Die Krankheit von Epaphroditus

Philipper 2,25-30

«Ich habe es aber für nötig erachtet, Epaphroditus, meinen Bruder und Mitarbeiter und Mitstreiter, aber euren Abgesandten und Diener meines Bedarfs, zu euch zu senden, da ihn ja sehnlich nach euch allen verlangte und er sehr beunruhigt war, weil ihr gehört hattet, dass er krank war.

Denn er war auch krank, dem Tod nahe; aber Gott hat sich über ihn erbarmt, nicht aber über ihn allein, sondern auch über mich, damit ich nicht Traurigkeit auf Traurigkeit hätte. Ich habe ihn nun desto eiliger gesandt, damit ihr, wenn ihr ihn seht, wieder froh werdet und ich weniger betrübt sei.

Nehmt ihn nun auf im Herrn mit aller Freude, und haltet solche in Ehren; denn um des Werkes willen ist er dem Tod nahe gekommen, indem er sein Leben wagte, damit er den Mangel in eurem Dienst für mich ausfüllte» (Phil 2,25-30).

Diese wenigen Verse aus dem Philipper-Brief berichten uns über die Krankheit eines Bruders, der im Auftrag der Philipper dem gefangenen Apostel Paulus eine Gabe (wahrscheinlich eine finanzielle Unterstützung) nach Rom gebracht hat. Sie werfen unter anderem Licht auf eine Frage, die manche Kinder Gottes bewegt, nämlich die Frage, was es mit Krankheiten und der Heilung von Krankheiten auf sich hat. Dazu nachfolgend einige Gedanken.

Krankheiten sind nichts Ungewöhnliches

Beim Lesen der Bibel stellen wir fest, dass Krankheiten von Gläubigen nichts Ungewöhnliches oder Befremdliches sind. Sowohl im Alten wie auch im Neuen Testament finden wir Gläubige, die krank waren. Im Alten Testament lesen wir von Jakobs Krankheit (1. Mo 48,1) und von Elisas Krankheit (2. Kön 13,14). Beide starben an ihrer Krankheit. Hiskia wurde ebenfalls krank (Jes 38,1), aber Gott erbarmte sich über ihn. Im Neuen Testament wird von der Krankheit der Schwiegermutter des Petrus berichtet (Mk 1,30). Wir lesen von Lazarus (Joh 11,1), von Trophimus (2. Tim 4,20) und eben auch von Epaphroditus, dass sie krank wurden.

Krankheiten sind eine Folge des Sündenfalls, selbst aber an sich keine Sünde, sondern eine menschliche Schwachheit. Im Garten Eden gab es weder Tod noch Krankheit, aber seit dem Sündenfall ist das anders. Bis heute begleiten uns Krankheiten, die sowohl den Körper, als auch die Seele und den Geist betreffen können. Es wäre völlig unsinnig zu behaupten, dass Gläubige nicht krank werden könnten und wenn doch, dass dann mit Sicherheit etwas in ihrem Leben nicht stimmt.

Ursachen von Krankheiten

Krankheiten können – abgesehen von der medizinischen Diagnose – unterschiedliche Ursachen haben. Sie sind in jedem Fall ein Reden Gottes mit uns. Im Fall der Gläubigen von Korinth war es eine ernste Sprache. Sie waren mit dem Mahl des Herrn leichtfertig umgegangen (1. Kor 11,27-33). Im Fall von Lazarus war der Grund, dass der Herr Jesus als Sohn Gottes verherrlicht werden sollte (Joh 11,4). Im Fall von Epaphroditus lag der Fall völlig anders. Er war krank geworden, weil er sich im Dienst für den Herrn engagiert hatte. Paulus sagt: «Es war um des Werkes (des Herrn) willen.» Im Fall von Trophimus oder Timotheus schweigt Gottes Wort ganz über die Ursache ihrer Krankheit.

Wir sehen daraus, dass wir in der Beurteilung der Ursache einer Krankheit sehr vorsichtig sein müssen. Alles, was uns trifft, geht am liebenden Auge unseres Vaters vorbei und kommt aus seiner Hand. Manchmal erkennen wir, warum Er eine Krankheit schickt, manchmal auch nicht. Das Gebet mit der Frage nach dem «Warum?» und «Wozu?» ist völlig normal, aber manchmal antwortet Gott in seiner Weisheit nicht darauf. «Denn über all sein Tun gibt er keine Antwort» (Hiob 33,13).

Vor allem wenn nicht wir selbst, sondern unsere Glaubensgeschwister von einer Krankheit betroffen sind, sollten wir im Beurteilen sehr vorsichtig sein. Ein vorschnelles Urteil ist fehl am Platz. Jedenfalls ist es völlig falsch zu sagen, dass Krankheit immer eine Folge persönlicher Sünde sei. Das kann im Einzelfall einmal so sein, häufig sind die Gründe aber ganz anderer Natur. Manchmal will Gott durch die Krankheit nicht zum Betroffenen, sondern zu dessen Umgebung reden.

Heilung liegt in der Hand Gottes

Der Herr Jesus stellt einen wichtigen Grundsatz auf, wenn Er sagt: «Nicht die Gesunden brauchen einen Arzt, sondern die Kranken» (Lk 5,31). Das gilt zuerst im übertragenen Sinn für den Sünder, der «geistlich» krank ist. Es gilt ebenso für jeden, der physisch und/oder psychisch krank ist. Gott hat die Ärzte gegeben, und wir sollen sie dankbar konsultieren, wenn wir krank sind. Dennoch liegt letztlich jede Heilung in der Hand Gottes. Er kann dazu einen Arzt benutzen oder auch nicht. Im Fall von Epaphroditus war offensichtlich kein Arzt da, der hätte helfen können. Beim Lesen des Textes hat man den Eindruck, dass die Krankheit länger dauerte, dass es mit dem Patienten bergab ging und dass Paulus Sorge hatte, er würde sterben. Jedenfalls hat Gott in seiner Weisheit nicht unmittelbar eingegriffen.

Bezeichnend ist auch, dass Paulus von der Gabe der Krankenheilung keinen Gebrauch machte. Paulus besass diese Gabe und er hatte sie kurze Zeit vorher noch benutzt (vgl. Apg 28,8). Aber im Fall seines Freundes und Bruders Epaphroditus nutzte er sie nicht. Spektakuläre Wunderheilungen sind nicht das Mittel, das Gott gebraucht, um krank gewordene Gläubige zu heilen. Er kann heute noch Wunder tun – und tut es auch. Aber die Gabe der Krankenheilung war erstens eine Gabe des Anfangs, die aufgehört hat. Zweitens war sie eine Demonstration der Macht Gottes. Für uns wollen wir daraus lernen, dass jede Heilung einer Krankheit in der Hand Gottes liegt. Wir dürfen medizinische Hilfe in Anspruch nehmen, wollen die Heilung jedoch von Gott erwarten, der souverän und weise handelt.

Heilung ist ein Akt der Barmherzigkeit Gottes

Paulus schreibt die Heilung von Epaphroditus der Barmherzigkeit Gottes zu, denn er sagt: «Gott hat sich über ihn erbarmt.» Gott handelt nicht nur in Macht, sondern auch in Barmherzigkeit. Eine Krankheit ist nicht nur eine Prüfung für den, der krank wird. Sie betrifft nicht nur solche, die dem Kranken nahestehen. Nein, jede Krankheit rührt das Herz Gottes an. Das wollen wir nicht vergessen. Als der Herr Jesus auf dieser Erde war, wurde Er «innerlich bewegt» über die Kranken und Schwachen, die man zu Ihm brachte. Innerlich bewegt zu sein bedeutet, von Mitleid ergriffen zu werden. Als barmherziger und treuer Hohepriester hat der Herr Jesus Mitleid mit unseren Schwachheiten (Heb 4,15). So empfand Er das Leid von Epaphroditus zutiefst mit. Er sah ihn in Rom in seiner Not, als er dem Tod nahe war. In seiner Güte und seiner Weisheit hat Er ihn gesund gemacht. Seine Heilung war gleichzeitig ein Akt der Barmherzigkeit Paulus gegenüber. So sieht der Herr nicht nur den Kranken selbst, sondern auch solche, die ihn umgeben.

Wenn Gott eine Krankheit schickt, wollen wir versuchen, sie aus seiner Hand anzunehmen. Manche Krankheiten sind sehr schwierig zu verstehen und schwer zu erdulden. Nicht immer handelt Gott so, wie Er mit Epaphroditus gehandelt hat. Aber in jedem Fall dürfen wir sicher sein, dass Er barmherzig und gnädig ist. Niemand empfindet so sehr mit unseren Krankheiten wie Er selbst.

Die Sorge von Epaphroditus

Der Text über die Krankheit von Epaphroditus steht nicht ohne Grund gerade in Philipper 2. Dieses Kapitel zeigt uns in ergreifender Weise die Gesinnung unseres Herrn, der nicht an sich selbst, sondern an andere dachte. Diese Denkweise soll uns prägen (Phil 2,4.5). Epaphroditus wird uns als Beispiel für einen Gläubigen genannt, in dem die Gesinnung seines Herrn sichtbar wurde. Er war durch seine Krankheit sehr beunruhigt. Es ist normal, dass jemand, der todkrank ist, sehr beunruhigt ist. Wenn wir dann aber den Grund der «Unruhe» von Epaphroditus kennen lernen, staunen wir. Paulus schreibt: «Er war sehr beunruhigt, weil ihr gehört hattet, dass er krank war.» Die erste Sorge von Epaphroditus galt seinen Glaubensgeschwistern in Philippi. Er hatte gehört, dass sie sich um ihn Sorge machten, weil er krank war. Das ist tatsächlich die Gesinnung des Herrn. Epaphroditus wird auch für sich selbst gebetet haben und sich Sorge gemacht haben, wie es wohl weiter gehen würde. Dennoch betont der Heilige Geist nicht die Sorge für sich, sondern für andere. Das ist ein richtungweisendes Beispiel, das uns zeigt, welch ein Werk der Herr selbst in einem kranken Menschen wirken kann.

Die Sorge der Philipper und die Sorge von Paulus

Aber noch etwas lernen wir aus dem kurzen Text. Die Fürsorge füreinander ist immer gegenseitig. Epaphroditus sorgte sich um seine Geschwister in der Heimat. Aber diese waren ebenso besorgt um ihn. Auch Paulus war traurig darüber, dass sein Mitarbeiter krank geworden war.

Die Krankheit eines unserer Lieben kann uns nie gleichgültig lassen, sei es ein Ehepartner, ein Kind, die Eltern, Geschwister oder solche, mit denen der Herr uns im Glauben verbunden hat. Unser ganzes Mitempfinden gehört solchen, die krank, ja, schwer krank sind. Paulus schreibt – wenn auch in einem anderen Zusammenhang: «Wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit» (1. Kor 12,26). Wem sagen wir unsere Sorge? Wir bringen sie im Gebet zu Gott. Paulus schreibt im selben Brief an die Philipper: «Seid um nichts besorgt, sondern in allem lasst durch Gebet und Flehen mit Danksagung eure Anliegen vor Gott kundwerden» (Phil 4,6).

Persönlich wie auch gemeinsam können wir die Not unserer kranken und schwer kranken Geschwister unserem Gott bringen und dann alles Weitere Ihm überlassen. Als Lazarus krank wurde, sandten seine Schwestern mit den Worten zu Jesus: «Herr, siehe, der, den du lieb hast, ist krank» (Joh 11,3). Wie damals die Philipper wird sich bis heute eine örtliche Versammlung im gemeinsamen Gebet für die Kranken vereinen.

So können wir aus dem biblischen Bericht über die Krankheit des Bruders Epaphroditus etwas für uns lernen. Gleichzeitig freuen wir uns auf den Augenblick der Vollkommenheit, wo es keine Krankheit und kein Leid mehr geben wird. Im Haus des Vaters, unserer ewigen Heimat, wird es keine Not, keine Schwachheit und kein Leid mehr geben.