Nach dem Propheten Maleachi stand in Israel während einer Zeitepoche von über 400 Jahren kein Prophet mehr auf. Wie schwer war dies für die Gottesfürchtigen in diesem Land! Ein Volk ohne Prophet, jahrhundertelanges Schweigen Gottes: Das war tatsächlich eine lange, dunkle Zeit.
Dann trat Johannes auf. Sein ungewöhnlicher Lebensstil, seine Worte, sein Dienst – das rüttelte damals die Juden auf. Sie begannen nachzudenken. Es heisst: «Als aber das Volk voll Erwartung war und alle in ihren Herzen wegen Johannes überlegten, ob er nicht etwa der Christus sei …» (Lk 3,15). In Johannes 1,19.22 fragten ihn die Priester und Leviten: «Wer bist du?» «Was sagst du von dir selbst?» War er der Prophet oder etwa Elia? Wer war diese aussergewöhnliche Person, die so wenig über sich selbst sagte?
Sein öffentlicher Dienst dauerte nur eine kurze Zeit. Danach verschwand er von der Bildfläche, um einem unendlich Grösseren Platz zu machen. In allen vier Evangelien werden uns Mitteilungen über diesen geschätzten Diener des Herrn gemacht.
Sein Profil
(Lk 1,12-17)
Gott bricht sein langes Schweigen und lässt durch den Engel Gabriel dem Priester Zacharias eine verheissungsvolle Botschaft über Johannes, seinen zukünftigen Sohn, verkünden. Dieser würde ein Anlass zur Freude und zum Jubel für seine Eltern und für seine Mitmenschen sein. Ja, er wird gross sein vor dem Herrn. Selbst der Herr Jesus sagt von ihm: «Unter den von Frauen Geborenen ist kein grösserer Prophet als Johannes der Täufer; der Kleinste aber im Reich Gottes ist grösser als er» (Lk 7,28). Als Prophet Gottes überragt Johannes alle seine Vorgänger; was jedoch seine Stellung betrifft – er gehörte zur Zeit des Gesetzes, nicht zur Zeit der Gnade –, ist das schwächste Kind Gottes grösser als er.
Auf Anweisung des Engels musste Johannes sich von alkoholhaltigen Getränken enthalten. Von Geburt an wurde er mit Heiligem Geist erfüllt und war als Nasir für Gott abgesondert. Im Dienst für den Herrn verzichtete er auf irdische Freuden und Luxus. In unserer komplexen Welt – einerseits des Wohlstands, anderseits aber auch der Armut – belehrt uns die Bibel, mit dem Konsum irdischer Güter sorgfältig umzugehen: «Berauscht euch nicht mit Wein, in dem Ausschweifung ist, sondern werdet mit dem Geist erfüllt» (Eph 5,18), und «begnügt euch mit dem, was vorhanden ist» (Heb 13,5).
Der Auftrag von Johannes war sehr vielseitig und herausfordernd:
- Dass viele Söhne Israels sich zu dem Herrn bekehren. – Sein Dienst bezog sich vorwiegend auf das geistlich verlorene jüdische Volk.
- Um die Herzen der Väter zu den Kindern zu bekehren. – Der Generationen-Konflikt war offensichtlich damals schon ein Problem, das es anzusprechen galt.
- Um Ungehorsame zur Einsicht zu bringen. – Die Menschen, die Gott nicht gehorchten, sollten zu einer neuen biblischen Denkweise über sich selbst gebracht werden.
Er würde mit der Kraft und dem Eifer eines Propheten Elia vor dem Herrn hergehen. Johannes war also der Wegbereiter, der Vorläufer des Herrn Jesus Christus. Das Ziel seines Dienstes war die Verherrlichung unseres Herrn.
Seine Stimme
(Joh 1,23; Mt 3,3)
«Ich bin die Stimme …» – antwortete Johannes auf die Fragen der Menschen. War das alles? Ja. Johannes bezog sich auf die Stelle aus Jesaja 40,3. Auf die vielen Fragen der Pharisäer antwortete er stets knapp. Er war nur die Stimme eines Vorläufers. Aber diese Stimme war von Klarheit, Kraft und Kühnheit gekennzeichnet. Und seine Botschaft war keineswegs oberflächlich oder grob. Es gab für ihn kein Ansehen der Person. Nicht einmal vor König Herodes nahm er ein Blatt vor den Mund. Mit prophetischer Autorität nahm er die politischen und geistlichen Führer des Volkes in die Pflicht. Es gelang ihm, die Aufmerksamkeit nicht auf sich, sondern auf Christus zu lenken.
«… eines Rufenden in der Wüste: …» Ausserhalb der Zivilisation, in der Wüste von Judäa, wurde er zum Dienst vorbereitet. Dort lag auch sein Missionsfeld. Seine Kleidung und seine Nahrung passten zu seiner Aufforderung zur Buße. Er führte viele zur öffentlichen, demütigen Buße und anschliessend zur Taufe.
«Macht gerade den Weg des Herrn.» Ohne Kompromisse machte der Vorläufer deutlich, was Gott wollte. Das Volk sollte sich auf den kommenden Christus vorbereiten. In Lukas 3,4.5 wird die Fortsetzung von Jesaja 40,3 wiedergegeben: «Jedes Tal wird ausgefüllt und jeder Berg und Hügel erniedrigt werden, und das Krumme wird zu einem geraden Weg und die unebenen werden zu ebenen Wegen werden.» Der erste Teil der Aussage lässt sich vielleicht auf solche anwenden, die im Blick auf den Massstab des Gesetzes Gottes zu kurz kamen. Bei der zweiten Aussage geht es mehr um den Stolz und den Hochmut der Juden, der gebrochen werden sollte. Die krummen Wege des Volkes sollten zu einer geraden Bahn werden. Besonders «krumm» war z.B. das Leben der Zöllner und Sünder.
Seine tiefe Erkenntnis über Christus
(Joh 1,27-37; 3,25-34)
Obwohl Johannes nicht die volle Erkenntnis über das Werk des Herrn Jesus auf dem Kreuz von Golgatha haben konnte, zeigen seine Aussagen über Ihn, wie viel er von Ihm erkannt hatte. Dieser letzte Prophet des Alten Bundes hatte eine tiefe Beziehung zu Gott. Immer wieder blickte er auf Den, der zeitlich nach ihm kam, aber als ewiger Sohn Gottes vor ihm war. Hier einige Beispiele:
- Er sprach mit Würde über die Person von Jesus: «Der nach mir Kommende, dessen ich nicht würdig bin, ihm den Riemen seiner Sandale zu lösen.»
- «Siehe das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt wegnimmt!», und etwas später: «Siehe, das Lamm Gottes!» Dieser Ausdruck der Bewunderung genügte zwei Jüngern des Täufers, ihren Meister zu verlassen und nun dem Einen nachzufolgen, der unvergleichlich grösser war als Johannes.
- Er bezeichnet sich als Freund des Bräutigams, der über dessen Stimme hoch erfreut ist.
- «Er muss wachsen.» Johannes wusste, dass sein Dienst nach dem Auftreten von Jesus zu Ende war. Er freute sich auf das «Zunehmen» des Dienstes von Jesus Christus.
Und wir?
Vorläufer sind Botschafter, die in verschiedenen Lebenssituationen eine spezielle Botschaft verkünden und den Weg für Christus vorbereiten – zum Beispiel als Evangelisten, als Mütter (sie gehören zu den wichtigsten Vorläufern), als Väter, als Schüler oder als Arbeiter usw. Sind wir für unsere Kinder und für unsere Mitmenschen eine Stimme, die von unserem Herrn zeugt? Als Glaubende, die zur Braut des Lammes gehören, stehen wir der Stellung nach dem Herrn Jesus um einiges näher als Johannes. Wir müssen uns aber fragen, ob unsere Hingabe zu Christus, unserem Herrn, und die Wertschätzung seiner Person in unserem Leben auch so sichtbar werden wie bei Johannes.
Der Herr Jesus sagt: «Ihr habt zu Johannes gesandt, und er hat der Wahrheit Zeugnis gegeben … Er war die brennende und scheinende Lampe … Ich aber habe das Zeugnis, das grösser ist als das des Johannes» (Joh 5,33-36).