Der Vorsatz Gottes – von Ewigkeit zu Ewigkeit

Römer 8,29-30

«Welche er zuvor erkannt hat, die hat er auch zuvor bestimmt, dem Bild seines Sohnes gleichförmig zu sein, damit er der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern. Welche er aber zuvor bestimmt hat, diese hat er auch berufen; und welche er berufen hat, diese hat er auch gerechtfertigt; welche er aber gerechtfertigt hat, diese hat er auch verherrlicht» (Röm 8,29.30).

Diese Worte sind vielen Bibellesern gut bekannt. Sie bilden eine Einheit und zeigen uns etwas vom ewigen Vorsatz Gottes, den Er gefasst hat. Wir könnten ihn auch seinen «Ratschluss», seine «Absicht» oder seine «Heilsgedanken» nennen. Dieser ewige Vorsatz zeigt uns das, was seit ewigen Zeiten (vor Grundlegung der Welt) im Herzen Gottes war. Es ist gewaltig, daran zu denken, dass der grosse Gott uns – menschlich formuliert – einen Blick in sein Herz tun lässt.

Gott hatte für uns etwas vorgesehen, was kein Auge gesehen, kein Ohr gehört und in keines Menschen Herz gekommen ist. Sein Vorsatz geht sicher in Erfüllung, denn es hängt nichts von uns ab. Es ist sein Ratschluss.

Eine ewige Dimension

Gottes Vorsatz hat eine ewige Dimension. Er geht von Ewigkeit zu Ewigkeit. Dazwischen liegt die Zeit, in der wir hier leben. Verschiedene Stellen im Neuen Testament zeigen uns etwas davon:

  • Der Ursprung des Vorsatzes ist Gott. 2. Timotheus 1,9 spricht von «seinem eigenen Vorsatz und der Gnade». Es ist sein ewiger Vorsatz. Gott hat diesen Plan gefasst! Wir können nur staunen. Alles geht von Ihm aus. Jeder menschliche Ruhm – jede Ehre auf unserer Seite – ist völlig ausgeschlossen.
  • Der Mittelpunkt des Vorsatzes Gottes ist Christus. Gott hat Ihn zuvor erkannt vor Grundlegung der Welt, aber am Ende der Zeiten offenbart (1 Pet 1,20). Christus wurde nicht vor Grundlegung der Welt auserwählt. Gott konnte keine Auswahl treffen. Aber Er hat Ihn erkannt als den Einen, durch den Er seine Absicht wahrmachen konnte. Sein ewiger Plan war, dass Menschen die Herrlichkeit des Herrn Jesus als Mensch im Tausendjährigen Reich teilen und die Herrlichkeit von Jesus Christus als ewiger Sohn Gottes im Vaterhaus anschauen könnten. Dort wird Er der Erstgeborene unter vielen Brüdern sein.
  • Das Fundament des Vorsatzes Gottes ist Golgatha. Ohne das Kreuz hätte der Ratschluss Gottes nicht in Erfüllung gehen können. Das finden wir in Apostelgeschichte 4,27.28, wo Petrus daran erinnert, dass sich in Jerusalem Herodes, Pontius Pilatus und die Nationen versammelten, um alles zu tun, was die Hand und der Ratschluss Gottes zuvor bestimmt hatte, dass es geschehen sollte.
  • Die Gegenstände des Vorsatzes Gottes – und das macht uns sowohl demütig als auch glücklich – sind wir. Das sehen wir sowohl in Römer 8,29.30 als auch in Epheser 1,4.5, wo uns klargemacht wird, dass wir Kinder und Söhne Gottes sind. Kolosser 1,12 spricht davon, dass wir fähig gemacht sind zum Anteil am Erbe der Heiligen in dem Licht, womit auf die Atmosphäre des Vaterhauses hingewiesen wird.

Eine fünfgliedrige Kette

Paulus nennt in den zitierten Versen aus Römer 8 fünf Punkte, die mit einer Kette von fünf Gliedern verglichen werden können. Diese Kette kommt sozusagen aus der Ewigkeit, taucht in die gegenwärtige Zeit ein und geht wieder in die Ewigkeit:

  1. Wir sind zuvor erkannt. Gott dachte in liebevoller Zuneigung an uns, bevor irgendetwas erschaffen wurde.
  2. Wir sind zuvor bestimmt. Gott hat uns zu einem ganz konkreten Ziel hin auserwählt. Wir sollen einmal dem Bild seines Sohnes gleichförmig sein, damit Er der Erstgeborene unter vielen Brüdern sei.
  3. Wir sind berufen. Der Ruf Gottes erfolgt in der Zeit. Er ergeht an Menschen, die diesem Ruf durch die Wirkung des Heiligen Geistes folgen.
  4. Wir sind gerechtfertigt. Wir sind seinem Ruf gefolgt und haben an den Erlöser geglaubt. Und Gott hat uns in einen Zustand gebracht, der erforderlich ist, damit sein Vorsatz mit uns in Erfüllung gehen kann.
  5. Wir werden verherrlicht. Paulus beschreibt es so, als sei der Ratschluss Gottes schon in Erfüllung gegangen, wenn er sagt: «Diese hat er auch verherrlicht.» In der Ewigkeit wird das Wirklichkeit werden, was uns jetzt schon zugesichert ist.

Zuvor erkannt – zuvor bestimmt

«Zuvor erkennen» und «zuvor bestimmen» bedeuten nicht das Gleiche. Gott hat vor Grundlegung der Welt jeden von uns als Person erkannt. Und Er hat uns – die zuvor erkannten Personen – für ein ganz bestimmtes Teil vorgesehen: das besondere christliche Teil.

Wenn die Bibel sagt, dass Gott uns «zuvor erkannt» hat, also vor Grundlegung der Welt, dann lässt sie uns einen Blick in die Ewigkeit tun. Gott sah uns, bevor irgendetwas geschaffen wurde. Er wusste, dass wir einmal in der Zeit der Gnade leben würden. Der Ausdruck «zuvor erkennen» geht aber weiter, als dass Gott nur von unserer Existenz Kenntnis hatte. Gemeint ist vielmehr eine liebevolle Zuneigung in Gnade. Er hat vor Grundlegung der Welt in Liebe und mit Freude an uns gedacht.

Der Ausdruck «zuvor bestimmen» wird im Neuen Testament nur für Gott gebraucht (vgl. Apg 4,28; 1. Kor 2,7; Eph 1,5.11). Er zeigt einerseits die Souveränität und Allwissenheit Gottes. In der Ewigkeit wählte Er alle, die in der Zeit der Gnade an Jesus Christus glauben würden, für ein bestimmtes Teil aus. Anderseits gibt dieser Begriff das konkrete Ziel Gottes an. Es war seine Absicht, dass wir einmal dem Bild seines Sohnes gleichförmig sein sollen, damit Er der Erstgeborene unter vielen Brüdern sei. Das ist das christliche Teil, das wir, wenn der Herr Jesus zur Entrückung kommt, tatsächlich in Besitz nehmen werden. Im Glauben freuen wir uns heute schon darüber.

Der christliche Besitz

Der typisch christliche Besitz (oder Segen) ist weit mehr als Vergebung der Sünden – so gross und gewaltig das schon ist. Er geht über das hinaus, was Gläubige in anderen Haushaltungen (Zeitperioden) – also im Alten Testament und auch nach der Zeit der Gnade – hatten bzw. haben werden.

Christen haben einen doppelten Besitz

Zum einen bekommen wir ein Erbteil in Verbindung mit der Schöpfung. Wir sind Erben Gottes und Miterben Christi. Gott wird einmal alle Werke seiner Hände unter die Füsse des Sohnes des Menschen stellen. Das wird im Tausendjährigen Reich der Fall sein. Er ist der Erbe und wir sind seine Miterben. Wir werden mit dem Herrn Jesus erscheinen, wenn Er in Macht und Herrlichkeit kommt, um hier auf der Erde sein Reich aufzurichten und seine Herrschaft anzutreten. Diese Herrlichkeit wird Er mit uns teilen. Sein Reich wird tausend Jahre dauern. Darauf folgt der ewige Zustand mit neuen Himmeln und einer neuen Erde, in denen Gerechtigkeit nicht mehr herrschen, sondern wohnen wird (2. Pet 3,13).

Zum anderen steht der christliche Segen in Verbindung mit dem Vaterhaus. Dort werden wir die Herrlichkeit des ewigen Sohnes sehen und bewundern. Wir besitzen sein Leben. Er nennt uns seine «Brüder». In alle Ewigkeit wird Er der Erstgeborene unter vielen Brüdern sein.

Diese beiden Seiten unserer Bestimmung müssen wir unterscheiden. Wir können sie aber nicht voneinander trennen. Die eine ist die öffentliche Seite – sichtbar in dieser Welt und vor anderen. Die andere ist die verborgene Seite – nur sichtbar für die Familie Gottes.

Als der Herr in Johannes 17 zu seinem Vater betete, hat Er am Ende dieses Gebets von diesen beiden Seiten gesprochen. In den Versen 22 und 23 erwähnt Er die öffentliche Seite: «Die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben, damit sie eins seien, wie wir eins sind; ich in ihnen und du in mir, damit sie in eins vollendet seien und damit die Welt erkenne, dass du mich gesandt und sie geliebt hast, wie du mich geliebt hast.» Der Herr Jesus teilt seine Herrlichkeit als Mensch mit uns, und das wird vor den Augen dieser Welt sichtbar werden. Sie wird erkennen, dass wir dem Bild des Sohnes Gottes gleichförmig sind.

Aber in Vers 24 spricht Er von der verborgenen Seite: «Vater, ich will, dass die, die du mir gegeben hast, auch bei mir seien, wo ich bin, damit sie meine Herrlichkeit schauen, die du mir gegeben hast, denn du hast mich geliebt vor Grundlegung der Welt.» Hier geht es um seine Herrlichkeit als ewiger Sohn. Diese Herrlichkeit werden wir niemals mit Ihm teilen können. Wir werden sie aber bewundernd betrachten und staunend sehen, wie sehr der Vater den Sohn liebt. Möglich ist das nur, weil Er Mensch bleibt und uns seine «Brüder» nennt.

Dem Bild seines Sohnes gleichförmig

Wenn Paulus sagt, dass wir dem Bild seines Sohnes gleichförmig sein werden, dann hat das vornehmlich mit der öffentlichen Seite unserer Bestimmung zu tun, wenn wir mit dem Herrn Jesus erscheinen werden. Es ist klar, dass es dann um Ihn als Mensch geht. Trotzdem wird im Blick auf uns vom Bild seines «Sohnes» gesprochen. Der Herr Jesus ist ewiger Gott und Mensch in einer Person. Die Gottheit und die Menschheit des Herrn Jesus können wir nie voneinander trennen, wohl aber unterscheiden. Es geht hier um das Bild des Sohnes Gottes, insoweit Er Mensch geworden ist.

Dem Bild seines Sohnes gleichförmig zu sein, bedeutet nicht, dass wir Götter werden oder in die Gottheit eingeführt würden. Wir sind und bleiben Menschen. Wir können weder unsere Herkunft noch unser Wesen verändern. Wohl sind wir in Christus eine neue Schöpfung, aber wir bleiben Geschöpfe (was vom Herrn Jesus nie gesagt werden darf). Was jedoch seine Stellung als verherrlichter Mensch in Bezug auf die Schöpfung angeht, werden wir in die gleiche Stellung wie Er gebracht. Aber Er bleibt der Vornehmste, der Herausragende. Trotzdem teilt Er seine Herrlichkeit mit uns.

Johannes schreibt: «Geliebte, jetzt sind wir Kinder Gottes, und es ist noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden; wir wissen, dass wir, wenn es offenbar werden wird, ihm gleich sein werden» (1. Joh 3,2). Nach der Anmerkung in der Elberfelder Übersetzung kann man auch lesen: «… wenn er offenbart werden wird.» Wann wird das sein? Wenn Er in Macht und Herrlichkeit erscheint. Dann geht in Erfüllung, was Paulus in 1. Korinther 15,49 schreibt: «… so werden wir auch das Bild des Himmlischen tragen.»

Seinem Bild gleichförmig zu sein, bedeutet nicht, dass wir die absoluten Eigenschaften Gottes in uns tragen. Es heisst aber auch nicht, dass wir Ihm nur äusserlich gleichen. Natürlich werden unsere Körper umgestaltet werden zur Gleichförmigkeit mit seinem Leib der Herrlichkeit (Phil 3,21). Aber «ihm gleich» zu sein, ist mehr. Es schliesst ein, dass wir moralisch so sein werden wie Er, d.h. ohne Sünde. Wir sind dann nicht nur von der Macht der Sünde, sondern von der Sünde selbst befreit. Seine Reinheit, seine Heiligkeit, seine Vollkommenheit als Mensch wird in uns ihren hellen Widerschein finden. Das wird gesehen werden, wenn Er kommt, «um an jenem Tag verherrlicht zu werden in seinen Heiligen und bewundert zu werden in allen denen, die geglaubt haben» (2. Thes 1,10).

Der Erstgeborene

Der Herr Jesus bleibt immer der Ranghöchste. Das wird im Titel «der Erstgeborene» vorgestellt. Darin kommt seine Würde zum Ausdruck, die Ihm allein gehört.

Man kann als Erstgeborener geboren werden (z.B. 1. Mo 49,3). Man kann aber auch zum Erstgeborenen, d.h. zum Ranghöchsten und Vornehmsten, gemacht werden. Sehr schön wird das in Bezug auf David ausgedrückt, von dem Gott sagt: «So will auch ich ihn zum Erstgeborenen machen, zum Höchsten der Könige der Erde» (Ps 89,28).

Im Neuen Testament wird der Herr Jesus als

  • der Erstgeborene aller Schöpfung (Kol 1,15),
  • der Erstgeborene aus den Toten (Kol 1,18),
  • der Erstgeborene der Toten (Off 1,5),
  • der Erstgeborene unter vielen Brüdern (Röm 8,29) vorgestellt.

Hebräer 1,6 spricht vom Erstgeborenen ohne Zusatz. Diese Stelle bezieht sich auf die öffentliche Seite des Reichs: «Wenn er aber den Erstgeborenen wiederum in den Erdkreis einführt, spricht er: Und alle Engel Gottes sollen ihn anbeten.» Das ist der Augenblick seiner öffentlichen Erscheinung.

Der Ausdruck «Erstgeborener» hat mit der öffentlichen und der verborgenen Seite zu tun. Römer 8 bezieht sich auf die verborgene Seite.

Unter vielen Brüdern

Der Zusatz «unter vielen Brüdern» scheint auch die verborgene Seite unserer Bestimmung – das Vaterhaus – einzuschliessen. Der Herr schämt sich nicht, uns seine Brüder zu nennen. Wir würden es nie wagen, Ihn als Bruder zu bezeichnen, weil wir Ihn nicht auf unsere Stufe herabziehen wollen. Er aber sagt in Johannes 20,17 zu Maria: «Geh aber hin zu meinen Brüdern und sprich zu ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater und meinem Gott und eurem Gott.»

Weil Er uns seine Brüder nennt und wir das ewige Leben, das seine Heimat im Vaterhaus hat, besitzen, werden wir einmal an jenem herrlichen Ort sein. Dort werden wir seine Herrlichkeit anschauen und die Liebe bewundern, mit der der Vater Ihn vor Grundlegung der Welt geliebt hat.

Wir staunen, wie eng die beiden Seiten unserer Bestimmung miteinander verbunden sind, wie sie fast ineinander übergehen. Wir werden Ihm gleich sein – wenn Er in Herrlichkeit erscheint, um das Reich zu gründen. Wir werden als solche, die Er Brüder nennt, im Vaterhaus sein und Ihn anbetend bewundern. Wir können nur staunen, dass so etwas im Ratschluss Gottes enthalten ist!

Berufen und gerechtfertigt

Diese Ausdrücke sagen, was Gott in der Zeit mit uns getan hat:

Er hat uns berufen. Das bedeutet nicht einfach, dass Gott alle Menschen ruft, zu Ihm zu kommen. Gemeint ist der Ruf, der durch die Wirkung des Heiligen Geistes auch angenommen wird. Es geht um den wirksamen Ruf Gottes. Dafür sind wir Ihm von Herzen dankbar. Hätte Er uns nicht berufen, wäre niemand von uns zu Ihm gekommen.

Er hat uns gerechtfertigt. Das ist das, was wir als Sünder unbedingt nötig hatten. Nur als Gerechtfertigte kann Gott uns «in Christus» sehen (Röm 8,1). Ohne gerechtfertigt zu sein, wäre es uns unmöglich, seine Herrlichkeit als Mensch zu teilen oder seine Herrlichkeit als Sohn zu sehen. Die Rechtfertigung ist hier sehr umfassend zu verstehen. Sie erfolgte erstens im Blick auf unsere Sünden (Röm 3,23-26) und zweitens im Blick auf die Sünde (Röm 6,7; freigesprochen = gerechtfertigt).

Verherrlicht

Schliesslich spricht Paulus von dem, was – der Zeit nach betrachtet – noch vor uns liegt. Dennoch wird es hier in der Vergangenheitsform als vollendete Tatsache ausgedrückt. Der Glaube freut sich über diese Darstellungsweise. Wenn es um unsere Sichtweise geht, warten wir noch auf die Erfüllung. Für Gott aber ist alles bereits Tatsache. Sein Vorsatz ist so unabänderlich und sicher, dass Paulus sagen kann: «Diese hat er auch verherrlicht.»

Ohne den Herrn Jesus gibt es für uns keine Herrlichkeit. Im Reich werden wir seine Herrlichkeit mit Ihm teilen und im Vaterhaus werden wir seine Herrlichkeit sehen. Doch ein gewaltiger Unterschied wird immer bleiben. Als der ewige Sohn der Liebe des Vaters ist Ihm diese Herrlichkeit wesenseigen. Wenn wir an die Ewigkeit denken, dann hatte Er diese Herrlichkeit seit jeher. Als Sohn des Menschen jedoch hat Er sich diese Herrlichkeit durch seinen Tod auf Golgatha erworben. Er konnte mit allem Recht zu seinem Vater sagen: «Verherrliche deinen Sohn, damit dein Sohn dich verherrliche» (Joh 17,1). Wenn wir aber an uns denken, dann ist es immer eine geschenkte Herrlichkeit. Wir hatten nichts und haben auch nichts verdient. Es ist alles ein Wunder der Gnade Gottes. Da können wir nur staunend anbeten.