In der Steinigung von Stephanus in Apostelgeschichte 7 erkennt man, wie der Mensch ein Höchstmass an Ungerechtigkeit erreicht. Er hat nicht nur den Herrn der Herrlichkeit gekreuzigt, sondern auch das Angebot der Gnade und das Angebot der Rückkehr des Herrn aufgrund seiner Fürbitte am Kreuz abgelehnt. In Verbindung mit jener Geschichte finden wir Saulus zum ersten Mal erwähnt.
Der wutschnaubende Saulus
Doch dieser junge Mann war mit einem stillen Hass nicht zufrieden. Daher beginnt Kapitel 9 mit den Worten: «Saulus aber, noch Drohung und Mord gegen die Jünger des Herrn schnaubend, ging zu dem Hohenpriester und erbat sich von ihm Briefe nach Damaskus an die Synagogen, damit, wenn er einige fände, die des Weges wären, sowohl Männer als Frauen, er sie gebunden nach Jerusalem führe.»
Er ist der Apostel seines eigenen Willens, des Hasses gegen Christus und der Verfolgung der Kinder Gottes. Der Herr lässt ihm dies zu, um aus ihm einen Zeugen und Apostel der souveränen Gnade zu machen, die ihm seine Augen öffnete, ihn zur Umkehr brachte und ihm vergab. Es geht hier offensichtlich um unumschränkte Gnade, die der Wut des glühenden Feindes der Wahrheit begegnete. Ja, es ist Gnade, die den suchte, der, wie er selbst sagt, das Christentum zu zerstören und den Namen Christi von der Erde zu verbannen suchte.
Wie der Herr sich ihm in den Weg stellte
Während er mit diesem Vorhaben beschäftigt war, trat der Herr ihm in den Weg und brachte ihn zum Stillstehen. Dann offenbarte Er sich seiner Seele und seinen Augen, damit er ein Augenzeuge seiner Herrlichkeit werden möchte. Ein Licht aus dem Himmel umstrahlte ihn, und er hörte eine Stimme, die zu ihm sprach: «Saul, Saul, was verfolgst du mich?»
In dieser bemerkenswerten Szene sind zwei sehr wichtige Wahrheiten enthalten. Es wird sowohl die Herrlichkeit des Herrn offenbart als auch das Einssein der Christen mit Ihm erwähnt.
Der Herr der Herrlichkeit offenbart sich ihm
Saulus hatte den Herrn nicht gesehen. Er war Ihm nicht nachgefolgt, als Er als Mensch hier lebte. Die zwölf Apostel hatten Ihn in den Tagen seines Fleisches gekannt. Sie hatten auch gesehen, wie Er bei seiner Himmelfahrt in der Wolke verschwand. Durch Glauben wussten sie, dass Er sich zur Rechten Gottes gesetzt hat. Doch sie konnten keine Augenzeugen seiner Herrlichkeit sein. Das war Paulus vorbehalten.
Er sah die Herrlichkeit des Herrn, wusste aber nicht, wer Er war. Eines war für ihn sicher: Die Herrlichkeit des Herrn war ihm erschienen, und er hatte seine Stimme gehört. Doch wer war Er? Deshalb seine Frage: «Wer bist du, Herr?» Der Herr antwortete darauf: «Ich bin Jesus, den du verfolgst.» Er war nicht ein Mensch auf der Erde, auch nicht der Messias, der in den Himmel gegangen war, sondern der Herr der Herrlichkeit, der sich immer noch Jesus nannte, Jesus von Nazareth.
Der Anfangspunkt der Lehre ist also anders. Es geht zwar um die gleiche Erlösung und den gleichen Erretter. Doch die Offenbarung, die den Zwölfen gegeben worden war, ist die des Menschen Jesus, der in den Himmel aufgefahren ist, den Gott erhöht hat. Die Offenbarung, die Saulus gegeben wurde, ist, dass der Herr der Herrlichkeit Jesus von Nazareth ist. Es beginnt mit der himmlischen Herrlichkeit.
Die Christen – eine Einheit mit Jesus Christus
Aus den Worten des Herrn aus der Herrlichkeit wird etwas Zweites erkannt: Alle Christen bilden eine Einheit mit Ihm. Sie sind Glieder seines Leibes. Diese Lehre wird hier nicht entfaltet. Und doch wird nicht gesagt: «Warum verfolgst du meine Jünger?», wie ein Gesetzgelehrter oder Rabbi gesprochen hätte. Der Herr sagte: «Warum verfolgst du mich?» Es ist der Herr der Herrlichkeit, der sagt: «Ich bin Jesus, den du verfolgst.»
Das sind die fundamentalen Punkte in der Geschichte von Paulus, des einstigen Feindes des Herrn der Herrlichkeit, aber bekehrt, begnadigt, gerechtfertigt und daher notwendigerweise ein Zeuge der souveränen Gnade. Das Evangelium der Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu Christi und damit der Herrlichkeit des Herrn ist ihm anvertraut worden. Ebenso die Wahrheit des Einsseins der Glaubenden mit Christus, der Einheit der Erlösten mit Christus, dem verherrlichten Haupt im Himmel.
Was Petrus und was Paulus predigte
Petrus predigte, dass Gott Diesen verherrlicht hat, den die Juden gekreuzigt hatten, und lud die Rebellen ein, zu Gott zu kommen, und zwar aufgrund des Opfers, das Er gegeben hatte. Wenn sie Buße tun würden, würde Jesus zurückkommen.
Saulus predigte, dass diese Errettung für alle Menschen gilt. Gott konnte sich als Heiland nicht auf die engen Grenzen des Volkes Israel beschränken. Er wandte sich vielmehr an die ganze Schöpfung, die unter dem Himmel ist. Weiter verkündigte er, dass die Versammlung Gottes als der Leib des Christus mit Diesem vereint ist.
Die Apostelgeschichte zeigt aber, dass Gott keine Spaltung wollte. Er wünschte, dass es eine einzige Versammlung gebe. Trotzdem ist es wahr, dass Paulus ein Zeuge dafür war, dass es keinen Unterschied gab, dass alle Menschen verloren, alle Kinder des Zorns waren, der eine wie der andere. Er zeugte im Weiteren davon, dass der Herr Jesus durch die Gabe des Heiligen Geistes alle Erlösten in einem Leib vereint hat. Dieser Wahrheit widerstanden die Juden stets (auch jene, die Christen geworden waren). Dadurch bereiteten sie dem Apostel in seinem Dienst sehr viel Not. Petrus selbst verstellte sich, und zwar aus Furcht vor Menschen, sodass alle Christen aus den Juden, durch seine Autorität beeinflusst, sich auf seine Seite stellten (Gal 2,11-16).
Keiner von den Aposteln spricht in seinen Briefen von der Versammlung als dem Leib Christi auf der Erde, ausser Paulus. Die Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu Christi; die souveräne Gnade, die ihm erwiesen worden war, zum Vorbild für all jene, die nachher an Jesus Christus glauben würden; und alles aufgrund des Kreuzes: Das war das Evangelium, das Paulus anvertraut worden war.
Drei Tage blind
Die Reisegefährten von Saulus wurden Zeugen der Vision, aber sie wussten nichts von der Offenbarung, die ihm anvertraut worden war. Das helle Licht umstrahlte sie alle, aber den Herrn sahen sie nicht. Sie hörten auch eine Stimme, aber nicht die Worte Dessen, der sprach.
Paulus war ein Zeuge von dem, was er gesehen und gehört hatte. Seine Begleiter waren in der Lage, die Vision zu bestätigen, dass sie real stattgefunden hatte. Sie konnten bezeugen, dass es keine Einbildung von Paulus war, um sich zu rühmen.
Das Ganze wurde durch den Auftrag des Herrn an Ananias bestätigt. Ihm offenbarte Er, was geschehen war, und ihn sandte Er zu Saulus, um dessen Augen aufzutun, denn das plötzliche Licht hatte Saulus blind gemacht. Ananias taufte ihn. Er empfing den Heiligen Geist und wurde in die Versammlung der Christen aufgenommen.
Durch die Erblindung hatte Gott für eine gewisse Isolierung zur Aussenwelt gesorgt, damit Saulus sich mit seiner Seele und dem Zustand, in dem er sich befand, beschäftigen konnte. Seine Situation war tatsächlich einmalig. Äusserlich stand er ohne Makel da. Im Blick auf das Gesetz hatte er einen untadeligen Ruf. Er hatte ein gutes Gewissen. Er meinte, es sei seine Aufgabe, gegen den Namen Jesus zu kämpfen, und das tat er auch. Die Führerschaft der Religion seiner Väter ermutigte und sandte ihn. Sie unterstützten ihn in dem, was er so eifrig betrieb, in jeder Hinsicht. Gewissen, gesetzliche Gerechtigkeit und Religion – all das formte sein moralisches Leben und hatte aus ihm den glühenden Feind des Herrn der Herrlichkeit gemacht.
Und nun waren all die Fundamente seines moralischen Lebens mit einem Schlag zerstört worden. Aber diese Grundlagen hatten ihn zu einem Feind des Herrn gemacht und zum Widerstand gegen den Heiligen Geist geführt, der die Menschen durch das Zeugnis der Herrlichkeit des Herrn zur Buße aufrief. Saulus hatte diesen Widerstand aktiv unterstützt, als die Juden Stephanus steinigten. Doch dies befriedigte ihn nicht. In seinem Eifer meinte er, es sei nötig, auch jene Christen zu verfolgen, die weiter weg wohnten. Als er damit beschäftigt war, begegnete er dem Herrn, dessen Namen er auszurotten suchte.
Was Saulus erkannte
Er war daher der erste der Sünder, gewissermassen der Anführer, zwar in Unwissenheit, aber doch bereitwillig. Wo blieb sein nach menschlichen Massstäben gutes Gewissen? Wo seine gesetzliche Gerechtigkeit? Wo seine Religion, dessen höchste Autorität für ihn bis dahin die Priester und Ältesten waren? Alles hatte ihn dazu geführt, sich als einen übereifrigen Feind des Herrn zu erkennen, der sich nun direkt mit Ihm konfrontiert sah. Er realisierte, dass ihm in dem Augenblick, da er damit beschäftigt war, die Herrlichkeit dieses Namens völlig zu zerstören, trotzdem noch Gnade erwiesen wurde. Welch ein Umschwung! Welch ein Umsturz in seinem Herzen! Wer kann sagen, was ihn in jenen drei Tagen alles beschäftigt hat?
Doch der Herr sandte Ananias erst zu ihm, als dieses innere Werk beendet war. Das Alte war vergangen, Neues war in seine Seele gekommen. Die Veränderung ging bis auf den Grund seiner Gedanken. Alles kam von Gott, der sich ihm in der Herrlichkeit des Angesichts Jesu Christi offenbart hatte.
Er war nicht mehr länger ein Jude, auch wenn er es äusserlich blieb. Er war auch kein Mensch aus den Nationen geworden. Verbunden mit dem Herrn der Herrlichkeit, mit Jesus Christus, kannte er fortan niemand mehr nach dem Fleisch. Er erkannte den Herrn. Er erkannte sein Volk als mit Ihm vereint, gebildet aus Menschen aus den Nationen und den Juden, beide einst gleicherweise verlorene Sünder, Kinder des Zorns. Doch er erkannte auch die souveräne Gnade ihm gegenüber, die ihn herausgerufen und ihm den Sohn Gottes offenbart hatte.
Diese Gnade hatte ihm ewiges Leben geschenkt, als er damit beschäftigt war, den Namen Jesu zu zerstören. Alles war Gnade, reine, souveräne Gnade, die so weit ging, aus den Christen einen Leib zu bilden, verbunden mit Christus im Himmel, und die Glaubenden diese Tatsache auch verstehen zu lassen. In den Briefen des Apostels Paulus wird uns diese wunderbare Offenbarung enthüllt. Das Evangelium der Herrlichkeit des Christus wird leicht verstanden, wenn uns bewusst wird, wie und wann der Apostel sich bekehrte.
Ananias
Es lohnt sich, einige Begleitumstände der Bekehrung des Apostels näher anzusehen. Der Herr benutzte einen bekehrten Juden, der von seinen ungläubigen Landsleuten gehasst war, um Paulus das Zeugnis seiner Gnade in Worten zu überbringen und ihn in die Versammlung einzuführen. Wie wichtig war diese Mitteilung für Paulus! So brauchte er nie mehr an der Sache zu zweifeln, auch als die Vision längst verblasst war.
Gott gebrauchte einen ruhigen Mann, der seine Anweisung direkt vom Herrn bekam und über das, was Saulus erlebt hatte, völlig im Bild war. Zudem wurde Saulus ein anderes Gesicht gezeigt, sodass er einen Mann mit Namen Ananias erwartete, der ihm durch das Auflegen der Hände das Augenlicht wieder schenkte.
Da ist noch ein anderer Umstand, auf den wir unsere Aufmerksamkeit lenken sollten. Es ist die Freiheit, man möchte sagen, die Vertrautheit, mit der Ananias mit dem Herrn sprach, obwohl er es gleichzeitig weder an Ehrfurcht noch an Unterwürfigkeit fehlen liess. In gleicher Weise verkehrte auch der Herr mit ihm.
Als der Herr ihn rief, antwortete er sofort: «Hier bin ich.» Trotzdem spricht der Herr, der sich um die Seinen wie um seine Freunde kümmert, die Er liebt, mit offenem Herzen zu Ananias. Er weist ihm nicht nur den Weg, nennt nicht nur das Haus, in dem sich Saulus befand, sondern gibt auch noch das nötige Erkennungszeichen: «Siehe, er betet.» Und Er fügt hinzu, dieser habe einen Mann mit Namen Ananias gesehen, der hereinkam und ihm die Hände auflegte, damit er wieder sehend werde. Der Herr sprach mit Ananias wie jemand, der seinem Diener erklärt, was er zu sagen habe, oder wie jemand, der seinem Freund sein Herz öffnet.
Der Herr wusste, was Saulus tat, und erzählte dies Ananias. In der Antwort des Jüngers erkennen wir dessen völliges Vertrauen in die Güte des Herrn. Er beginnt, mit dem Herrn zu reden. Er hatte gehört, dass dieser Mann gekommen war, um jene gefangenzunehmen, die den Namen des Herrn anriefen. Der Herr tadelt ihn nicht. Natürlich musste Ananias gehen und den Willen des Herrn ausführen, aber Er erklärt ihm die Sache und teilt ihm seine Gedanken über Saulus mit. Dieser war ein auserwähltes Gefäss, um den Namen des Herrn zu tragen. Im Weiteren wollte Er ihm zeigen, wie viel er für seinen Namen zu leiden haben würde. Der Herr öffnete also sein Herz gegenüber Ananias wie gegenüber einem Freund, zu dem man volles Vertrauen hat, und sagte ihm alles.
Der Herr bleibt Mensch
Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass der Herr Jesus immer Mensch bleibt. Wenn Er nicht Gott wäre, hätte seine Menschheit keinen Wert. Doch dass Er, der Gott ist, sich als Mensch für uns interessiert, und zwar als solche, deren Er sich nicht schämt, sie Brüder zu nennen, ist überaus kostbar. Er kann völlig mit uns fühlen, und sich in unsere Umstände, Nöte, Schwierigkeiten und Probleme hineinversetzen. Er liebt uns, wie der Vater Ihn als Mensch und Sohn auf der Erde geliebt hat. Seine Liebe ist göttlich vollkommen. Doch Er fühlt als Mensch, und zwar als Mensch, der auf dieser Erde war und versucht worden ist wie wir, ausgenommen die Sünde. Er bleibt ewig Mensch. Er denkt jetzt an uns als Einer, der mit göttlicher Liebe und menschlichem Mitgefühl durch all das hindurchgegangen ist. Er ist nicht nur der allwissende Gott, Er hat auch die Erfahrungen als Mensch. Kostbare Wahrheit, unergründliche Gnade!
Er versteht uns also und ist uns ganz nah. Wahrscheinlich offenbart Er sich uns nicht durch Gesichte. Doch sein Herz ist uns gegenüber nicht kälter als gegenüber Ananias! Seine Weisheit hat nicht abgenommen. Seine Bereitschaft, uns zu helfen, hat sich nicht abgeschwächt, noch ist sein Arm kürzer geworden. So sollte auch die Zuneigung und das Vertrauen unserer Herzen das gleiche sein, sodass wir Ihm alles sagen. Eins ist sicher: Sein Ohr ist offen, um uns zu hören.
Saulus – ein Jünger des Herrn
So gesandt und ermutigt, gehorchte Ananias. In vollem Vertrauen ging er zu dem, der kurz zuvor noch Drohung und Mord gegen die Christen geschnaubt hatte. Er legte ihm die Hände auf und sagte: «Bruder Saul, der Herr hat mich gesandt, Jesus, der dir erschienen ist auf dem Weg, den du kamst, damit du wieder siehst und mit Heiligem Geist erfüllt wirst.» Sofort wurde er sehend. Er stand auf, wurde getauft und ass auch wieder. Fortan ging er den Weg mit den Jüngern in Damaskus.
Unverzüglich predigte er Christus in den Synagogen, indem er erklärte, «dass dieser der Sohn Gottes ist». Obwohl der Löwe ein Lamm geworden war, hatte er nichts von seiner Energie verloren. Nur war jetzt das Ziel ein anderes. Nun verkündigte er das, was er früher zu zerstören suchte. Das Thema seiner Verkündigung unterschied sich ein wenig von dem des Petrus. Sie entsprach der Offenbarung von Christus, die ihm gezeigt worden war. Petrus predigte, dass Gott den Herrn Jesus erhöht habe, den sie verworfen hatten. Saulus verkündigte, dass Christus der Sohn Gottes ist.
Die Schärfe der Predigt von Saulus rief die Feindschaft der Juden hervor. Es sind immer die Religiösen, die der Wahrheit widerstehen, denn durch die Verkündigung der Wahrheit werden ihre eigene Wichtigkeit und die Traditionen gefährdet. Die Erbitterung des Fleisches, besonders in religiösen Belangen, kennt keine Nachsicht. Sie suchten Saulus umzubringen. Ihr Gewissen und ihre Religion führten sie dahin. Doch Gott wachte über seinen Diener. Ihr Anschlag wurde Saulus bekannt. Während die Feinde Tag und Nacht die Tore bewachten, nahmen ihn die Jünger bei Nacht und liessen ihn in einem Korb über die Mauer hinunter. So entrann er ihren Händen.