«Was ich aber jetzt lebe im Fleisch, lebe ich durch Glauben, durch den an den Sohn Gottes» (Galater 2,20).
Wir reden oft vom Leben des Glaubens. Doch wissen manche nicht recht, worum es dabei geht. Meist wenden sie diesen Begriff nur auf das Vertrauen in Gott an, im Blick auf Nahrung und Kleidung. Christen, die für ihre zeitlichen Bedürfnisse keine sichtbaren Hilfsquellen, kein festes Einkommen und keinen Besitz haben, werden von anderen unterschieden und als solche bezeichnet, die durch Glauben leben. Kennt denn dieses wunderbare und herrliche Leben keine höhere Sphäre, keinen ausgedehnteren Bereich als nur die zeitlichen Dinge, die regelmässige Stillung körperlicher Bedürfnisse?
Gegen eine solch unwürdige Deutung des Lebens des Glaubens müssen wir nachdrücklich Einspruch erheben. Jeder der in etwa die heiligen und kostbaren Geheimnisse des Glaubens versteht, empfindet sie als unzulässige Beschränkung. Darf man auch nur für einen Augenblick zugeben, dass ein Christ, der ein festes Einkommen hat, aus diesem Grund vom Vorrecht des Lebens des Glaubens ausgeschlossen ist? Vollzieht sich dieses Leben nur auf der Ebene der Nahrung und Kleidung? Hat der Glaube keinen höheren Gedanken von Gott, als nur, dass Er uns davor bewahrt, vor Hunger zu sterben oder ohne Bedeckung zu sein? Ein solch unwürdiger Gedanke sei weit von uns entfernt!
Was bedeuten denn diese gewichtigen Worte in Habakuk 2,4: «Der Gerechte aber wird durch seinen Glauben leben», die Paulus in seinen Briefen nicht weniger als dreimal anführt? (Röm 1,17; Gal 3,11; Heb 10,38). Bezieht sich dieser kurze, aber deutliche Satz nur auf ein paar Diener des Herrn, die ohne reguläres Einkommen sind? Im Gegenteil, es ist ein hohes und glückseliges Vorrecht aller derer, die Er als «Gerechte» oder als «Gerechtfertigte» anerkennt. Jedes Kind Gottes darf in Gedanken, Worten und Taten «durch Glauben leben».
Das Leben des Glaubens bezieht sich auf den ganzen Menschen – auch auf Geist und Seele, nicht nur auf den Leib. Durch das ganze christliche Leben hindurch ist der Glaube ein tief eingewurzelter Grundsatz. Durch Glauben sind wir gerechtfertigt und durch Glauben leben wir; durch Glauben stehen wir und durch Glauben wandeln wir. Von der Startlinie bis zum Ziel der Laufbahn des Gläubigen ist alles durch Glauben, einfach darum, weil er sowohl in der Praxis als auch im Bekenntnis ein gläubiger Mensch ist. Und ohne diesen Glauben ist es keinem möglich, Gott wohlzugefallen (Heb 11,6).
Der Erfahrungsbereich des Glaubens eines Christen erstreckt sich überdies auf alles Unsichtbare und auf alles, was ein Kind Gottes hofft (Heb 11,1). Er befähigt ihn, täglich die Gegenwart des Vaters und die Gemeinschaft mit seinem Sohn, unserem Herrn Jesus Christus, zu verwirklichen und im Geist zu leben, der ihm Zeugnis gibt, dass er ein Kind Gottes ist. Durch Glauben atmet er die himmlische Atmosphäre ein und wärmt er sich im Licht der Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu Christi.
Das Leben des Glaubens ist ein Leben durch Glauben, in Verbindung mit den himmlischen Dingen. Es ist «der Glaube an den Sohn Gottes», der uns geliebt und sich selber für uns hingegeben hat. Wenn der Geist nicht durch irdische Dinge beschwert ist, sind wir fähig, das wirkliche Leben zu ergreifen (1. Tim 6,19).