Er hat uns zu Königen gemacht

Offenbarung 1,6

Die Gläubigen sind mit der Wahrheit vertraut, dass sie «mit dem Christus tausend Jahre» leben und herrschen werden (Off 20,4). Er wird dann alle königlichen Rechte besitzen und sie über die Erde in Macht geltend machen, und seine Heiligen werden sie mit Ihm teilen.

Dies ist eine Wahrheit, die verschieden ist von der, die in Römer 5,17 zum Ausdruck gebracht wird: «Denn wenn durch die Übertretung des einen der Tod durch den einen geherrscht hat, so werden viel mehr die, welche die Überfülle der Gnade und der Gabe der Gerechtigkeit empfangen, im Leben herrschen durch den einen, Jesus Christus.» Nicht nur sind die Gläubigen durch die Gnade von der Herrschaft des Todes erlöst, sie dürfen auch als Befreite im Leben wandeln, und einst werden sie mit dem Christus über die Erde herrschen.

Im Brief an die Hebräer lesen wir, dass der Sohn Gottes «zum Erben aller Dinge» gesetzt worden ist (Heb 1,2). Wird Er am kommenden Tag allein von seinem Erbteil Besitz nehmen? Sollte Adam den Garten Eden mit allen seinen Reichtümern und Schönheiten allein besitzen? Bestimmt nicht; sein Glück und seine Freude waren erst völlig, als Eva an seiner Seite war. So wird es auch mit Christus sein bei der Offenbarung seiner Herrlichkeit: Er wird Miterben bei sich haben. Das also ist unser Teil. «Wenn aber Kinder, so auch Erben – Erben Gottes und Miterben Christi» (Röm 8,17).

In der eingangs erwähnten Stelle wird uns die Wahrheit mitgeteilt, dass die Gläubigen aufgrund des Todes Christi schon jetzt Könige und Priester sind. Wie aber sollen wir diesen Titel «Könige» verstehen, da das Reich noch nicht in Macht aufgerichtet ist? Genauso wie jede andere Wahrheit des Wortes: durch Glauben. Wenn das Königtum in Herrlichkeit offenbart werden wird, ist unser Königscharakter vor allen offenbar. Aber wir besitzen ihn schon jetzt. Diese Tatsache findet sich oft in Verbindung mit anderen Wahrheiten in der Schrift. Um diesen Gedanken zu illustrieren, führe ich noch eine Stelle an: «Welche er aber zuvor bestimmt hat, diese hat er auch berufen; und welche er berufen hat, diese hat er auch gerechtfertigt.» Bleibt der Apostel da stehen? Nein, er fügt hinzu: «welche er aber gerechtfertigt hat, diese hat er auch verherrlicht» (Röm 8,30). Man könnte einwenden: «Aber wir sind ja noch nicht verherrlicht!» Trotzdem, der Geist Gottes drückt sich so aus, als wären wir es schon, und der Glaube nimmt diese Erklärung an, ohne darüber Zweifel zu erheben.

Sollte es für den Gläubigen schwieriger sein, die Wahrheit anzunehmen, dass er schon jetzt König ist, als die andere Tatsache seiner gegenwärtigen Beziehung zu Gott als sein Kind? Gewiss nicht, zumal diese letztere viel inniger und herrlicher ist als die Stellung des Königs vor Gott, zu der uns die Verbindung mit Christus führt.

Es ist wahr, unsere Füsse haben noch nicht die Vorhöfe des Königs betreten. Wir sind immer noch in einer Welt, wo der unrechtmässige Herrscher regiert, aber wenn auch in Leiden, so durchschreiten wir sie doch als Könige. So arm, verworfen und verachtet unsere Stellung jetzt auch sei, so sind wir doch glücklich, teilzuhaben «an der Drangsal und dem Königtum und dem Ausharren in Jesus» (Off 1,9). Während wir auf dem Weg zur Herrlichkeit sind, halten wir uns im Glauben an dieses grosse Geheimnis des Königtums, das uns verheissen ist (Lk 22,29.30). David wusste wohl, dass er der Gesalbte des HERRN war, wenn er auch durch Saul verworfen und verfolgt wurde. Weder die Höhle Adullams noch die anderen verborgenen Orte, wo er seinen irrenden Fuss hinsetzte, vermochten das Zeugnis auszulöschen, das er durch das Öl der Salbung empfangen hatte. Die souveräne Gnade hatte ihm königliche Rechte gegeben, und schliesslich hat ihn diese Gnade auf den Thron in Jerusalem gebracht. Diese Gnade hat auch uns gleichartige Rechte gegeben, und sie wird das Werk, in dem sie ihre Wonne findet, nicht ruhen lassen, bis wir Besitz genommen haben von den Thronen,1 auf denen Johannes die verherrlichten Heiligen sitzen sieht (Off 20,4).

Trug nicht auch der Apostel Paulus auf seinem Weg der Leiden das Geheimnis des Anteils, den er an dem Reich haben sollte, das offenbart werden würde, mit sich herum? Beim Schreiben seines letzten Briefes sagt er zu Timotheus, die Blicke im Glauben auf die Herrlichkeit gerichtet: «Wenn wir ausharren, so werden wir auch mitherrschen» (2. Tim 2,12). Hier unten finden wir Leiden; droben wird es das Reich sein.

Ich erinnere daran, dass dieses grosse Geheimnis, wie so viele andere, im Herzen Gottes verborgen war, bevor es in seinem Buch kundgetan wurde. Er wollte seine Gedanken der Gnade und Herrlichkeit nicht immer für sich allein behalten. Als darum die Zeit ihrer Offenbarung kam, machte Er sie in ihrer ganzen Fülle bekannt. Jedoch ist es allein der den Heiligen gegebene Glaube, der diese reichen und wunderbaren Geheimnisse geniessen kann. Unnötig zu sagen, dass sie schon lange durch das Wort kundgemacht waren, bevor wir davon Kenntnis nahmen.

Sollten wir uns in der Zwischenzeit, obwohl noch nicht mit unseren königlichen Gewändern bekleidet, nicht als «Erben des Reiches» betragen (Jak 2,5) im Bewusstsein der Würden, die auf uns warten? Zudem wissen wir, dass die erste Etappe der Reise, die uns zum Tag Christi führt, beendigt sein wird, wenn «der Herr selbst vom Himmel herabkommen» und seine Heiligen mit dem Zuruf des Siegers in das Vaterhaus einführen wird (1. Thes 4,16-18).

Erinnern wir uns schliesslich besonders daran, dass wir jetzt nicht als Könige wandeln können, ohne die Kraft des Geistes und ohne demütigen Gehorsam gegenüber dem Wort Gottes.

«Dem, der uns liebt und uns von unseren Sünden gewaschen hat in seinem Blut und uns gemacht hat zu einem Königtum, zu Priestern seinem Gott und Vater: Ihm sei die Herrlichkeit und die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen» (Off 1,5.6).

  • 1Das Wort Throne wird hier in einem symbolischen Sinn gebraucht, aber die Anwendung ist klar.