Finsternis

Finsternis in der Schöpfung ist eine Folge des Falls von Satan, den wir wohl zwischen den Versen 1 und 2 von Mose 1 einordnen müssen. Im moralischen Sinn ist Finsternis eine Folge des Sündenfalls. Seit dieser Zeit ist der Mensch «verfinstert am Verstand» (Eph 4,18). Er wird von der «Gewalt der Finsternis» beherrscht und führt ein Leben, das durch «Finsternis» und «Werke der Finsternis» charakterisiert wird (Kol 1,13; Eph 5,8.11; Joh 3,19). Ein absolut trostloser und hoffnungsloser Zustand, in dem wir uns alle von Natur aus befanden.

Im Gegensatz dazu stellt die Bibel uns Gott vor, der «Licht ist» (1. Joh 1,5) und ein «unzugängliches Licht bewohnt» (1. Tim 6,16).

Wie konnte dieser Gegensatz überbrückt werden? Dadurch, dass der Sohn Gottes, «das wahrhaftige Licht» (Joh 1,9) als Mensch auf die Erde kam und hier zur Freude Gottes und zum Segen der Menschen gelebt hat.

Aber – so wunderbar und beeindruckend es ist, das Leben des Herrn Jesus auf der Erde zu betrachten – retten konnte uns nur das Werk von Golgatha. Was bedeutete das für den Herrn Jesus?

Unmittelbar nach seiner Verhaftung in Gethsemane sagte Er: «Dies ist eure Stunde und die Gewalt der Finsternis» (Lk 22,53). Es war Ihm bewusst, dass sich in den nächsten Stunden der ganze Hass des Menschen, seine Gemeinheit und Gewalttätigkeit über Ihm entladen sollte. Dahinter stand Satan, der die verblendeten Menschen anstachelte, sich so am Herrn Jesus zu vergreifen.

Dazu gehörten die körperlichen Leiden, die man Ihm zufügte; aber auch das seelische Leid, wie Menschen mit ihren Worten und Taten das Herz und die Empfindungen des Heilands verletzten. So entlud sich die «Gewalt der Finsternis» über dem Unschuldigen und einzigen Gerechten, dessen Leben dadurch gekennzeichnet war, dass Er umherging «wohl tuend und alle heilend, die von dem Teufel überwältigt waren; denn Gott war mit ihm» (Apg 10,38).

  • Von finstern Mächten ganz umgeben,
    bliebst Du doch völlig Gott geweiht,
    gabst willig hin dein teures Leben
    zu Gottes Ehr und Herrlichkeit.
    Hast deine Lieb am Kreuz enthüllet,
    sowie der Mensch den tiefsten Hass,
    hast Gottes Willen ganz erfüllet,
    und ach! der Mensch sein Sündenmass.

Nachdem die Menschen den «Herrn der Herrlichkeit» gekreuzigt und drei Stunden lang mit Spott und Hohn bedacht hatten, kam eine «Finsternis über das ganze Land» (1. Kor 2,8; Mt 27,45). Diese von den Menschen wahrnehmbare Finsternis markiert die Zeit, in der der Herr Jesus von Gott gerichtet wurde. Da traf das schonungslose Gericht eines heiligen Gottes den Heiligen und Gerechten – und das wegen unseren Sünden! In diesen drei Stunden der Finsternis wurde der Herr Jesus «zur Sünde gemacht» (2. Kor 5,21); d.h. Gott behandelte Ihn so, als wäre Er die Quelle alles Bösen, aus der die sündigen Handlungen und Worte der Menschen hervorkamen. Das war eine Zeit grösster Qual und Seelennot für unseren Heiland. Er litt schrecklich unter diesem Gericht – und gleichzeitig war Ihm der Trost der Gemeinschaft mit seinem Gott verwehrt. «Mein Gott! Ich rufe am Tag (es war etwa die Zeit von 12 Uhr bis 15 Uhr mittags), und du antwortest nicht; und bei Nacht (das beschreibt die Zeit der Finsternis, die am hellen Tag über dem Land lag), und mir wird keine Ruhe» (Ps 22,3). Unvorstellbares Leid hat den Herrn Jesus in dieser Zeit getroffen.

  • Wir denken still der finstren Stunden,
    da, Jesus, Du am Kreuz zum Fluch gemacht,
    wo Du trugst alle unsre Sünden
    und triumphierend riefst: «Es ist vollbracht!»
    O nimm entgegen unsrer Herzen Dank,
    in Ewigkeit der Deinen Lobgesang.

Gottes Wort beschreibt auch den Bereich des Todes mit dem Ausdruck «Finsternis». Beeindruckend ist die Formulierung aus dem Buch Hiob: «… ehe ich hingehe (und nicht wiederkomme) in das Land der Finsternis und des Todesschattens, in das Land, düster wie das Dunkel, das Land des Todesschattens und der Unordnung und wo das Hellwerden dem Dunkel gleich ist» (Hiob 10,21.22)! Der Herr Jesus hat darunter gelitten, dass Er als relativ junger Mann, sozusagen in der Vollkraft seines Lebens in den Tod gehen musste (Ps 102,25).

Der Tod als Ausdruck der Trennung von Geist und Seele vom Körper hat Ihn getroffen; aber vor allem war es der Tod in seiner Konsequenz als Lohn oder Folge der Sünde. In diesem Sinn ist Finsternis auch ein Ausdruck für das ewige Gericht der Ungläubigen (2. Pet 2,17; Judas 13). Das brachte für unseren Herrn tiefe körperliche und seelische Not mit sich. «Du hast mich in die tiefste Grube gelegt, in Finsternisse, in Tiefen» – so beschreibt uns die Bibel in prophetischer Sichtweise die Empfindungen unseres Heilands. Und am Ende dieses Psalms lesen wir: «Freund und Genossen hast du von mir entfernt; meine Bekannten (oder Vertrauten) sind Finsternis» (Ps 88,7.19).

So hat unser Herr

  • die Gewalt der Finsternis,
  • drei Stunden der Finsternis im Gericht Gottes und
  • Finsternis als Ausdruck für den Tod

erfahren müssen. Das alles hat Er in seiner unfassbaren Liebe erduldet, um uns zu retten.

  • Tiefer noch muss die Liebe gehen,
    hat sich an unsern Platz gestellt:
    Er hing am Kreuz in Schmach und Wehen,
    starb für eine verlorne Welt!

Wenn wir unseren Herrn Jesus so betrachten und den Eindruck von seinen Leiden so auf uns einwirken lassen – wächst dann nicht automatisch unsere Bewunderung, Wertschätzung und Zuneigung für Ihn? Durch sein Werk am Kreuz von Golgatha sind wir «berufen aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht» (1. Pet 2,9). Die Folge davon soll sein: «Lasst uns nun die Werke der Finsternis ablegen, die Waffen des Lichts aber anziehen» (Röm 13,12). Auch im Epheser-Brief finden wir einen ähnlichen Appell: «Einst wart ihr Finsternis, jetzt aber seid ihr Licht im Herrn; wandelt als Kinder des Lichts» (Eph 5,8).

So kann uns die Beschäftigung mit

  • unserem hoffnungslosen Zustand als verlorene Sünder und
  • den tiefen Leiden unseres Heilands, die Er ertrug, um uns zu retten,

anspornen, ein Leben zu führen, das durch Hingabe an Ihn und Übereinstimmung mit Ihm gekennzeichnet ist.