Die Speisung der Fünftausend

Johannes 6,1-13

Das Wunder von der Speisung der fünftausend Männer ist das einzige Zeichen, das in allen vier Evangelien erwähnt wird (Mt 14,13-21; Mk 6,34‑44; Lk 9,10-17). Offensichtlich hat es eine besondere Bedeutung. Zum Verständnis der Hauptaussage dieses Wunders hilft Psalm 132,15. Dort spricht der HERR über Zion. Es sind prophetische Worte, die sich auf Jesus Christus als den König Israels und den wahren David beziehen:

«Seine Speise will ich reichlich segnen, seine Armen mit Brot sättigen.»

Gott war in der Person des Herrn Jesus zu seinem Volk gekommen, um jedes Bedürfnis zu stillen. In einer ersten Erfüllung dieses Verses bewies der Herr damals, dass Er wirklich der Sohn Gottes, der König Israels, ist. Prophetisch weist das Wunder auf die Zeit des Tausendjährigen Reichs hin, wenn Er als König Israels sein Volk mit Brot versorgen, d.h. segnen wird. So zeigt diese Begebenheit etwas von der Herrlichkeit der Person des Herrn Jesus, aber auch von der Bedeutung der Aufgaben, die wir als seine Jünger unter seiner Anleitung für Ihn wahrnehmen dürfen.

Das Wunder im Zusammenhang des Johannes-Evangeliums

Johannes stellt im sechsten Kapitel den Herrn Jesus als den Sohn des Menschen vor, der der Erhalter des Lebens ist, das Er selbst gibt. Er ist es, der jedes geistliche und natürliche Bedürfnis der Seinen stillt und als das «Brot vom Himmel» ihre Speise ist. Der Bericht über die Speisung der Volksmenge zu Beginn dieses Kapitels ist eine Illustration der Belehrungen, die der Herr im weiteren Verlauf des Kapitels gibt.

Es ist eine Besonderheit im Johannes-Evangelium, dass der Heilige Geist oft ein spezielles Ereignis benutzt, um eine neue Herrlichkeit des Herrn Jesus vorzustellen. In Johannes 4 wird Er in seinem Kontakt mit der samaritischen Frau als Der vorgestellt, der von der Macht der Sünde befreit. Die Heilung des Gelähmten in Johannes 5 macht deutlich, dass der Sohn Gottes auch von der Knechtschaft des Gesetzes befreit. In Kapitel 6 sehen wir, dass Er von jedem Mangel befreien kann.

Der Herr handelt – und bezieht die Jünger mit ein

Beim Lesen des Berichts im Johannes-Evangelium fällt auf, dass der Herr Jesus hier der Handelnde ist:

  • Er sieht die Volksmenge (V. 5).
  • Er ergreift die Initiative, indem Er eine Frage stellt (V. 5).
  • Er prüft den Glauben von Philippus (V. 6).
  • Er selbst weiss, was Er tun will (V. 6).
  • Er sagt, dass die Leute sich lagern sollen (V. 10).
  • Er nimmt die Brote, dankt dafür und teilt sie aus (V. 11).
  • Er fordert die Jünger zum Aufsammeln der Brocken auf (V. 12).

Das stimmt mit dem Charakter dieses Evangeliums überein. Als Sohn Gottes nimmt Er selbst alles in die Hand und begegnet den Bedürfnissen der Volksmenge auf göttlich vollkommene Weise. Das tut Er auch heute noch für die Seinen!

Doch es ist schön zu sehen, wie Er auch die Jünger in sein Tun einbezieht. Darin und im Verhalten der Jünger liegen manche Belehrungen für uns. In der praktischen Anwendung dieser Verse sehen wir in den Jüngern ein Bild von uns, die der Herr heute als seine Mitarbeiter zum Segen für andere gebrauchen möchte (1. Kor 3,9).

Der Herr macht die Jünger auf Bedürfnisse aufmerksam

In Matthäus 14,14 und Markus 6,34 wird berichtet, dass der Herr angesichts der Volksmenge «innerlich bewegt wurde». In Johannes 6 sah Er vom Berg herab auf die Volksmenge. Ihm lag an den Menschen. Da Er unermüdlich tätig war und wenig Ruhe fand, hätte Er die Volksmenge als etwas Störendes ansehen können. Aber davon lesen wir nichts. Es war sein grosses Verlangen, ihnen etwas zu geben, sowohl für ihren natürlichen Hunger als auch für den ihrer Seelen. Als Sohn Gottes «wusste er selbst, was er tun wollte». Aber mit seiner direkten Frage an Philippus machte Er die Jünger auf das vorhandene Bedürfnis aufmerksam.

Der Herr prüft den Glauben der Jünger

«Woher sollen wir Brote kaufen, damit diese essen?» Diese – sicher unerwartete Frage – richtet der Herr an seinen Jünger, um den Glauben von Philippus zu prüfen. Jetzt bot sich die Gelegenheit, sich an das zu erinnern, was die Jünger in der Nachfolge des Herrn bereits mit Ihm erlebt hatten, oder auch an das, was im Alten Testament berichtet wird. So hätte Philippus an die wunderbare Versorgung des Volkes Gottes in der Wüste durch das Manna denken können oder an das Handeln Gottes in 2. Könige 4,42-44, als mit zwanzig Gerstenbroten und einem Sack Jungkorn hundert Männer gesättigt wurden. Doch der Glaube von Philippus ist hier nicht besonders gross. Er kommt über rein menschliche Überlegungen nicht hinaus. Auf die Frage des Herrn hin überlegt er, was benötigt würde, und Andreas stellt fest, was vorhanden ist (V. 7-9).

Wie reagieren wir bei einer unerwarteten Prüfung unseres Glaubens? Verzagen wir, anstatt an die Beweise der Macht und Hilfe des Herrn zu denken, die wir schon erlebt haben? Versuchen wir, die Situation zunächst selbst zu meistern, anstatt mit der Schwierigkeit direkt zu Dem zu gehen, der sie geschickt hat? Beziehen wir Ihn glaubensvoll in alle unsere Überlegungen ein?

Der Herr knüpft an das an, was vorhanden ist

Andreas weist auf einen Jungen hin, der fünf Gerstenbrote und zwei Fische hat. Diese benutzt der Herr im Folgenden, um die Volksmenge zu sättigen. Es ist seine Weise, das zu verwenden, was wir haben, wenn bei uns die Bereitwilligkeit da ist, uns gebrauchen zu lassen. So fragte der Herr seinen Diener Mose in 2. Mose 4,2: «Was ist das in deiner Hand?», und benutzte dann den Stab Moses, um damit grosse Zeichen zu tun. Auch David hatte nichts in seiner Hand als eine Schleuder. Aber unter der Führung Gottes schleuderte er damit einen Stein, der den Riesen Goliath zu Fall brachte. Wenn es um die Frage von Nützlichkeit geht, blickt Gott auf das, was bei uns vorhanden ist, und nicht auf das, was wir nicht haben (2. Kor 8,12) – eine wichtige Belehrung für uns!

Bevor der Herr die Speise auf wunderbare Weise vermehrt und austeilt, dankt Er dafür. Was für ein beeindruckendes Zusammenwirken von menschlicher Abhängigkeit und göttlicher Allmacht sehen wir hier in seiner Person! Sein Gebet zeigt uns auch, dass allein der Segen des Herrn das wirksam macht, was Er uns anvertraut hat. Wenn wir das, was wir haben, im Bewusstsein unseres eigenen Unvermögens und im Wissen um seine Allmacht Ihm bringen, dürfen wir staunend zusehen, was Er daraus macht.

Fünf Gerstenbrote und zwei Fische

Das ist die Speise, die der Herr zur Sättigung der Volksmenge benutzt. Insgesamt sind sieben Stücke vorhanden – fünf Brote plus zwei Fische. Das zeigt, dass der Herr in vollkommener Fülle gibt und unseren Bedürfnissen völlig genügt. Zudem versorgt Er uns nicht nur mit den absolut notwendigen Grundnahrungsmitteln (die Brote), sondern gibt uns über unsere Bedürfnisse hinaus (die Fische).

Um Brot herzustellen, muss Korn ausgeschlagen, zu Mehl gemahlen und der daraus gemachte Teig gebacken werden – das spricht vom Tod. In Johannes 6,51 sagt der Herr: «Ich bin das lebendige Brot, das aus dem Himmel herabgekommen ist … Das Brot aber, das ich geben werde, ist mein Fleisch, das ich geben werde für das Leben der Welt.» Die Tatsache, dass es Gerstenbrote waren, lässt aber auch an seine Auferstehung denken. Die Gerstenernte ist die erste Getreideernte. Gerste wurde daher auch beim Fest der Erstlingsgarbe (3. Mo 23,9-14) am Tag nach dem Sabbat, dem Auferstehungstag unseres Herrn, gebracht. So dürfen wir in den Gerstenbroten ein Bild des Auferstandenen sehen, der durch den Tod gegangen ist. Er ist in seiner Person die geistliche Nahrung für uns.

Die Volksmenge

Die Volksmenge ist ein Bild des heutigen Volkes Gottes, zu dem auch wir gehören. Wenn wir in der Gegenwart des Herrn Jesus zusammen sind, «lagern wir zu seinen Füssen und empfangen ein jeder von seinen Worten» (nach 5. Mo 33,3). Hier lässt Er die Leute in Gruppen zu hundert und zu fünfzig auf dem grünen Gras lagern (Mk 6,39.40). Er sorgt für eine Atmosphäre der Ruhe und Ordnung, bevor Er die Nahrung austeilt. Die äussere Ordnung ist eine Voraussetzung dafür, dass jeder aus der grossen Menge etwas empfängt. Um persönlich und gemeinsam in seiner Gegenwart Segen empfangen und aufnehmen zu können, ist auch bei uns eine gewisse Ruhe und Ordnung nötig. Der 1. Timotheus-Brief und 1. Korinther 14 zeigen etwas von der Ordnung, die sich im Haus Gottes und in den Zusammenkünften der Gläubigen geziemt.

David schreibt in Psalm 145,15.16: «Aller Augen warten auf dich, und du gibst ihnen ihre Speise zu seiner Zeit; du tust deine Hand auf und sättigst alles Lebende nach Begehr.» Diese Erfahrung machen wir, wenn wir in der rechten Haltung vor dem Herrn sind. Er will uns «auf grünen Auen lagern» (Ps 23,2). Er gibt, «so viel sie wollten» (V. 11). Alle werden gesättigt, und es bleiben noch zwölf Handkörbe voll übrig.

Zwölf Handkörbe

In der prophetischen Bedeutung dieses Wunders sind die zwölf Handkörbe mit Brocken sicher ein Bild des Segens, der im Tausendjährigen Reich von den zwölf Stämmen Israels zu den Nationen ausgehen wird. Praktisch erinnert die Anordnung des Herrn zum Aufsammeln der Reste daran, kein Essen umkommen zu lassen und auch in kleinen Dingen sorgsam zu sein.

Der Herr, der hier die Volksmenge auf so wunderbare Weise versorgte, ist heute noch derselbe! Er ist immer zum Segnen bereit und möchte auch uns dabei gebrauchen. Sind wir bereit, uns Ihm zur Verfügung zu stellen? Kommen wir bei Ihm zur Ruhe, um das aufzunehmen, was Er gibt?