Keinen Wortstreit führen

2. Timotheus 2,14

Die Bibel ist kein Buch, über deren Aussagen wir diskutieren dürfen. Sie ist «das Wort der Wahrheit». Gott teilt uns seine Gedanken mit, damit wir mit der Erkenntnis seines Willens erfüllt sind und ein Leben zu seiner Ehre führen. Im 2. Timotheus-Brief wird Timotheus aufgefordert, die Gläubigen vor Wortstreit zu warnen. Die Folgen sind fatal. Offensichtlich bestand diese Gefahr damals wie heute.

«Dies bringe in Erinnerung, indem du ernstlich vor dem Herrn bezeugst, nicht Wortstreit zu führen, was zu nichts nütze, sondern zum Verderben der Zuhörer ist» (2. Tim 2,14).

Der 2. Timotheus-Brief zeigt uns den Diener Gottes in den letzten Tagen des christlichen Bekenntnisses auf der Erde. Er steht vor seinem Herrn und soll sich Ihm gegenüber bewähren. Der Mensch Gottes ist seinem Herrn verantwortlich. Er soll aber auch – gerade in schwerer Zeit – in seinem Verhältnis zu anderen klar stehen. Er befindet sich innerhalb des christlichen Zeugnisses, das in Kapitel 2,20 mit einem grossen Haus verglichen wird. Da gibt es besondere Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen. Eine davon haben wir hier.

In Erinnerung bringen

In Kapitel 2,2 wurde Timotheus an das erinnert, was er gehört hatte. In Vers 7 sollte er etwas bedenken. Jetzt wird er aufgefordert, etwas in Erinnerung zu bringen. Das ist immer der Weg für einen zuverlässigen Diener des Herrn. Zuerst lernt er selbst, indem er etwas aufnimmt. Er hört oder liest. Dann folgt das Bedenken. Was man gelernt hat, muss im Herzen erwogen werden. Das Wort Gottes wird erforscht, erkannt und auf Herz und Gewissen angewandt. Zum Bedenken gehört selbstverständlich auch, dass man in dem bleibt, was man gelernt hat, und dass es ausgelebt wird. Dann kommt als Drittes hinzu, dass man das Gehörte und Überdachte bezeugt, andere unterweist und sie daran erinnert. Hier geht es konkret um die Belehrung, keinen Wortstreit zu führen, aber die Aussage ist generell anwendbar.

«In Erinnerung bringen» ist ein permanenter Vorgang. Die Wahrheit Gottes an sich ist uns vollständig übermittelt. Es kommt nichts Neues mehr dazu. Das Glaubensgut ist ein für alle Mal den Heiligen überliefert. Es muss jedoch immer wieder neu in Erinnerung gebracht werden. Dieser Ausdruck wird auch noch in Titus 3,1 gebraucht.

Wir lernen daraus, dass es im Dienst des Wortes nicht in erster Linie darum geht, faktische Informationen – also Sachwissen – zu vermitteln. Vielmehr soll sich die Wahrheit im Herzen der Zuhörer einprägen und dort etwas bewegen. Wenn wir das Wort vorstellen – sei es in den Zusammenkünften, in der Familie oder bei anderen Gelegenheiten –, geht es nicht darum, durch wenig Bekanntes oder Neues möglichst interessant zu sein, sondern darum, an sich bekannte Tatsachen in Erinnerung zu bringen. Dabei kann das Vorgestellte für den einen oder anderen durchaus neu sein (z.B. für die, die jung im Glauben sind), aber darum geht es nicht primär. Petrus z.B. wollte durch Erinnerung die lautere Gesinnung seiner Briefempfänger aufwecken (2. Pet 3,1).

Bezeugen

Die Art und Weise, wie das geschehen soll, wird als ein ernsthaftes Bezeugen beschrieben. Das bedeutet, dass man jemand beschwört und ihn warnt. Dieser Grundsatz ist allgemein gültig. Wir sollen, wenn wir das Wort Gottes vorstellen, nicht leichtfertig oder oberflächlich sein. Es gibt natürlich Abschnitte, die einen ermunternden Charakter haben, während andere zur Ermahnung dienen. Aber wir sollten Gottes Wort immer in einer würdigen Weise vorstellen. Die Bibel ist kein unterhaltsames Buch, sondern Gottes heiliges Wort. Dazu gehört ein würdiger Ernst. Niemand, der Gottes Wort verkündigt, sollte meinen, die Zuhörer müssten durch witzige oder spassige Bemerkungen «bei Laune» gehalten werden.

Vor dem Herrn

Das ernsthafte Bezeugen wird durch den Zusatz «vor dem Herrn» verstärkt. Das bedeutet «im Angesicht des Herrn». Der Diener soll stets das Bewusstsein haben, dass er vor seinem Herrn steht, der alles sieht und beurteilt. Nicht umsonst wird Er hier «der Herr» genannt – ohne jeden weiteren Zusatz. Ihm gehört alle Autorität. Wir schulden Ihm Gehorsam und sollen nie vergessen, dass Er der Herr ist. Alles, was wir tun, geschieht unter seinen Augen. Er sieht und beurteilt alles: Taten, Worte und Motive.

Wir denken an das Beispiel eines grossen Gottesmannes aus dem Alten Testament, der auch etwas zu bezeugen hatte: Elia. Er handelte und redete im Bewusstsein, dass er es mit dem HERRN zu tun hatte, vor dessen Angesicht er stand. Wenn dies unser Herz erfüllt, wird das ein prägendes Element in unserem Leben als Diener des Herrn sein. Dann werden wir in der Lage sein, «Aussprüche Gottes» zu reden (1. Pet 4,11) und keinen Wortstreit zu führen.

Kein Wortstreit

Jetzt kommt Paulus zum eigentlichen Kern seiner Aussage. Er legt grossen Wert darauf, dass Wortstreit vermieden wird, denn er ist zum Verderben der Zuhörer. In der griechischen Welt damaliger Tage führte man gerne zu allen Themen Wortstreit. Gerade bei grosser Gelehrsamkeit ist die Gefahr vorhanden, sich in endlosen Diskussionen und Spekulationen zu ergehen. In 1. Timotheus 6,4 wird deutlich gemacht, dass Streitfragen und Wortgezänk zu den Kennzeichen falscher Lehrer gehören.

Ohne Zweifel hat jedes Wort in der Bibel seine Bedeutung. Sie ist ja «Wort für Wort» von Gott eingegeben (2. Tim 3,16). Es ist wichtig, dass wir an der wörtlichen Eingebung der Bibel festhalten. Es ist zu wenig, wenn man sagt, die Bibel enthalte Gottes Gedanken. Nein, die Bibel ist Gottes Wort. Er hat sie uns Wort für Wort gegeben. Die einzelnen Worte sind wichtig, und wir sollten sie beachten und auch darüber nachdenken, warum Gott an welcher Stelle ein bestimmtes Wort gebraucht und an einer anderen Stelle vielleicht ein anderes. Aber wichtig ist, dass darüber vor anderen – den Zuhörern – kein Streit geführt wird. Das gilt z.B. für die Herkunft einzelner Worte oder für ihre ursprüngliche Bedeutung. Viele Dinge können die Zuhörer – z.B. in einer öffentlichen Zusammenkunft – gar nicht beurteilen. Denken wir an unsere Kinder oder jungen Leute. Es ist verhängnisvoll, wenn vor ihren Ohren – auch in unseren Familien – solch ein Wortstreit geführt wird. Unsere jungen Leute sollten den Eindruck bekommen, dass die Bibel kein gewöhnliches Buch ist, sondern Gottes heiliges Wort, das wir in Ehren halten.

Es ist wahr, dass wir nicht in allen Fragen der Auslegung eine einheitliche Meinung haben. Es gibt bisweilen unterschiedliche Ansichten, über die wir uns miteinander austauschen. Dazu dienen gemeinsame Wortbetrachtungen oder Bibelkonferenzen. Ein solcher Austausch ist nützlich und völlig in Ordnung. Er soll aber in keinem Fall in Wortstreit ausarten. Ein Diener Gottes tut so etwas selbst nicht, und er achtet auch darauf, dass andere es nicht tun.

Wortstreit bleibt nicht ohne Folgen und sie sind niemals positiv. Deshalb sagt Paulus: Wortstreit ist «zu nichts nütze». Aber mehr noch: Wortstreit hat schädliche Folgen. Die Zuhörer werden dadurch nicht nur verwirrt, es geht noch weiter. Paulus sagt, dass es zu ihrem Verderben ist. «Verderben» meint hier nicht die ewige Verdammnis. In 2. Petrus 2,6 wird dieses Wort noch einmal gebraucht. Dort geht es um die «Zerstörung» Sodoms. Aus dem entsprechenden griechischen Wort im Urtext ist unser Wort «Katastrophe» abgeleitet. Die Folgen von Wortstreit sind also katastrophal.

Wir wollen uns durch diesen Vers einerseits warnen lassen, keinen Wortstreit zu führen und uns gleichzeitig zu dem ermuntern lassen, was Paulus anschliessend schreibt, nämlich «das Wort der Wahrheit recht zu teilen». Das ist für das Glaubensleben nützlich und förderlich.