Das Wort des Judas für böse Zeiten

Judas 1,20-21

«Ihr aber, Geliebte, euch selbst erbauend auf euren allerheiligsten Glauben, betend im Heiligen Geist, erhaltet euch selbst in der Liebe Gottes, indem ihr die Barmherzigkeit unseres Herrn Jesus Christus erwartet zum ewigen Leben» (Judas 20.21).

Wir haben da ein sehr tröstliches Wort vor uns. Wir sollen nicht niedergedrückt und nicht verzagt sein, selbst angesichts all der schrecklichen Bilder des Bösen (unter Christen), die dieser Brief vor uns stellt. Sie werden uns gezeigt, damit wir uns nicht täuschen, sondern wirklich erkennen, wie der gegenwärtige Zustand der Christenheit in Gottes Augen ist, um uns nicht unrichtigen Erwartungen hinzugeben und die Dinge falsch oder unvollkommen zu beurteilen.

Sogar im Blick auf diese Bilder des Abfalls werden die geliebten Heiligen aufgerufen, sich selbst auf ihren allerheiligsten Glauben zu erbauen. Dieser Aufruf ist sehr sorgfältig abgefasst.

In diesem Brief wird gar nichts von Führern oder Leitern oder Predigern oder Lehrern gesagt. Die Heiligen werden unmittelbar ermahnt. Sie dürfen ihre Vorrechte nicht aufgeben und sollen nicht meinen, es sei nicht mehr möglich, sehr glücklich zu sein, weil sie in Tagen leben, in denen das Böse überbordet. Sie werden durch den Hinweis gestärkt, dass ihnen die Segnung immer noch völlig offen steht, und sie sind zu mehr Glauben denn je aufgerufen.

Zu keiner Zeit leuchtet der Glaube heller als an einem dunklen Tag; und zu keiner Zeit wird die Liebe besser erkannt als dann, wenn nicht viele in ihr leben, und es nicht viele gibt, die sie dann ausüben, wenn Selbstsucht und Gleichgültigkeit vorherrschen und man sich für andere Dinge interessiert und sie dem vorzieht, was unvergänglich ist.

Fortfahren, sich zu erbauen

«Ihr aber, Geliebte, euch selbst erbauend auf euren allerheiligsten Glauben.» Das ist die einzige Stelle im Neuen Testament, wo der Glaube unser «allerheiligster Glaube» genannt wird.

Man mag meinen, wenn die Zustände dermassen böse seien, dürfe man nicht zu streng sein, man könne es nicht so genau nehmen und nicht solche Sorgfalt anwenden wie in den ersten Tagen der Christenheit. Doch ist es gerade umgekehrt: Weil wir von jenem ersten Zustand so weit entfernt sind, benötigen wir umso mehr Sorgfalt. Und anstatt ihn nur den heiligen oder den kostbaren Glauben zu nennen, bezeichnet ihn Judas als «euren allerheiligsten Glauben». Kurz, die Gläubigen werden ermuntert, sich an die Wahrheit zu klammern, in ihrer ganzen heiligenden Kraft.

Wir können nicht zu gross denken vom «Glauben der Auserwählten Gottes». Ich rede hier nicht vom Glauben, der in den Heiligen ist, sondern von «dem Glauben» an sich – von der Wahrheit, die wir glauben. Das ist es, was «der Glaube» hier bedeutet.

Da ist ein grosser Unterschied zwischen den Begriffen «der Glaube» und «Glaube». Glaube ist eine Eigenschaft jedes Glaubenden. Aber das ist nicht die Bedeutung, in der er gesehen wird, wenn Judas von dem «einmal den Heiligen überlieferten Glauben» spricht (Vers 3).

«Der Glaube» ist heute noch genau der gleiche Glaube wie am Tag der Pfingsten, der gleiche Glaube, den Petrus oder Paulus und alle übrigen Apostel verkündigten. Wir besitzen die gleichen Worte, die ihnen von Gott zur Niederschrift eingegeben wurden. Die mächtige Kraft des Heiligen Geistes gab ihnen die Wahrheit Gottes absolut unversehrt. Auch heute noch haben wir dasselbe Wort Gottes, und durch Glauben kommen wir in persönlichen Kontakt damit.

Und was haben wir damit zu tun? Nicht nur teilen wir es anderen mit, sondern «wir erbauen uns selbst auf unseren allerheiligsten Glauben.» Nichts kann daher ein erfreuenderes Bild geben von den Hilfsquellen der Gnade für die bösen Zeiten des Endes der Christenheit – als was wir hier haben.

Fortfahren im Beten

«Betend im Heiligen Geist.» Was könnte besser sein als das? Da waren einst solche, die im Heiligen Geist mit Sprachen redeten. War das wohl so gut, wie «betend im Heiligen Geist»? Kaum, der Apostel Paulus sagt, dass jemand, der durch den Heiligen Geist in Sprachen rede, zu schweigen habe, wenn nicht ein Ausleger da sei, der das Sprachenreden für andere verständlich machen könne (1. Kor 14,27.28). Dieses Sprachenreden geschah damals zwar wirklich in der Kraft des Geistes Gottes, aber es sollte nicht ausgeübt werden, wenn kein Ausleger da war.

Aber man kann sich nicht vorstellen, dass der Apostel einen Mann, der im Heiligen Geist betete, hätte zum Schweigen bringen wollen! Gewiss nicht, ganz im Gegenteil! Viele Gebete sind nicht im Heiligen Geist. Und es wird uns auch nicht geboten, nur im Heiligen Geist zu beten. Glücklich der, der es tut und glücklich die, die im Heiligen Geist beten hören. Bei einem solchen Gebet ist für Gott alles völlig annehmbar; jedes Wort darin bringt vollkommen zum Ausdruck, was Gott in diesem Augenblick meint.

Manche Gebete beginnen im Geist, aber enden nicht im Geist; sie sind gemischt. Oft beten wir töricht, manchmal ohne Verständnis. Solches ist nicht nach dem Heiligen Geist.

Wir werden ermuntert, allezeit zu beten, selbst vorausgesetzt, dass wir Törichtes aussprechen. Es ist besser, zu sagen was uns beschäftigt, als still zu sein; denn das Gebet ist ein Ausschütten des Herzens vor Gott, und es kann den Worten eines Kindes gegenüber seinem Vater oder seiner Mutter gleichen. Viel besser ist es, wenn das Kind sich mitteilt, als dass es stumm ist.

Aber das Beste von allem ist, wirklich im Geist Gottes zu beten. Das ist jedoch eher etwas, das wir erstreben als etwas, das wir erreicht zu haben meinen. Wir haben in der Tat sehr sorgfältig zu sein, um uns nicht mehr Tätigkeit im Heiligen Geist zuzuschreiben als vorhanden ist. Sie setzt völlige Abhängigkeit voraus, die keinen eigenwilligen Gedanken, keinen Widerspruch zu diesem oder jenem duldet. Diese letztgenannten Dinge können leicht vorhanden sein, und sie alle schwächen und hindern das «Beten im Heiligen Geist».

So haben wir in diesem 20. Vers zwei der allerwichtigsten Dinge. Das eine ist die Grundfeste der Wahrheit, die nicht im Geringsten herabgesetzt werden darf, sondern in ihrem höchsten und heiligsten Charakter aufrecht gehalten werden muss, selbst an diesem bösen Tag. Das zweite ist die tiefste geistliche Wirkung, die in einem Gläubigen hier auf der Erde sein kann, nämlich «betend im Heiligen Geist».

Solches Beten ist sogar mehr als predigen oder lehren, weil sich das Herz dabei bewusst ist, vor Gott im Gebet zu sein. Einem Mann, der gut reden kann und die Wahrheit kennt, kann dieses Predigen und Lehren oft zum Fallstrick werden. Es besteht Gefahr, die Wahrheit auszusprechen und dies sogar mit Ernst zu tun, ohne dass die Kraft des Geistes gegenwärtig ist. Aber im Geist Gottes beten, ist etwas ganz anderes. Dies kann nicht sein ohne die unmittelbare Wirksamkeit des Geistes in dieser gesegnetsten Weise.

Sich in der Liebe Gottes erhalten

«Erhaltet euch selbst in der Liebe Gottes.» Hier blickt der Schreiber auf das praktische Ergebnis dieser beiden Dinge. Könnten wir uns in irgendetwas Besserem aufhalten? Gibt es etwas Höheres als sich in der Liebe Gottes erhalten? Die Liebe ist aus Gott, und darin sollen wir uns erhalten, statt uns über das uns umgebende Böse zu erregen oder statt vom Weg abzuweichen, weil andere abweichen.

Das setzt notwendigerweise grosses Vertrauen in Gott voraus, und Wonne an dem, was Gottes eigene Natur ist – die Wirksamkeit seiner Natur. Der sittliche Charakter der Natur Gottes ist Licht; der aktive Charakter Gottes ist Liebe. Das Licht duldet keinerlei Unreinheit; die Liebe geht aus, um andere zu segnen.

Die Barmherzigkeit unseres Herrn erwarten

Schliesslich fügt Judas hinzu: «Indem ihr die Barmherzigkeit unseres Herrn Jesus Christus erwartet zum ewigen Leben.» Ich denke, dass die Barmherzigkeit hier besonders erwähnt wird wegen der grossen Not in Zeiten des Abfalls, wegen der Schwachheit und weil alles dazu angetan ist, die Gläubigen niederzudrücken. Judas sagt: nein, seid nicht niedergeschlagen, schaut aus auf die Barmherzigkeit unseres Herrn Jesu Christi.

Ist diese Barmherzigkeit nur vorübergehend? Nein, sie bleibt bis zum Schluss, «zum ewigen Leben», bis zur grossen Vollendung. Die Heiligen haben jetzt schon ewiges Leben in Christus, aber sie schauen vorwärts, auf die volle himmlische Erfüllung hin.