geist vom Leben, das Gott hervorgebracht hat, nicht unterschieden. Der Zustand der Seele, der daraus resultiert, wird als Ganzes betrachtet und «im Geist» genannt.
  2. Gott in uns (Verse 14-27). Die Gegenwart des Heiligen Geistes als Person in uns. Hier wird Er vom neuen Leben unterschieden.
  3. Gott für uns (Verse 28-39). Die Sicherheit, die uns durch diese Tatsache garantiert ist.

Gott mit uns (Verse 1-13)

Der 1. Vers nimmt auf das 5. Kapitel Bezug. Für uns, die «aus Glauben», «durch Christi Blut» gerechtfertigt und durch seinen Tod «mit Gott versöhnt» worden sind, ist keine Verdammnis mehr. Das ist unsere Stellung. Wir sind in Christus, in seiner Gerechtigkeit, und stehen vor Gott auf dieser Erde in dem, was Christus bezüglich der Erlösung unserer Seele und unseres Leibes für uns ist und für uns getan hat. Im Epheserbrief dagegen, wo wir die Ausdrücke «in Christus», «im Herrn», «in ihm» so oft finden, werden wir als solche betrachtet, die in dem Wert seiner Person Gott angenehm gemacht und in Ihm in die himmlischen Segnungen und Örter eingeführt sind.

Der 2. Vers knüpft an die Belehrungen des 6. Kapitels an: Durch den Tod Christi, mit dem wir eins gemacht sind, sind wir der Sünde gestorben. Gleichzeitig haben wir aber auch in Ihm, unserem auferstandenen Herrn, von Gott die Gnadengabe des ewigen Lebens empfangen. Wir sollen uns daher der Sünde für tot halten, Gott aber lebend in Christus Jesus.

Der Ausdruck «Gesetz» hat in diesem Vers den Sinn von: unabänderlicher Grundsatz, der fortwährend in derselben Weise wirkt. Der «Geist des Lebens» war in Christus Jesus wirksam. Nach vollendetem Werk, als Sieger über Tod und Grab, hat Er auch uns sowohl das Leben als auch den Geist, die Kraft dieses Lebens, mitgeteilt.

Im 3. Vers werden wir an die im 7. Kapitel beschriebenen Erfahrungen erinnert. Das Gesetz hat nur die Kraftlosigkeit des Menschen in seinem natürlichen Zustand erwiesen. Aber Gott hat das dem Gesetz Unmögliche in uns zustande gebracht: seinen geliebten Sohn hat Er als Mensch zu uns gesandt in einem Leib, der unserem Leib – bei uns ein «Fleisch der Sünde» – gleichgestaltet, jedoch heilig und rein war; denn «Sünde war nicht in ihm». Sein heiliger Leib wurde am Kreuz mit unseren Sünden beladen, und Christus wurde dort für uns «zur Sünde» gemacht. An Ihm, als Er «im Fleisch» war, hat Gott das schreckliche Gericht über die Sünde vollzogen. Er hat am Kreuz nicht nur unsere Sünden getragen und dafür gelitten, sondern wurde dort stellvertretend auch wegen unseres sündigen Zustandes, der Wurzel der Sünde in uns, zur Verantwortung gezogen und gerichtet.

Dadurch hat Gott die Möglichkeit geschaffen (Vers 4), dass in uns, den Befreiten, in dem neuen Zustand des Lebens und der Kraft des Geistes, die gerechte Forderung des Gesetzes, dem das kraftlose Fleisch nicht entsprechen konnte, nun erfüllt wird. Sie gipfelte darin: Gott aus ganzem Herzen lieben und den Nächsten wie sich selbst (Lk 10,27). Der Gläubige steht, Gott sei Dank, nicht unter Gesetz; aber das, was es beim Menschen vergeblich gesucht hatte, wird nun bei ihm in dem Mass zu finden sein, als er «nicht nach dem Fleisch, sondern nach dem Geist wandelt.» Die Frucht des Geistes in uns ist «Liebe …» (Gal 5,22). «Jeder, der liebt, ist aus Gott geboren» (1. Joh 4,7).

In den Versen 5-8 werden zwei Gruppen von Personen, die eine im Zustand des Geistes – als «im Geist» – und die andere im natürlichen Zustand des Fleisches – als «im Fleisch» – einander gegenübergestellt. Jede Gruppe hat ihre besondere Gesinnung, ihre Zuneigung. In diesen Versen wird vom Fleisch dreierlei ausgesagt:

  1. Die Gesinnung des Fleisches ist der Tod.
  2. Die Gesinnung des Fleisches ist Feindschaft gegen Gott. Das ist vielleicht nicht jedem verständlich. Jemand wird sagen: Ich habe doch Gott noch nie gehasst! Aber wenn du noch «im Fleisch» bist und in der Gesinnung des Fleisches wandelst, die dem Gesetz Gottes nicht untertan sein kann, so widerstreitest du doch ständig der Gesinnung des Geistes und dem Wirken Gottes.
  3. Die, die im Fleisch sind, vermögen Gott nicht zu gefallen.

Im Gegensatz dazu ist die Gesinnung des Geistes «Leben und Frieden». Der nach dem Geist wandelnde Gläubige ist in Übereinstimmung mit dem Willen Gottes und geniesst daher seinen Frieden.

Der Erlöste ist durch den Glauben an Christus aus dem Zustand des «Fleisches» in den Zustand des «Geistes» versetzt worden (Vers 9); denn Gottes Geist wohnt jetzt in ihm. – Der Heilige Geist erfüllte Christus; seine Frucht fand im Leben des «Gesalbten» vollkommenen Ausdruck; deshalb wird Er hier «Geist Christi» genannt. Wie bei Christus in seiner Menschheit, so soll es auch bei den Seinen sein.

In den Versen 10 und 11 wird der Geist dem Leib gegenübergestellt. Der Leib des Menschen steht wegen der in ihm wohnenden Sünde unter dem Urteil des Todes und ist noch nicht erlöst. Auch die Gläubigen müssen, wenn der Herr noch ausbleibt, durch den Tod gehen. Aber, wie tröstlich! Weil der Geist des Lebens in ihnen wohnt, wird Gott, wie Er es bei Christus getan hat, auch ihre sterblichen Leiber lebendig machen. Das ist, gestützt auf das Heil in Christus, ein Akt der Gerechtigkeit.

Der in uns wohnende Heilige Geist ist das Unterpfand, die Garantie dafür, dass unser Leib der Niedrigkeit verwandelt werden wird zur Gleichförmigkeit mit seinem Leib der Herrlichkeit.

Da wir durch das Heil in Christus so völlig aus unserem alten Zustand des Fleisches herausgenommen worden sind, so haben wir keinerlei Verpflichtung mehr gegenüber unserem alten Leben, in dem wir unter der Sünde geseufzt haben. (Verse 12 und 13). Vielmehr sind wir jetzt schuldig. nach dem Geist zu wandeln. Gott erwartet von uns, dass wir das Fleisch, das ja «mitgekreuzigt» ist, nicht mehr wirken lassen und jede seiner Regungen in der Kraft des Geistes verurteilen und im Keim «töten». Sie dürfen sich nicht zu Handlungen des Leibes ausreifen. Als «Lebende aus den Toten» sollen wir die Glieder unseres Leibes Gott zu Werkzeugen der Gerechtigkeit darstellen. Der Erlöste kann das neue Leben nicht mehr verlieren, er kann nicht mehr «sterben»; aber wenn er nicht wacht und nach dem Fleisch lebt, so stellt er sich doch auf den Weg, der zum Tod führt.

Hier sei noch eine wichtige Bemerkung angefügt: Um die so überaus praktische Lehre von der Befreiung im täglichen Leben zu verwirklichen, muss unser Auge auf Jesus in der Herrlichkeit gerichtet und unser Herz von Ihm erfüllt sein, sonst werden wir trotz aller schriftgemässen Belehrung den alten Weg des Fleisches einschlagen.