Abraham – das Bild eines geistlichen Gläubigen

1. Mose 18

Einleitung

Es gibt nur wenige Personen im Alten Testament, die im Wort Gottes einen ebenso grossen und wichtigen Platz einnehmen wie Abraham. Ausserdem ist er der einzige, der dreimal Freund Gottes genannt wird – zweimal im Alten und einmal im Neuen Testament (2. Chr 20,7; Jes 41,8; Jak 2,23). Selbst Mose wird nur einmal so genannt und erst noch in einer indirekten Form (2. Mo 33,11). Trotzdem idealisiert die Bibel das Leben Abrahams nicht. Sie stellt uns auch seine Schwachheiten und sein Versagen vor.

In 1. Mose 18 befindet sich Abraham auf einem Höhepunkt seines Glaubenslebens. Er zeigt dort besonders die Charakterzüge eines geistlichen Gläubigen im Gegensatz zu Lot, der in Kapitel 19 das Bild eines fleischlichen Gläubigen abgibt.

Die Bibel beschreibt die Geschichte Abrahams von 1. Mose 11,27 bis 25,11. Dieser Bericht teilt sich in drei Abschnitte ein, die sich durch die Worte abgrenzen: «nach diesen Dingen» (Kap. 15,1; 22,1). Alle drei Abschnitte enden mit einer bildlichen Darstellung des Tausendjährigen Reichs.

  • Die Kapitel 12 – 14 stellen mehr die äussere Seite des Lebens Abrahams als ein Fremder auf der Erde vor.
  • Die Kapitel 15 – 21 zeigen eher sein inneres Leben in Beziehung zur göttlichen Verheissung eines Erben und seine damit verbundenen Übungen des Glaubens.
  • Die Kapitel 22 – 25 stellen uns schliesslich den in Kapitel 21 geborenen Erben vor: seine Opferung durch Abraham, seine Auferweckung wie aus den Toten (Heb 11,17.19) und seine Frau Rebekka als Folge seiner Leiden und zur Freude seines Herzens. Isaak ist hier ein Bild von Christus, der in die Welt gekommen ist, den Opfertod am Kreuz erlitten hat und aus den Toten auferstanden ist. Als Ergebnis seiner Leiden und als Gegenstand der Freude seines Herzens empfängt Er eine Frau: die Versammlung.

1. Mose 18 im Zusammenhang

Dieses Kapitel befindet sich im zweiten Teil der Lebensgeschichte Abrahams (Kap. 15 – 21). Die Verheissung, dass er einen Erben bekommen würde, hatte Gott gegenüber dem Patriarchen durch die Episode mit dem rauchenden Ofen und der Feuerflamme feierlich bekräftigt (Kap. 15). Doch der Glaube Abrahams wurde durch eine lange Wartezeit erprobt. Sie dauerte von der ersten Verheissung des HERRN bis zu Kapitel 16 etwa zehn Jahre.

Nun erlahmte sein Glaube und ohne darüber zu beten, ging er auf den Vorschlag seiner Frau ein. So bekam er im Alter von 86 Jahren auf einem menschlichen Weg einen lang ersehnten Sohn, aber nicht von seiner Frau, sondern von seiner ägyptischen Sklavin Hagar (Kap. 16,1-4). Als Folge seines Mangels an Glauben verrannen 13 Jahre seines Lebens, über die das Wort Gottes schweigt (vgl. Kap. 16,15.16 mit 17,24.25). Diese Jahre markieren eine dunkle Zeit in der Gemeinschaft des Patriarchen mit seinem Gott.

Im Alter von 99 Jahren erschien ihm der HERR mit der Aufforderung: «Wandle vor meinem Angesicht und sei vollkommen» (Kap. 17,1). Vollkommen – wie musste dieses Wort das Gewissen Abrahams getroffen haben! In der Sache mit Hagar war er es nicht gewesen. Doch Gott in seiner Barmherzigkeit machte ihm keinen Vorwurf. Er erneuerte die Verheissung eines Nachkommens und gab ihm den Bund der Beschneidung. Zudem betonte Er, dass Sara, seine Frau (und nicht Hagar, seine Sklavin), die Mutter des verheissenen Erben werden würde (V. 16).

Abraham gehorchte Gott und vollzog die Beschneidung, was ein Bild des Gerichts über das sündige Fleisch ist. Er selbst wurde beschnitten, ebenso sein Sohn Ismael und alle Männer seines Hauses, «alle mit seinem Geld Erkauften … an eben diesem Tag, wie Gott zu ihm geredet hatte» (V. 23). Nachdem er auf diese Weise bildlich das Selbstgericht vollzogen hatte, war Abraham wiederhergestellt. Nun konnte Gott ihm aufs Neue bei den Terebinthen Mamres erscheinen (Kap. 18,1).

Diese Terebinthen befinden sich bei Hebron, wo Abraham früher einen Altar gebaut hatte (Kap. 13,18). Hebron bedeutet Gemeinschaft. An diesem Ort fand Abraham die bewusste Gemeinschaft mit seinem Gott wieder. Ihn hatte er in Kapitel 13 angebetet und vor Ihm kann er sich erneut zur Erde niederbeugen (Kap. 18,2). Daraufhin kündigt Gott ihm die bevorstehende Geburt des verheissenen Sohnes an (V. 9-15). Dann macht Er ihn zu einem Vertrauten seiner Gedanken im Blick auf das Gericht über diese Welt (V. 16-21). Abraham seinerseits wird zu einem Fürbitter für die Gerechten, die sich darin befinden (V. 22-33).

Typologische Hinweise aus 1. Mose 18

Die Begebenheiten in diesem Kapitel erinnern der Reihe nach an gewisse Seiten des Versammlungslebens. Es sind zum einen die Fusswaschung (ohne dass sie hier direkt als Vorausbild erscheint) und zum anderen den Gottesdienst (V. 4.8). Dann finden wir ein Bild der Ankündigung des Kommens des Sohnes Gottes als Mensch auf die Erde (V. 10), und zwar auf eine Art und Weise, wie es die Gesetze der Natur übersteigt. Nachher wird Abraham zum Vorbild eines Gläubigen, dem das «Geheimnis oder die vertraute Mitteilung des HERRN» (Ps 25,14) im Blick auf das unmittelbar bevorstehende Gericht über die Welt anvertraut wird.

Ist die biblische Prophetie nicht eine solch vertrauliche Mitteilung des Herrn an die Versammlung, seine himmlische Braut? Schliesslich machen diese vertraulichen Mitteilungen vonseiten Gottes Abraham zu einem Fürsprecher. Gerade so werden die, die aus Gnade zur Versammlung Gottes gehören, «vor allen Dingen ermahnt, dass Flehen, Gebete, Fürbitten, Danksagungen getan werden für alle Menschen» (1. Tim 2,1).

Praktische Hinweise für das Ehe- und Familienleben

1) Abraham

Wenn wir diese Begebenheit praktisch auf uns anwenden, geben sie uns wertvolle Unterweisungen für unser Eheleben. Abraham sass am Eingang des Zeltes und wachte darüber, damit nichts hineinkam, das nicht zur Ehre Gottes war. Im Gegensatz dazu sass Lot im Tor Sodoms und mischte sich in die Angelegenheiten der Welt (1. Mo 19,1).

Vom Eingang seines Zeltes aus lief Abraham den drei Männern entgegen, um sie einzuladen. «Die Gastfreundschaft vergesst nicht, denn durch diese haben einige ohne ihr Wissen Engel beherbergt» (Heb 13,2). Tatsächlich war einer der drei Besucher der HERR selbst (V. 13.17).

Dann bot er, eifrig bemüht, den drei Reisenden einen Empfang, der ihren momentanen Bedürfnissen angepasst war:

  • die Waschung ihrer durch die Reise ermüdeten Füsse (V. 4);
  • die Ruhe im Schatten des Baumes, geschützt vor der Hitze des Tages (V. 4.8);
  • die Stärkung ihres Herzens (V. 5).

Erst dann eilte er ins Zelt, um Sara zu sagen, sie soll schnell drei Mass Feinmehl nehmen, um daraus Brotkuchen zu machen (V. 6). Er selbst lief zur Herde, nahm ein zartes und gutes Kalb und liess es in Eile zubereiten (V. 7). Schliesslich holte er dicke, süsse Milch und das Kalb, das er zubereitet hatte, und setzte es mit den Brotkuchen seinen Gästen vor, während er vor ihnen unter dem Baum stand. Alles zeugt von bereitwilliger Gastfreundschaft, von Frieden und Ruhe in der Gemeinschaft mit dem Herrn – Merkmale, die das Haus eines Gläubigen kennzeichnen sollen.

Im Weiteren zeigt Abraham durch sein Benehmen zugleich geistliches Verständnis im Blick auf seine drei Gäste. Einer von ihnen ist niemand anders als Christus selbst, der im verheissenen Sohn vorgebildet wird. Und die drei Mass Feinmehl, sind sie nicht ein Hinweis auf die vollkommene Menschheit unseres Herrn? Es scheint, als ob Abraham dies irgendwie erkannt hätte, denn die drei Mass sind sehr viel mehr, als was man für eine Mahlzeit für die erwähnten Personen benötigt hätte. Das offenbart in bildlicher Weise den geistlichen Reichtum Abrahams. Das Kalb, zart und gut, lenkt unsere Gedanken zum Brandopfer in 3. Mose 1. Dort ist in den Versen 3 und 5 von einem männlichen jungen Rind ohne Fehl die Rede.

Der HERR konnte dann von Abraham sagen: «Ich habe ihn erkannt, dass er seinen Kindern und seinem Haus nach ihm befehle, damit sie den Weg des HERRN bewahren, Gerechtigkeit und Recht auszuüben» (V. 19).

Wir lernen aus dieser Aussage, dass sich Abraham in seinem Familienleben die nötige Zeit nehmen würde, um seine Kinder in den göttlichen Belangen zu unterweisen. Er würde auch darüber wachen, dass sie diese Belehrungen an die nächste Generation weitergaben. Das Wort unterstreicht, dass diese Unterweisung die Form eines Befehls annahm. Wir leben heute in einer Welt, die jede Autorität verwirft, auch die des Ehemanns und Vaters in der Familie. Dennoch ist gerade die Familie die Grundzelle der Gesellschaft. Wie wichtig ist es da, entgegen dem allgemeinen Zeitgeist am unwandelbaren Wort Gottes festzuhalten.

Es erinnert uns Gläubige an das göttliche Prinzip der väterlichen Autorität. Gott selbst hat sie eingesetzt. Er ist es auch, der die Väter an ihre Aufgabe erinnert, ihren Nachkommen die biblischen Belehrungen weiterzugeben. König Hiskia hatte dies gut verstanden, als er sagte: «Der Vater gibt den Kindern Kunde von deiner Treue» (Jes 38,19).

2) Sara

Es ist schön, den Platz zu sehen, den das Wort Gottes Sara zuschreibt. Sie war «im Zelt» (V. 6.9). Sie war «mit häuslichen Arbeiten beschäftigt» (Tit 2,5). Sie stand nicht im Begriff, einer anderen Beschäftigung ausserhalb der eigenen Familie nachzugehen. In seiner Souveränität lässt Gott manchmal Umstände zu, die es nötig machen, dass die Frau und Mutter einer Arbeit ausserhalb ihrer Familie nachgeht. Aber das sollte die Ausnahme sein. Da Sara im Zelt war, konnte sie sofort ausführen, was ihr Mann von ihr wünschte.

Bei den Besuchern fällt auf, dass diese es angemessen fanden, sich nicht direkt an Sara zu wenden, sondern an ihren Mann, der das Haupt der Frau ist (1. Kor 11,3). Er war für seine Ehefrau verantwortlich. Weiter wird gesagt, dass Sara am Eingang des Zeltes horchte. Das ist kein Vorwurf, denn eine Zeltwohnung hat keine schalldichten Wände!1 Wir wissen nicht, ob Abraham seiner Frau im vertrauten ehelichen Austausch von der göttlichen Verheissung eines Sohnes erzählt hat. Das Wort Gottes sagt nichts darüber.

Wie dem auch sei, als Sara diese Zusage Gottes hörte, lachte sie, weil sie es nicht glauben konnte. Die Verheissungen Gottes waren für sie zu herrlich, um von einem zu eng denkenden Herzen aufgenommen zu werden. Wie sollte sie denn noch einen Sohn bekommen? Diese Worte des HERRN überstiegen ihr Begriffsvermögen.

Auch jetzt wandte Er sich an Abraham und fragte ihn, warum Sara gelacht habe. In seiner Gnade stärkte Er aber sofort den Glauben Abrahams, indem Er ihm eine Frage stellte, deren Antwort offensichtlich ist: «Ist für den HERRN eine Sache zu wunderbar?» Dann bestätigte Er, dass Sara, obwohl sie unfruchtbar gewesen und jetzt zu alt geworden war (Kap. 11,30; 17,17), den verheissenen Erben gebären würde. Auch den Termin dieses wunderbaren Geschehens kündigte der HERR an: «zur bestimmten Zeit im nächsten Jahr» (V. 14). So zurechtgewiesen, leugnete Sara: «Ich habe nicht gelacht!» Nun wandte sich der HERR direkt an sie und widerlegte ihre Lüge. Er muss das letzte Wort haben (V. 15).

Vielleicht dachte der Apostel Petrus an diesen Moment, als er nach einer Aufzählung der zahlreichen Vorzüge Saras und der Erwähnung ihrer Unterordnung unter ihren Ehemann sagte, dass sie keinen Schrecken fürchtete (1. Pet 3,6). Es ist zudem bemerkenswert, dass dieser Apostel 2000 Jahre später durch den Geist geleitet wurde, die Tugenden Saras gegenüber ihrem Mann aufzuschreiben. Das zeigt, dass diese Grundsätze nichts von ihrer Aktualität verloren haben, weder zur Zeit des Apostels Petrus noch heute, nachdem seit dem Abfassen des 1. Petrus-Briefs nochmals 2000 Jahre vergangen sind.

Schluss

Welch ein schönes Bild eines geistlichen Gläubigen steht hier vor uns! Wer wie Abraham

  • Selbstgericht übt,
  • an der Tür seines Hauses wacht,
  • die Gegenwart des Herrn erkennt,
  • Ihn mit Eifer und Hingabe empfängt,
  • diesem göttlichen Gast den Ehrenplatz in der eigenen Familie gibt und
  • dort die Gemeinschaft mit Ihm geniesst,

der ist gesegnet und glücklich.

Das gilt besonders für den Mann, der von seiner Ehefrau respektiert wird, weil sie bereit ist, ihren Platz der Unterordnung nach den biblischen Anweisungen einzunehmen.

Glücklich ist auch ein Vater,

  • dem es am Herzen liegt, seinen Kindern die biblischen Wahrheiten weiterzugeben,
  • der sich die nötige Zeit für seine Familie nimmt,
  • der schliesslich von Gott selbst als einer erkannt wird, der den Wunsch hat, in seiner Familie die vom Herrn verliehene väterliche Autorität wahrzunehmen und auszuüben.
  • 1Nach einer Fussnote in der französischen JND-Übersetzung kann «horchen» auch mit «hören» wiedergegeben werden.