Das volle Heil in Christus Jesus (2)

Römer 8,14-39

Gott in uns (Verse 14-27)

Die Leitung des Geistes Gottes im praktischen Leben ist das Kennzeichen der Söhne Gottes (Vers 14), eine wichtige Wahrheit für unseren Wandel, die wir fortwährend und in wachsendem Mass verwirklichen dürfen, je besser wir die Gedanken Gottes kennen.

Obwohl der Heilige Geist unseren ganzen Menschen erfüllen und regieren will, so ist Er doch nicht ein Geist der Knechtschaft, unter den das Gesetz mit seinen Forderungen die Menschen stellt (Vers 15). Er ist ein Geist der Sohnschaft, durch den wir das innigste und vertrauteste Verhältnis mit Gott als unserem Vater geniessen können. Wie unser Herr Jesus als Mensch zu Ihm sagte: «Abba, Vater!» (Mk 14,36), so dürfen auch wir es tun! Wie freute es unseren Herrn, den Jüngern nach seiner Auferstehung sagen zu können: «Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater, und zu meinem Gott und eurem Gott» (Joh 20,17)!

Unser eigener, durch Gott erleuchteter Geist hat aufgrund des Wortes erkannt, dass wir Kinder Gottes sind (Vers 16); aber auch der Geist Gottes in uns bezeugt es uns immer wieder. – Echte Kinder sind aber auch Erben. So sind auch wir nicht nur Kinder, sondern auch Erben Gottes und daher Miterben Christi (Vers 17), den Gott zum Erben aller Dinge gesetzt hat. Auch hier wieder hat Gott unser Teil mit dem Teil Christi verknüpft, der durch seinen vollkommenen Gehorsam als Mensch ein volles Anrecht auf dieses alles umfassende Erbe hat. – Aber nicht nur in der Zukunft, wo wir mit Ihm erben und mit Ihm verherrlicht werden, auch jetzt haben wir teil mit Ihm, indem wir mit Ihm unter dem Zustand leiden, in dem die Welt sich noch befindet, und uns mit Ihm nach dem Augenblick sehnen, wo Er persönlich in den Besitz seines Erbes eingesetzt wird.

Die «Leiden der Jetztzeit» (Vers 18), in denen nicht nur die Leiden mit Christus, sondern auch die Leiden unseres schwachen Leibes und die Leiden für Christus – als Folgen eines treuen Zeugnisses für Ihn – eingeschlossen sein mögen, kommen vielen Kindern Gottes manchmal gross und schier unerträglich vor. Aber selbst der Apostel, der in 2. Kor 11,23-33 alle Leiden aufzählt, durch die er hindurchgehen musste, kann hier sagen, dass sie nicht wert seien, verglichen zu werden mit der zukünftigen Herrlichkeit, die an uns offenbart werden soll. Wie unfasslich gross muss also diese Herrlichkeit sein! In unserem Kapitel steht sie mehr in Verbindung mit der Befreiung der Schöpfung – eine ihrer Seiten, an die wir vielleicht zu wenig denken.

Die «Offenbarung der Söhne Gottes» in Herrlichkeit vor der Welt (Verse 19-22) beginnt kurz vor der Aufrichtung des Tausendjährigen Reiches (2. Thes 1,7-10) und währt bis an dessen Ende. Sie ist der Auftakt zur Befreiung der Schöpfung, die um der Sünde willen, die durch den ersten Menschen in die Welt gekommen ist (Röm 5,12-21), der Nichtigkeit unterworfen wurde und unter die Knechtschaft des Verderbens geraten ist. Die Pflanzen, die Tiere und die Menschen leiden unter dieser Knechtschaft; ihre Krankheiten nehmen überhand und ihre Widerstandskraft nimmt ab; es sind immer grösser Anstrengungen nötig, um sich dagegen zu wehren; die Nöte der Schöpfung werden hier sogar mit Geburtswehen verglichen, deren man sich nicht erwehren kann.

So wartet denn das sehnsüchtige Harren der Schöpfung auf die Offenbarung der Söhne Gottes. Gewiss, der unvernünftige Teil der Schöpfung weiss nichts von dieser Hoffnung, auch die unbekehrten Menschen nicht; und selbst wenn diese die Verheissungen des Wortes kennen und glauben würden, so hätten sie kein Verlangen nach dieser Offenbarung, die doch ihr Gericht bedeutet. Aber Gott selbst hört den sehnsüchtigen Schrei der Schöpfung nach Befreiung und weiss, dass Er ihm dann entsprechen kann.

Auch wir selbst, die doch zu jenen «Söhnen Gottes» gehören, die in Herrlichkeit offenbart werden, seufzen noch in uns selbst (Vers 23), da unser Leib noch nicht erlöst und daher noch mit dieser seufzenden Schöpfung verbunden ist. Als solche, die die «Erstlinge des Geistes» besitzen, haben wir schon eine innere Befreiung erlebt und erwarten nun noch die Erlösung und Verwandlung unseres Leibes, die unsere Sohnschaft vollkommen machen. Auch in Jakobus 1,18 werden wir «eine gewisse Erstlingsfrucht der Geschöpfe Gottes» genannt; wohl im Gegensatz zu der grossen Ernte am Ende der Tage, wo Gott seinen Geist ausgiessen wird über alles Fleisch (Joel 3,1). Alles dieses, sowohl die Erlösung unseres Leibes, die beim Kommen unseres Herrn vollendet wird, als auch unser Offenbarwerden als Söhne Gottes und vieles andere, ist noch zukünftig (Verse 24.25). Wir sind in dieser Hoffnung errettet worden. Im gewöhnlichen Sprachgebrauch drückt das Wort Hoffnung eine ungewisse Erwartung aus. Unsere Hoffnung aber stützt sich auf das Wort und die Treue Gottes. Wir sind daher der Errettung unserer ganzen Person, also auch unseres Leibes, völlig gewiss und warten mit Ausharren.

Die Schwachheit unseres jetzigen Zustandes im Leib ist so gross, dass wir oft nicht wissen, was wir bitten sollen, wie es sich gebührt (Verse 26.27). Aber – wie tröstlich! – der in uns wohnende Geist nimmt sich unserer Schwachheit an und verwendet sich für uns in unaussprechlichen Seufzern und tut es «Gott gemäss». Gott, der die Herzen erforscht, weiss, was der Sinn des Geistes ist und antwortet nach seiner Weisheit und Macht. – Ein Bild mag uns dies deutlich machen: Ein Säugling vermag nur unartikulierte Laute von sich zu geben. Aber seine Mutter erkennt daraus seinen Zustand und seine Bedürfnisse; sie weiss, wann er Hunger hat, wann er müde ist, wann er etwas erzwingen will, wann er sich wohlfühlt; sie wird ihm zu dem, was ihm gut ist, verhelfen.

Der Geist also ist uns behilflich,

  • die Handlungen des Leibes zu töten (Vers 13);
  • er leitet die Söhne Gottes hier auf der Erde (Vers 14);
  • er zeugt mit unserem Geist, dass wir Kinder Gottes sind (Vers 16);
  • er hat uns die «Erstlinge des Geistes» gegeben (Vers 23);
  • er ist die Stütze für unsere Schwachheit (Vers 26).

Gott für uns (Verse 28-39)

Dass Gott für uns ist, ist die Garantie für unsere Sicherheit – diese Tatsache haben wir schon festgestellt.

Der Glaube weiss, dass denen, die Gott lieben – der Charakterzug der Kinder Gottes – alle Dinge, die ihnen begegnen, zum Guten mitwirken (Vers 28). Gott ist so sehr für uns, sein Interesse an uns so gross, dass Er die Umstände von jedem überwacht und selbst die geringsten Einzelheiten des Weges zur Erreichung seiner Ziele hinsichtlich unserer Erziehung benützt. Worin besteht das «Gute» oder das «Ziel», das Er mit uns erreichen will? In Hebräer 12,10 wird es mit den Worten umschrieben: «Damit wir seiner Heiligkeit teilhaftig werden.» Hier aber wird es mit der wunderbaren Tatsache verbunden, dass wir einst nach Geist, Seele und Leib dem Bild seines Sohnes, in der Gestalt des verherrlichten Menschen, gleichförmig sein werden (Vers 29). Dass wir dem Wesen nach jetzt schon nach demselben Bild, von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, verwandelt werden, geht auch aus 2. Korinther 3,18 hervor.

Beachten wir: Es steht hier nicht, wir seien zuvor bestimmt, «seinem Sohn gleichförmig zu sein», sondern dem Bild seines Sohnes. Gott wacht mit Eifer darüber, dass die Vorrangstellung seines Sohnes gewahrt wird. Aus diesem Grund wird Er hier «der Erstgeborene unter vielen Brüdern» genannt. Auch in dieser Bezeichnung kommt einerseits die innige Verbundenheit mit uns, anderseits aber auch seine Vorrangstellung zum Ausdruck. So wird zum Beispiel von Israel gesagt: «Mein Sohn, mein Erstgeborener, ist Israel» (2. Mo 4,22); Gott gab ihm den ersten Platz unter den Völkern, obwohl andere Nationen (zum Beispiel Ägypten) vor ihm bestanden haben. In Kolosser 1 wird unser Herr auch «der Erstgeborene aller Schöpfung» und «der Erstgeborene aus den Toten» genannt.

So hat Gott also seinen ewigen Vorsatz trotz des Widerstandes des Feindes, trotz der Sünde, die mit allen ihren Folgen in die Welt gekommen ist, durch die Erlösung in Christus Jesus zur Ausführung gebracht (Vers 30): Die Menschen, die Er zuvor bestimmte, dem Bild seines Sohnes gleichförmig zu sein, hat Er berufen, gerechtfertigt und verherrlicht.

Angesichts des unfassbaren Reichtums einer solchen Gnade im Herzen Gottes, die sich von ihren Vorsätzen nicht abbringen lässt, von Ewigkeit zu Ewigkeit währt und in der Hingabe seines eigenen Sohnes ihre volle Offenbarung gefunden hat, stellt der Apostel die Frage: «Was sollen wir nun hierzu sagen? Wenn Gott für uns ist, wer gegen uns?» (Verse 31.32).

Kann da im Blick auf gegenwärtige Schwierigkeiten und Nöte noch irgendwelche Furcht im Herzen bestehen bleiben? Nicht nur die Zukunft, auch die Gegenwart ist für uns gesichert. – Uns, die wir durch die Sünde alles verscherzt und nur den Tod verdient hatten, wurde durch die Hingabe Jesu nicht nur das Leben geschenkt und ein ewiges, herrliches Teil droben. Aufgrund des Heils in Ihm schenkt uns Gott auch für die Jetztzeit, zu einem Wandel in Gottesfurcht und treuem Zeugnis alles, was wir in diesem Leib benötigen. Selbst jedes Stück Brot, das unseren Hunger stillt, gibt Er uns «mit ihm».

Aber zeugt unser Leben nicht davon, dass wir im Wandel hier auf der Erde und inmitten der Schwierigkeiten des Weges unserer hohen Berufung so oft untreu sind und es an der nötigen Wachsamkeit fehlen lassen? Ist das nicht Grund genug zu einer berechtigten Anklage vor Gott? (Verse 33.34). Bringt das unsere Rechtfertigung nicht ins Wanken? – Satan, der Verkläger der Brüder (Off 12,10) meint es, und bei vielen Christen gelingt es ihm nur zu leicht, durch solche Fragen ihre Heilssicherheit zu erschüttern. Aber Gott selbst, der Richter aller, der oberste Gerichtshof, hat in voller Wahrung seiner Gerechtigkeit und Heiligkeit, aufgrund des Opfers Christi, der für uns gestorben, auferstanden und verherrlicht ist, die Rechtfertigung über uns ausgesprochen. Wer kann uns da noch verdammen?

Noch mehr, auch Christus sitzt jetzt auf dem Thron der Macht und der Gnade und verwendet sich dort für uns. Wenn wir vor jenen Thron treten, sendet Er uns als Hoherpriester rechtzeitig Hilfe für den Weg. Haben wir aber gefehlt und uns verunreinigt, so ruht Er als unser Sachwalter nicht eher, als bis wir uns dessen bewusst werden, uns darüber beugen, die Sünden bekennen und die Gemeinschaft mit dem heiligen Gott wieder geniessen können. – Der Heilige Geist verwendet sich hier auf der Erde für uns, Christus tut es droben und Gott, der uns selber auserwählt und gerechtfertigt hat, wird seinen Vorsatz zu Ende führen und uns schliesslich verherrlichen – welche Sicherheit!

Gibt es nicht noch andere Dinge, die uns von der Liebe Christi scheiden könnten? – Zur Beantwortung dieser Frage werden hier alle Leiden und Nöte aufgezählt, denen wir in dieser verfluchten, sündigen und feindlichen Welt begegnen können. Auch Christus ist als Mann der Schmerzen durch dieses alles gegangen; und wenn wir in Zeiten der Verfolgung sogar wie Schafe für die Schlachtbank bestimmt wären, so würde Er uns in allen diesen Prüfungen und Trübsalen die tröstliche Gewissheit seines vollkommenen Mitgefühls erhalten. Das gibt dem Herzen Kraft, alles zu ertragen. Der Apostel, dem man immer wieder nach dem Leben trachtete und der eine Unzahl dieser Leiden zu erdulden hatte, konnte aus Erfahrung sagen: «In diesem allen sind wir mehr als Überwinder durch den, der uns geliebt hat.»

In den beiden letzten Versen des Kapitels gibt der Apostel seiner Überzeugung Ausdruck, dass auch die ausserordentlichen Dinge, die er darin aufzählt, uns nicht von der Liebe Gottes zu scheiden vermögen, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn. Geht es um die gewöhnlichen Dinge, denen der Christ auf seinem Weg begegnen kann, dann wird er der Liebe Christi gegenübergestellt, der vor uns durch diese Leiden hindurchging. Angesichts der ausserordentlichen Dinge aber erweist sich Gott in seiner Liebe, die in Christus Jesus ihren vollkommenen Ausdruck gefunden hat, weit erhaben über sie.

Alle in den Versen 38 und 39 aufgeführten Dinge und Mächte sind nach dem Zeitpunkt entstanden, in dem Gott den Vorsatz gefasst hat, uns in dieselbe Herrlichkeit einzuführen wie seinen Sohn. Sie kommen zu spät, um sich Ihm zu widersetzen, und es gibt im Vergleich mit Ihm keine höhere Macht, die uns von der Liebe Gottes zu scheiden vermöchte: Der Tod ist machtlos, weil Christus ihn zunichtegemacht hat; das Leben mit seinen Gefahren und Schwierigkeiten ist nur eine Gelegenheit, uns zu mehr als Überwindern zu machen; die auserwählten Engel werden zu unserem Dienst ausgesandt, und die Engel Satans unterstehen der Kontrolle Christi; die Fürstentümer der Bosheit hat der Herr am Kreuz besiegt; die irdischen Fürstentümer und Gewalten sind in den Händen Gottes; die gegenwärtigen Dinge dienen zu unserem Guten, die zukünftigen zu unserer Herrlichkeit; Christus ist der Herr über die Gewalten; Er, der nach einem völligen Sieg «höher als die Himmel» geworden ist, ist über jede Höhe erhaben; Er war für uns in der Tiefe und hat sich bis in den Tod erniedrigt. Bestände daneben noch irgendein anderes Geschöpf – alles, selbst Satan, untersteht der Macht Christi, so dass uns also wirklich nichts zu scheiden vermag von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn.

Unser Kapitel begann mit der Feststellung, dass nichts uns vor Gott zu verdammen vermag, und es endet mit Beweisen, dass uns nichts von seiner Liebe zu scheiden vermag. Das erste gründet sich auf die Tatsache, dass wir in Christus vor Gott sind, und das zweite, dass Gott für uns ist in Christus.