Man sieht sie nicht, aber wir wissen, dass es sie gibt. Man kann sie nicht hundertprozentig erklären, aber hundertprozentig erleben.
Was bedeutet es, von neuem geboren zu werden? Wenn wir versuchen, auf diese Frage eine Antwort aus der Bibel zu bekommen, werden wir zwei Seiten finden:
- Zum einen sehen wir, dass die Neugeburt ein Werk Gottes ist, das Er an einem Menschen tut, der das auf Golgatha vollbrachte Erlösungswerk des Herrn Jesus in Buße und Glauben annimmt.
- Zum anderen erkennen wir, dass die Neugeburt ein Wunder seiner Gnade ist, das wir mit unserem Verstand nicht in allen Einzelheiten erklären und verstehen können.
In seiner Unterredung mit Nikodemus in Johannes 3 benutzt der Herr in Vers 8 das Bild des Windes (im griechischen Grundtext dasselbe Wort wie «Geist»), um diese zwei Tatsachen deutlich zu machen:
- «Der Wind weht, wo er will.» Das zeigt, dass die Neugeburt ein souveränes Werk Gottes ist. Wir Menschen können den Wind weder steuern noch beeinflussen. So verhält es sich auch bei der Neugeburt. Wir haben keinen Einfluss darauf, wann, wo, wie oder in wem Gott wirkt.
- «Du weisst nicht, woher er kommt und wohin er geht.» Daraus wird deutlich, dass die Neugeburt ein Geheimnis ist. Ihr Vorgang lässt sich nicht völlig erklären. Wir können den Wind weder sehen noch den Ursprung sowie das Ziel seiner Bewegung wissen. So ist es auch mit der Neugeburt.
Doch das, was Gott uns in seinem Wort über die Neugeburt sagt, dürfen wir im Glauben annehmen. Wir finden für den Vorgang der Neugeburt verschiedene Ausdrücke in der Bibel, die Licht auf dieses Wirken Gottes werfen.
Von neuem geboren
«Wenn jemand nicht von neuem geboren wird, so kann er das Reich Gottes nicht sehen» (Joh 3,3). Als Nikodemus bei Nacht zu Jesus kam und Ihn mit «Rabbi» anredete, antwortete der Herr ihm mit diesen Worten. Damit leitete Er seine Belehrungen über die Neugeburt ein. Nikodemus staunte: Er, der gelehrte Pharisäer, ein Oberster der Juden, sollte so, wie er war, das Reich Gottes nicht sehen können? Wenn er nicht, wer dann? Dass ein stadtbekannter Sünder so nicht in das Reich Gottes eingehen konnte, hätte er verstanden. Aber ein solch edler Mann wie er?
Ja, auch Nikodemus, muss von neuem geboren werden. Das fordert der Herr Jesus. Damit zeigt sich die völlige Unfähigkeit des natürlichen Menschen, in die Nähe Gottes zu kommen und mit Ihm Gemeinschaft zu haben. Mit dem Herrn kam das Reich auf die Erde und war in Ihm als dem König anwesend. Aber ohne die Neugeburt erlebt zu haben, konnte der Mensch das nicht sehen. Was heisst es nun, von neuem geboren zu werden?
«Von neuem geboren werden» oder «von oben her geboren werden» (Joh 3,3.7) bedeutet, auf eine ganz neue Weise, aus einer ganz neuen Quelle des Lebens geboren zu werden. Von dem «alten» Menschen kann Gott gar nichts gebrauchen. Da ist nichts, was verbessert oder veredelt werden könnte, nichts, woran Gott anknüpfen könnte. Um Ihn zu erkennen, um mit Ihm Gemeinschaft zu haben, muss der Mensch eine «neue Schöpfung» werden (2. Kor 5,17).
Aus Gott geboren
Dieser Ausdruck, den wir z.B. in Johannes 1,13 und 1. Johannes 3,9; 4,7; 5,1.4.18 finden, zeigt, wer der Ursprung oder die Quelle der neuen Geburt ist: Gott selbst. Aus Ihm geht dieses wunderbare Geschehen hervor. Das macht Johannes 1,13 deutlich: «Die nicht aus Geblüt noch aus dem Willen des Fleisches, noch aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind.»
Aus Wasser und Geist geboren
Wenn der Herr davon spricht, dass jemand «aus Wasser und Geist geboren» wird, dann weist der Geist auf den Handelnden bei der Neugeburt hin. Der Heilige Geist ist die Person der Gottheit, die bei diesem Vorgang aktiv ist. Er wirkt an der Seele eines Menschen, um sie zur neuen Geburt zu führen. Dabei benutzt Er ein Instrument oder Mittel: das Wasser.
Wasser ist hier wie auch an manchen anderen Stellen ein Bild des Wortes Gottes in seinem reinigenden Charakter (Joh 13,10; 15,3; Eph 5,26). Wasser reinigt das, worauf es angewendet wird. So ist es auch im Geistlichen. Indem der Heilige Geist das Wort Gottes auf Herz und Gewissen eines Menschen anwendet, zeigt Er ihm seinen verlorenen Zustand, rührt sein Gewissen an und bewirkt eine grundlegende Reinigung des Inneren. Das geschieht bei jedem, der an den Herrn Jesus glaubt.
Diese Reinigung ist alles andere als ein leichtfertiges «Schwamm darüber». Das wird uns an einem alttestamentlichen Bild in 4. Mose 19 deutlich gemacht. Dort finden wir die Vorschrift für das «Wasser der Reinigung». Wasser musste mit der Asche des vorher verbrannten Sündopfers vermischt werden und wurde dann zur Reinigung und Entsündigung benutzt. Die Asche redet vom verzehrenden Feuer des Gerichts Gottes, das den Herrn Jesus wegen unserer Sünde traf.
Wenn der Heilige Geist das Wasser des Wortes Gottes auf uns anwendet, bringt Er, bildlich gesprochen, «die Asche mit», d.h. Er bringt uns zum Bewusstsein, wie sehr der Herr für die Sünde gelitten hat.
Der Geist Gottes bewirkt also durch die Anwendung des Wortes Gottes die Neugeburt. Die Bestätigung dieses Gedankens finden wir in 1. Petrus 1,23: «Die ihr nicht wiedergeboren seid aus verweslichem Samen, sondern aus unverweslichem, durch das lebendige und bleibende Wort Gottes», und in Jakobus 1,18: «Nach seinem eigenen Willen hat er uns durch das Wort der Wahrheit gezeugt.»
So zeigt uns der Ausdruck «aus Wasser und Geist geboren» das Instrument und den Handelnden bei der Neugeburt.
Und wie ist es mit der Bekehrung?
Wir haben gesehen, dass die Neugeburt das alleinige Werk Gottes ist. Da können bei uns Fragen aufkommen: Wie ist es mit der Bekehrung? Muss der Mensch gar nichts tun? Auch auf diese Fragen finden wir eine Antwort in der Bibel: Bekehrung und Neugeburt gehören zusammen und beide geschehen im selben Augenblick. Es sind zwei Seiten des gleichen Geschehens. Die Bekehrung ist die Seite der Verantwortung des Menschen, die Neugeburt die Seite der Gnade Gottes.
In Johannes 1,12.13 wird das deutlich. Vers 12 zeigt die Bekehrung: den Herrn als das Licht aufnehmen und an seinen Namen und sein vollbrachtes Erlösungswerk glauben. Dann folgt Vers 13, wo wir die Neugeburt finden. Dort heisst es bezeichnenderweise: «… sondern aus Gott geboren sind (nicht: werden)». Wer sich bekehrt hat, ist auch von neuem geboren.
Auch Johannes 3,16 macht das klar: «Damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe (nicht: bekommt)».
Bekehrung und Neugeburt geschehen also gleichzeitig. Auch das übersteigt unser Verständnis, aber wir nehmen es im Glauben an.
Nicht sichtbar, aber bemerkbar
Der Vergleich der Neugeburt mit dem Wind in Johannes 3,8 hat gezeigt, dass wir den Vorgang der Neugeburt weder sehen noch ganz erklären können. Aber so, wie man den Wind hören und an seinen Auswirkungen bemerken kann, ist es auch mit der Neugeburt. Die neue Natur, die wir dabei empfangen, wird und soll sich in unserem Leben zeigen!
Einige Kennzeichen der neuen Natur werden uns im 1. Johannes-Brief vorgestellt:
- sie ist sündlos (1. Joh 3,9)
- sie ist gerecht (1. Joh 2,29)
- sie liebt (1. Joh 3,10.14)
- sie glaubt (1. Joh 5,1)
- sie überwindet die Welt (1. Joh 5,4)
Das sind grundsätzliche Merkmale der neuen Natur. Wenn diese Züge in unserem Leben praktisch sichtbar werden und uns im Alltag kennzeichnen, wird es für unsere Mitmenschen deutlich werden, dass wir von neuem geboren worden sind, dass wir neues Leben bekommen haben!
Sieht man das bei uns?