Einleitung
«Hieran haben wir die Liebe erkannt, dass er für uns sein Leben hingegeben hat; auch wir sind schuldig, für die Brüder das Leben hinzugeben» (1. Joh 3,16).
Die Verse 14-18 von 1. Johannes 3 geben uns wichtige Anhaltspunkte für die Bruderliebe. Dabei zeigt uns Vers 16 ihren absoluten Massstab: die Liebe des Herrn Jesus zu den Seinen, die sich aufopferte und sich bis zum Äussersten, bis in den Tod, hingab.
Wenn wir etwas über göttliche Liebe kennen lernen und etwas davon verstehen wollen, dann müssen wir nach Golgatha blicken und an den unfassbaren Augenblick denken, da der Herr Jesus sein Leben für uns gab, da Er für dich und für mich starb.
Im Folgenden wollen wir ein wenig über diese einzigartige Liebe nachdenken und uns wieder neu beeindrucken lassen. Aber nicht nur das: Das Anschauen dieser Liebe soll auch praktische Konsequenzen für uns heute haben.
ER selbst
In Vers 16 ist das Wort «er» betont. Wenn eine berühmte Persönlichkeit etwas selbst ausführt, dann ist dies von besonderer Bedeutung.
Der Herr Jesus hat nicht etwas Ihm Wertvolles aus seinem unvorstellbar grossen Besitz gegeben. Er hat auch nicht einen hochgestellten Menschen beauftragt, auch keinen starken Engel oder Engelfürsten gesandt. Nein, Er selbst hat sein Leben gegeben. Spricht uns dieses betonte «ER» nicht in besonderer Weise an?
«Der selbst unsere Sünden an seinem Leib auf dem Holz getragen hat», schreibt Petrus in 1. Petrus 2,24. Paulus ermuntert die Gläubigen in Thessalonich: «Er selbst aber, unser Herr Jesus Christus, … tröste eure Herzen und befestige euch in jedem guten Werk und Wort» (2. Thes 2,16). Und der Herr Jesus «selbst wird mit gebietendem Zuruf … herniederkommen vom Himmel, und die Toten in Christus werden zuerst auferstehen; danach werden wir, die Lebenden … zugleich mit ihnen entrückt werden in Wolken dem Herrn entgegen in die Luft» (1. Thes 4,16.17). So hat der Herr Jesus ganz persönlich alles, was unsere Errettung im umfassenden Sinn betrifft, in Bezug auf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, übernommen. Was für einen wunderbaren Herrn haben wir doch, der sich in dieser Weise selbst um unser Wohl kümmert!
ER für uns
Im Hebräer-Brief lesen wir: «Denn er nimmt sich fürwahr nicht der Engel an» (Heb 2,16). Wem hat sich denn die Liebe Gottes zugewandt? Waren es Weise, Mächtige, Edle (vgl. 1. Kor 1,26)? Waren es Menschen, die eine solche Liebe verdient hatten?
Nein, die Liebe des Herrn Jesus hat sich uns, den Verlorenen, zugewandt. Wir gehörten zu denen, die Gott nicht suchten (Röm 3,11). Wir waren «tot in unseren Vergehungen und Sünden, … Kinder des Zorns» (Eph 2,1-3). Auf uns wartete der Feuersee. Das wäre unser verdientes und ewiges Schicksal gewesen.
Doch stattdessen kam der Herr Jesus und gab sein Leben hin, für dich und für mich. Jeder Einzelne kann – aber auch alle Kinder Gottes in ihrer Gesamtheit können – an dem furchtbaren Geschehen auf Golgatha die unfassbar grosse Liebe des Heilandes erkennen. Dort hat Er für uns gelitten. Dort hat Er für uns das Strafgericht Gottes über unsere Sünden ertragen müssen. Dort hat Er sein Leben für uns gegeben.
- Für mich gingst Du nach Golgatha,
für mich hast Du das Kreuz getragen,
für mich ertrugst Du Spott und Hohn,
für mich hast Du Dich lassen schlagen. - Herr, deine Liebe ist so gross,
dass ich sie nie begreifen kann,
doch danken will ich Dir dafür.
Herr, deine Liebe ist so gross,
dass ich sie nie begreifen kann.
Ich bete Dich an!
Sein Leben
Im Buch Hiob kann man nachlesen, dass der Mensch sehr am Leben hängt: «Haut um Haut, ja, alles, was der Mensch hat, gibt er um sein Leben» (Hiob 2,4). So sind wir. Was tun die Menschen nicht alles, um ihr Leben zu erhalten.
Wie ganz anders war es doch bei unserem Herrn. Als wahrer Mensch empfand Er tief, dass Er als verhältnismässig junger Mann in den Tod gehen musste. «Mein Gott, nimm mich nicht weg in der Hälfte meiner Tage!» (Ps 102,25). Dieses Wissen beschäftigte sein Herz. Und doch gab Er sein Leben freiwillig für uns. Er gab es aus Liebe. In Johannes 15,13 hat Er selbst gesagt: «Grössere Liebe hat niemand als diese, dass jemand sein Leben lässt für seine Freunde.» Das ist der höchste Liebesbeweis: das Leben für andere hinzugeben. Gerade das hat der Heiland für dich und für mich ganz persönlich getan. Lasst uns Ihm täglich dafür danken!
Konsequenzen für uns
Es ist eine Sache, die Liebe des Herrn Jesus zu erkennen, sie zu geniessen und sich immer wieder darüber zu freuen.
Eine andere Sache ist, inwieweit der Eindruck dieser erfahrenen Liebe in unserem Leben Wirkung zeigt, und zwar im Blick auf unsere Brüder und Schwestern im Herrn. Da sagt der Apostel Johannes: «Auch wir (dieses Wort ist ebenfalls betont) sind schuldig, für die Brüder das Leben hinzugeben.»
Im ersten Teil des Verses wird uns die Liebe des Herrn Jesus vorgestellt. Damit ist der göttliche Massstab für unser Leben vorgegeben. Wir finden das oft in Gottes Wort: Zuerst wird der Blick auf den Herrn Jesus gelenkt, damit unsere Herzen von Ihm angezogen und erfüllt werden. Erst danach werden uns die praktischen Konsequenzen für unser Leben vorgestellt.
Im Unterschied zu Ihm, der sein Leben freiwillig hingab, heisst es für uns, dass wir «schuldig» sind. Was für eine Schuld ist das? Hat der Herr Jesus auf Golgatha nicht unsere ganze Sündenschuld bezahlt? Doch, das hat Er! Aber hier geht es um einen anderen Gedanken, den Paulus uns in 2. Korinther 5,15 vorstellt: «Er ist für alle gestorben, damit die, die leben, nicht mehr sich selbst leben, sondern dem, der für sie gestorben und auferweckt worden ist.» Darum geht es: Tag für Tag zu beweisen, dass unser Leben nicht mehr uns selbst, sondern dem Herrn Jesus gehört. Und wenn es nicht mehr uns selbst, sondern einem anderen gehört, dann kann Er allein darüber bestimmen, wie es gestaltet werden soll; ob es im Dienst für Ihn eingesetzt, vielleicht sogar riskiert werden soll, oder ob es – im Extremfall – in seinem Sinn für jene eingesetzt werden soll, für die Er selbst sein eigenes Leben gab.
Vielleicht denkt jemand: Für den Herrn das Leben zu geben, mag vorstellbar sein – aber für die Brüder und Schwestern, mit allen ihren Fehlern und Unvollkommenheiten? Die Antwort darauf finden wir in 1. Johannes 5,1: «Jeder, der da glaubt, dass Jesus der Christus ist, ist aus Gott geboren; und jeder, der den liebt, der geboren hat, liebt auch den, der aus ihm geboren ist.»
Schluss
Wir haben eben gesehen, dass wir gemäss dem göttlichen Massstab schuldig sind, im Extremfall unser physisches Leben für die Brüder einzusetzen (1. Joh 3,16). Die darauf folgenden Verse zeigen uns das «Normalmass» der Bruderliebe. Wir sollen unser Herz vor der Not unseres Bruders nicht verschliessen (V. 17). Nicht Worte allein zählen, nein, Gott ist auch die Umsetzung in die Tat wichtig (V. 18).
Wenn wir so unter den Eindruck der erfahrenen Liebe unseres Herrn kommen, dann wird es uns leichter fallen, wirkliche Bruderliebe – was etwas ganz anderes als Sympathie ist – zu praktizieren. Sollten wir dem Herrn Jesus zuliebe, der so unendlich viel für uns getan hat, nicht mehr und mehr bereit sein, unsere Brüder und Schwestern in den Genuss praktizierter Bruderliebe kommen zu lassen? In unserer Zeit nimmt der Egoismus zu – leider auch unter Gläubigen. Wollen wir uns nicht ansprechen lassen, mehr für Ihn und die Seinen zu leben?
- Für Dich nur darf mein Leben sein,
und was ich hab, für Dich allein,
weil Du am Kreuze mich erworben.
Von Sünd und Tod bin ich befreit
und bin zu deinem Dienst geweiht.
Ich lebe jetzt, weil Du gestorben.
O welche Huld! Wie liebst Du mich!
Ja, was ich bin, bin ich für Dich!