«Im Übrigen, meine Brüder, freut euch im Herrn! Euch dasselbe zu schreiben, ist mir nicht lästig, für euch aber ist es sicher» (Phil 3,1).
Dieser Vers ist vielen Bibellesern bekannt. Trotzdem lohnt es sich, einige Augenblicke darüber nachzudenken.
Im Übrigen
Der Anfang dieses Verses macht deutlich, dass Paulus das Thema wechselt. In seinen Schriften gebraucht er den Ausdruck «im Übrigen» mehrfach. Gemeint ist nicht, dass nun etwas weniger Wichtiges folgt, sondern dass ein neuer Gedanke vorgestellt wird.
In Kapitel 2 spricht Paulus über die Schönheit des Lebens des Gläubigen. Er zeigt, wie wir in der Gesinnung unseres Herrn leben und Ihn in einer verdrehten und verkehrten Welt als das Wort des Lebens darstellen können. In Kapitel 3 zeigt er nun, wo die Kraft herkommt, um die Schönheit des christlichen Lebens wirklich sichtbar zu machen. In Kapitel 2 geht es um das, was wir tun sollen, und in Kapitel 3 um die Kraftquelle zu einem solchen Leben. Die Kraft kommt vom verherrlichten Herrn im Himmel.
Philipper 3 spricht von einem zweifachen Glaubensblick: erstens vom Blick nach oben auf den verherrlichten Herrn und zweitens vom Blick nach vorn auf das Ziel. Dieses ist niemand anders als Christus selbst, der Kampfpreis der Berufung Gottes. Wer in diese Richtungen blickt, kennt die wahre Freude im Herrn.
In Kapitel 2 wird der Herr Jesus als der Mensch, der sich selbst erniedrigt hat, in seiner Gesinnung auf der Erde vorgestellt. In Kapitel 3 sehen wir den verherrlichten Herrn, der im Himmel das Ziel und die Kraft des Glaubenden ist. Das ist ein Kontrast. Aber beides gehört unbedingt zusammen. Wenn wir auf dieser Erde einem demütigen Jesus folgen und seine Gesinnung offenbaren wollen, dann brauchen wir Ihn als das Ziel in der Herrlichkeit. Wir müssen von Ihm in der Herrlichkeit, die Er jetzt schon hat und die vor uns liegt, ergriffen sein. Nur so bekommen wir die nötige Kraft.
Meine Brüder
Diese Anrede gebraucht Jakobus häufig. Paulus spricht nur die Römer, die Korinther und hier die Philipper in dieser Form an. Sie verstärkt die sonst übliche Anrede «Brüder». Sie deutet die enge familiäre Beziehung an, die Paulus zu den Philippern hatte. Es ist wohl nicht von ungefähr, dass Paulus diese Anrede gerade hier benutzt, nachdem er den Philippern am Ende von Kapitel 2 einen leisen Vorwurf nicht ersparen konnte. Er war überzeugt, dass seine gute Beziehung zu seinen Brüdern und Schwestern in Philippi nicht darunter leiden würde.
Freut euch
Der Apostel befand sich im Gefängnis, als er dies schrieb. Seine Umstände stellten sicher keinen Grund dar, sich zu freuen. Dennoch können wir sicher sein, dass Paulus nicht nur seine Glaubensgeschwister zur Freude aufforderte, sondern sich selbst im Herrn freute. Er stellt hier den Herrn zwischen sich und die Umstände. Er macht es nicht umgekehrt. Die Umstände sollen nicht zwischen ihn und den Herrn kommen. Das erste gibt Freude, das zweite nimmt die Freude. Davon können wir lernen.
Freude ist ein Grundbedürfnis des Menschen. Auch Ungläubige suchen Freude. Doch das Ende ihrer Freude ist oft Traurigkeit. Das müssen wir Christen ebenfalls erfahren, wenn wir uns nach jenen Freuden ausstrecken. Die «Freude im Herrn» ist aber etwas völlig anderes als die Freude der Welt. Es geht bei dieser Freude weder um die Freude in den Umständen noch um die Freude an unseren Segnungen.
Sicher gibt es Situationen, in denen wir uns in den Umständen freuen können. Gott schenkt sie uns. Aber Umstände können sich ändern und dann ist die Freude schnell dahin. Als Paulus diese Worte schrieb, war er durchaus nicht in angenehmen Umständen. Aber die Freude im Herrn ist unabhängig von äusseren Umständen. Wir haben diese Freude, wenn Er vor unseren Herzen steht.
Auch die Freude an unseren Segnungen ist etwas Wunderbares. Sie ist wichtig und gut, und wir alle sollten sie kennen. David spricht in Psalm 51,14 von der Freude des Heils Gottes. Doch die Freude an Dem, der den Segen und das Heil gibt, ist grösser. Darum geht es hier. Die Freude an dem, was Christus ist, übersteigt die Freude an dem, was Er getan hat ohne dass wir sein Tun irgendwie gering schätzen würden.
Der verherrlichte Herr im Himmel war die Quelle der Freude von Paulus. Er ist auch die Quelle unserer Freude. Wir kennen Ihn und sind mit Ihm verbunden. Diese Freude im Herrn ist keine äussere Ausgelassenheit. Sie führt vielmehr zu einem ausgewogenen Leben in der Gemeinschaft mit Ihm.
Im Herrn
Es fällt auf, dass im Grundtext der Artikel vor «Herr» fehlt. Das hat sicher seine Bedeutung. «In dem Herrn» (mit Artikel) weist an vielen Stellen in den Briefen auf unsere Verantwortung hin, die sich aus unserer Stellung «in Christus» ergibt. Das scheint hier nicht der Gedanke zu sein.
Hier geht es um den Herrn in der Herrlichkeit. Petrus sagt in Apostelgeschichte 2,36, dass Gott Ihn zum Herrn und zum Christus gemacht hat. Dieser Jesus, der sich erniedrigt und hier gelebt hat und von den Juden gekreuzigt wurde, ist jetzt als Mensch auf den höchsten Platz gesetzt worden. Dieser Platz zur Rechten Gottes zeigt uns seine Herrlichkeit, die Er jetzt im Himmel hat. Gott hat Ihn hoch erhoben und Ihm den Namen gegeben, der über jeden Namen ist (Phil 2). In diesem verherrlichten Herrn sollen wir uns jetzt freuen. Das ist die Quelle unserer Kraft, die wir brauchen, um Ihm zu folgen.
In Nehemia 8,10 heisst es: «Die Freude am HERRN ist unsere Stärke.» Auch wenn es dort im direkten Zusammenhang mehr darum geht, dass der Herr unser Schutz oder unsere Festung ist, können wir diesen Gedanken auch mit Kraft verbinden. Wir erkennen, wie wichtig es ist, den Herrn nicht nur in seiner Niedrigkeit als Mensch auf der Erde zu sehen, sondern mit Ihm in der Herrlichkeit beschäftigt zu sein.
Dies führt uns zum Epheser-Brief. Dort finden wir, dass seine Stellung jetzt auch die unsere ist. Wir sind unlösbar mit Christus in der Herrlichkeit verbunden. Diese Quelle der Kraft und der Freude brauchen wir, um seine Gesinnung zu offenbaren. Ohne Freude kann man dem Herrn weder dienen noch nachfolgen. Freude «im Herrn» ist sowohl unsere Freude an Ihm wie auch unsere Freude mit Ihm in der Herrlichkeit.
Nicht lästig
«Euch dasselbe zu schreiben, ist mir nicht lästig.» Diese Aussage bezieht sich nicht auf etwas, das Paulus früher mitgeteilt hat. Der Apostel unterstreicht vielmehr das, was Er hier sagt. Es war ihm nicht zu viel, gewisse Dinge zu wiederholen. Wiederholung ist auch für uns ein wichtiges biblisches Prinzip (2. Pet 3,1). Wir alle haben nötig, immer wieder an die Freude im Herrn erinnert zu werden.
Für euch ist es sicher
Die Leser sollten nicht denken, Paulus sei hier seiner Fantasie gefolgt, oder das, was er sagt, sei nicht realisierbar. Im Gegenteil, die Freude im Herrn kann und soll jeden Tag unser Teil sein. Paulus versichert uns, dass seine Worte wahr und zuverlässig sind.
Und doch, wie oft fehlt uns diese Freude! Die Sorgen und Schwierigkeiten des Lebens nehmen uns so gefangen, dass wir Christus nicht mehr sehen. Da sind die Nöte unserer Zeit, Schwierigkeiten im Beruf, in der Familie, im Volk Gottes. Wir sind traurig, einsam oder krank. Gegenüber diesem allem sind wir sicher nicht empfindungslos. Der Herr will uns ja gerade in diesen Umständen nahe sein und uns helfen. Aber sie sollten uns doch die Freude an Ihm nicht nehmen. Johannes schreibt, dass die vollkommene Liebe die Furcht austreibt (1. Joh 4,18). Also lasst uns nicht so viel über unsere Angst und Sorge reden, sondern uns mehr mit dem verherrlichten Herrn beschäftigen und uns in Ihm freuen.