Satan im Johannes-Evangelium

Die Beschäftigung mit dem Teufel ist kein freudiges Thema für das persönliche Bibelstudium. Aber Gottes Wort verschweigt weder die Existenz der Person dieses gefallenen Engels noch dessen Taktik und Gedanken: «Denn seine (Satans) Gedanken sind uns nicht unbekannt» (2. Kor 2,11). So werden wir durch die Bibel angehalten, in diesem Sinn die Vorgehensweise des Teufels nicht unberücksichtigt zu lassen.

Zur Zeit, als der Herr Jesus als Mensch auf dieser Erde lebte, war dieser Feind Gottes besonders aktiv. Seine Diener, die Dämonen, quälten viele Menschen in Israel. Und selbst vor der vollkommenen Person Jesu scheute sich Satan nicht.

In den drei synoptischen Evangelien Matthäus, Markus und Lukas wird uns berichtet, dass Satan es wagte, Jesus zu versuchen. Die letzten drei Versuchungen – wahrscheinlich der Höhepunkt der Angriffe auf den Herrn – finden wir im Einzelnen beschrieben (Mt 4,1-10; Mk 1,12.13; Lk 4,1-12).

Dann heisst es: «Als der Teufel jede Versuchung vollendet hatte, wich er für eine Zeit von ihm» (Lk 4,13). Es ist auffallend, dass wir in keinem Evangelium einen direkten Anhaltspunkt finden, wann Satan wieder zum Herrn Jesus hingetreten ist. Manche Ausleger denken an Gethsemane. Zweifellos dürfen wir an die Szene der Gefangennahme unseres Retters und an seine Verurteilung mit der anschliessenden Kreuzigung denken: «Dies ist eure Stunde und die Gewalt der Finsternis» (Lk 22,53).

Die Erwähnungen des Teufels

Genauso auffallend ist, dass wir Satan im Johannes-Evangelium nicht in Aktion finden – jedenfalls nicht in dieser erwähnten Weise. Aber der Herr Jesus spricht viermal von ihm:

In Johannes 8,44 nennt Er ihn Teufel, den Vater der ungöttlichen Schriftgelehrten und Pharisäer, ein Lügner.

In Johannes 12,31; 14,30 und 16,11 spricht Er von ihm als vom Fürsten dieser Welt. Dabei sagt der Sohn Gottes zweimal voraus, dass dieser Feind kurz davor stand, hinausgeworfen und gerichtet zu werden.

In der dritten Stelle, in Johannes 14,30, bestätigt der Herr, dass Satan bei Ihm – in seiner Person und in seinem Leben – keinen einzigen Hinweis würde finden können, wo Er vom Willen des Vaters abwich.

Wir verstehen gut, dass es gerade Johannes ist, der von keiner direkten Aktivität des Teufels gegen Christus spricht. Johannes stellt Ihn als den Mensch gewordenen Sohn Gottes vor. Wenn Satan es wagte, in anmassender Weise gegen den Messias, gegen den Knecht und Propheten und gegen den Menschen Jesus vorzugehen, so war er sich doch bewusst, dass Gott, der Sohn, ihn mit dem Hauch seines Mundes vernichten konnte. So wagte er es nicht, vor seinen Schöpfer, den Sohn Gottes, hinzutreten, um Ihn zu versuchen.1

Satans Instrument im Johannes-Evangelium

Und dennoch finden wir diese schreckliche Person an drei weiteren Stellen erwähnt. Das zeigt uns den Charakter der Finsternis Satans. Denn wenn er selbst als Person im Hintergrund bleiben muss, so formt er sich mit List ein Instrument, das an seiner Stelle die Dreistigkeit besitzt, den Sohn Gottes in die Hände sündiger Menschen zu überliefern: Judas Iskariot.

Nur im Johannes-Evangelium enthüllt der Herr Jesus von Anfang an den Charakter dieses Menschen: «Habe ich nicht euch, die Zwölf, auserwählt? Und von euch ist einer ein Teufel. Er sprach aber von Judas, Simons Sohn, dem Iskariot» (Joh 6,70.71). Als Mensch Jesus Christus wartete Er, bis sich Judas als Teufel offenbarte. Wir lernen dadurch, dass auch wir Geduld haben müssen, bis sich eine Person oder eine Sache als wirklich böse offenbart hat, bevor wir sie so nennen oder entsprechend handeln. Aber als Sohn Gottes wusste Er von Anfang an das Ende.

Es beeindruckt immer wieder neu, dass der Sohn Gottes jemanden als Jünger auswählte, von dem Er wusste, dass dieser trotz jeder Zuwendung, trotz vollkommener Liebe vonseiten des Meisters, trotz jeder möglichen Ermahnung das Böse tun würde und damit offenbarte, dass er das direkte Instrument Satans war. Es lag nicht am Sohn Gottes! Es war die Verantwortung dieses Menschen, der die Ehre bei den Menschen und den Reichtum mehr liebte als seinen Schöpfer (vgl. Joh 12,43).

Es ist furchtbar, lesen zu müssen, dass Judas sozusagen die Personifizierung des Teufels war. Ausser Judas wird keine andere Person (mit Ausnahme Satans) mit diesem Namen betitelt: Teufel! Der Teufel selbst konnte nicht vor den Sohn Gottes treten. Aber in der Person von Judas, in der er ein williges Werkzeug fand, trat er doch vor den Herrn Jesus. Drei Jahre lang musste Er diesen Teufel ertragen. Nicht, dass wir sagen könnten, Judas sei drei Jahre vom Teufel besessen gewesen. Aber in Johannes 6 spricht der Sohn Gottes vom Charakter, den dieser Mann letztendlich trug, als er Christus verriet.

Von Satan inspiriert – von Satan direkt besessen

In Johannes 13,2 lesen wir vom Zeitpunkt, an dem der Teufel – dieser Verleumder, Durcheinanderbringer und Verwirrer – Judas soweit bearbeitet hatte, dass er sich endgültig dem Feind Gottes öffnete. «Während des Abendessens, als der Teufel schon dem Judas, Simons Sohn, dem Iskariot, ins Herz gegeben hatte, ihn zu überliefern.» Jetzt war Judas, der Jünger Jesu, endgültig zum Feind des Sohnes Gottes geworden. Noch immer aber war er selbst für sein Tun verantwortlich. Er hatte sich schon als Dieb erwiesen, dessen Gier selbst in der Gegenwart des vollkommenen Menschen nicht gebremst wurde (Joh 12,6).

Judas wollte die Warnung des Herrn nicht mehr hören. Von seinem Herzen ging es aus, sich mit Satan zu verbinden. Nach dem Abendessen heisst es: «Nach dem Bissen fuhr dann der Satan in ihn» (Joh 13,27). Welch ein tragischer Augenblick! Nun hatte Satan endgültig sein Medium gefunden, um den Sohn Gottes ans Kreuz zu bringen. Offen getraute sich der Widersacher nicht vor Ihn. Aber in der Person von Judas würde er den Ewigen in die Hände von sündigen Menschen überliefern.

Nicht der Teufel, sondern Christus

Wir wissen, dass der Teufel in Judas nur erfolgreich sein konnte, weil Gott gerade deshalb Mensch geworden war, um an das Kreuz zu gehen. Dort wollte Er Sühnung tun und die Grundlage unserer Versöhnung legen: «Siehe, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt wegnimmt» (Joh 1,29). Und doch ist es erschütternd, dass Satan einen Menschen finden und zubereiten konnte, der an seiner Stelle gegen den Sohn Gottes auftrat. Auf der einen Seite ist dies ein Warnruf, auf der anderen Seite bewundern wir unseren Herrn, dass Er auch dies um der vor Ihm liegenden Freude willen erduldet hat. Er wollte den ganzen Ratschluss Gottes ausführen.

  • 1Natürlich wissen wir, dass der Sohn Gottes und der Mensch Jesus eine Person ist. Wir können und dürfen hier keine Trennung vornehmen. Wenn also Satan vor den Menschen Jesus tritt, steht er zugleich vor dem Sohn Gottes. Aber wenn es um den Charakter seiner Gottheit geht, dann zeigt uns der Geist Gottes durch Johannes eben nicht, dass Satan vor Ihn trat.