Eine schwierige Wahl

Philipper 1,21-26

Der Apostel Paulus sitzt in Rom in Untersuchungshaft, wo er auf das endgültige Gerichtsurteil wartet. Noch deutet nichts darauf hin, wie der Prozess ausgehen wird (Phil 2,23). Von der Freilassung bis zur Hinrichtung ist alles möglich. Nun erwägt Paulus diese beiden möglichen extremen Ausgänge seiner Situation vor dem Herrn.

Wenn er am Leben bleiben würde, so gäbe es für ihn nur einen Inhalt, nur einen Mittelpunkt: Christus. Ihn wollte er mehr erkennen, aber nicht nur theoretisch, sondern auch die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden, um am Ende seinem Tod gleichgestaltet zu werden, indem er den Märtyrertod zu sterben wünschte (Phil 3,10.11). Wenn er noch weiterleben durfte, so wollte er weiterhin durch Glauben an den Sohn Gottes leben, der ihn geliebt und sich selbst für ihn hingegeben hatte (Gal 2,20). Wenn er aber als Ausgang des Prozesses den Märtyrertod sterben sollte, dann wäre das für ihn Gewinn. Der Tod würde ihn, der ganz von Christus ergriffen war, Christus ergreifen lassen (Phil 3,12-14). In beiden Fällen wünschte er, dass Christus an ihm hoch erhoben würde, sei es durch Leben oder durch Tod (Phil 1,20).

Wenn er weiter leben sollte – wie viel Mühe würde das bedeuten! Er müsste sich weiterhin als Diener Gottes erweisen, in vielem Ausharren, in Bedrängnissen, in Nöten, in Ängsten, in Schlägen, in Gefängnissen, in Aufständen, in Mühen, in Wachen, in Fasten (2. Kor 6,4.5). Doch im Gegensatz zum Buch des Predigers, wo alles Sich-Abmühen des Menschen unter der Sonne nur Eitelkeit ist, weil er sich für das Vergängliche plagt, ist ein Leben im Dienst für den Herrn der Mühe wert, denn dabei wird bleibende Frucht hervorgebracht (Joh 15,16).

Paulus, der beide Möglichkeiten sorgfältig abgewogen hat, weiss nicht, was er wählen soll. Noch einmal bedrängt ihn der Wunsch abzuscheiden. Es wäre weit besser, bei Christus zu sein. Ist nun die Wahl doch getroffen? Will er nicht das Bessere für sich? Doch Paulus denkt nicht nur an sich. Da sind ja noch die Geschwister in Philippi, und für sie wäre sein Bleiben nötiger.

Das Bessere oder das Nötigere: Was soll er wählen? Wenn er nur an sich denkt, natürlich das Bessere. Doch er kann nicht nur an sich denken. Nein, er muss immer mehr an die denken, denen sein Dienst gilt, und sein Eigeninteresse tritt mehr und mehr in den Hintergrund. So gewinnt er die Zuversicht vor dem Herrn, dass er bleiben wird: bleiben für die Philipper, zur Förderung ihres Glaubens und zu ihrer Freude. Alles würde in ihrem Rühmen in Christus münden. Ja, Christus würde weiter durch ihn geehrt werden.

Wie viele Fragen wirft das Vorbild dieses treuen Dieners für uns auf!

  • Ist Christus auch unser Lebensinhalt?
  • Ist Sterben auch für uns Gewinn?
  • Können wir unsere eigenen Interessen zurückstellen?
  • Sind die Bedürfnisse der Glaubensgeschwister für uns wichtiger als unsere Belange?
  • Wägen wir dies alles vor dem Herrn im Gebet ab?
  • Wird Christus an uns in jeder Situation erhoben?

Wie schön wäre es, wenn wir alle diese Fragen mit einem klaren «Ja» beantworten könnten.