Auf dem Berg der Verklärung

Lukas 9,28-36

Diese wohlbekannte Begebenheit der Verklärung des Herrn auf dem Berg wird in den Evangelien Matthäus, Markus und Lukas beschrieben, also von drei Evangelisten, die nicht dabei gewesen sind. Aber sie waren inspirierte Zeugen. Petrus, Jakobus und Johannes hingegen waren drei Augenzeugen. Ausserdem gab es noch zwei Zeugen, die in Herrlichkeit erschienen: Mose und Elia.

Nur in Lukas wird der Grund erwähnt, weshalb der Herr auf den Berg stieg und diese drei Jünger mit sich nahm: Es geschah, «um zu beten». In diesem Evangelium wird der Herr Jesus in besonderer Weise als Mann des Gebets vor uns gestellt. Mehr als in den anderen Evangelien wird hier immer wieder berichtet, dass Er betete. Es ist uns bekannt, dass Er uns in Lukas als «Sohn des Menschen» gezeigt wird und als solcher ist Er für uns ein Vorbild, auch im Gebet. So lehrt uns auch diese Begebenheit, wie sehr es uns nottut, in seiner Gegenwart im Gebet vor Gott zu verharren.

Der Herr nahm die Jünger mit auf einen hohen Berg. Sie mussten hinaufsteigen, und das war mühsam. Aber es war gesegnet, da oben Gemeinschaft mit Ihm zu haben im Gebet. Die Mühe lohnte sich. Die Frucht dieses Gebets auf dem Berg war kostbar: «Und während er betete, wurde das Aussehen seines Angesichts anders und sein Gewand weiss, strahlend» (Vers 29). Diese Verwandlung geschah, «während er betete». Das ist eine wichtige Lektion für uns. Je mehr und je näher wir den verherrlichten Herrn betrachten und im Gebet bei Ihm verharren, desto mehr werden wir in sein Bild verwandelt. Das wird uns auch in 2. Kor 3,18 bezeugt: «Wir alle aber, mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn anschauend, werden verwandelt nach demselben Bild von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, als durch den Herrn, den Geist.» Je völliger wir mit dem Herrn in Gemeinschaft leben, desto deutlicher wird seine sittliche Herrlichkeit in unserem praktischen Leben gesehen werden.

Sein Gewand wurde «weiss, strahlend». Das Gewand ist ein Bild vom äusseren Zeugnis des Christen. Jesus war der einzige Mensch hier auf der Erde, der in vollkommener Reinheit wandelte. Da gab es auch nicht den geringsten Flecken. Jesus Christus war der einzige sündlose, der einzige wahrhaft heilige Mensch auf dieser Erde. Für diese Tatsache gibt es im Wort Gottes viele Zeugnisse. Ich möchte nur auf drei hinweisen:

  1. Petrus bezeugt: «Er tat keine Sünde» (1. Pet 2,22). Während seines ganzen Lebens auf der Erde tat Er keine Sünde. Das konnte sonst von keinem Menschen gesagt werden, auch nicht von den treuesten Gläubigen.
  2. Johannes sagt: «Sünde ist nicht in ihm» (1. Joh 3,5). Das ist ein Zeugnis über das innere Leben des Herrn, während Petrus davon redet, wie es sich nach aussen zeigte.
  3. Paulus schliesslich bezeugt: « … der Sünde nicht kannte» (2. Kor 5,21). Für die heilige Natur Jesu war die Sünde etwas Fremdes. Davon also redet sein weisses, strahlendes Gewand.

Gewiss, die Beschreibung der Verklärung auf dem Berg gibt uns einen kleinen Einblick in seine Herrlichkeit im Tausendjährigen Reich. Aber wir können doch auch diese praktische Lehre daraus ziehen: «Während er betete, wurde … sein Gewand weiss, strahlend.» Wir werden im Wort Gottes ermahnt, so zu wandeln, dass unsere Kleider, unser Äusseres, rein sind. So wird der Versammlung in Sardes zugerufen: «Aber du hast einige wenige Namen in Sardes, die ihre Kleider nicht besudelt haben; und sie werden mit mir eingehen in weissen Kleidern, denn sie sind es wert» (Off 3,4). Solch reine, weisse Kleider zu haben ist eine Würde. Diese Seelen sind hier in der Welt in Reinheit vorangegangen und werden mit weissen Kleidern bekleidet werden. Desgleichen ist es das Vorrecht eines jeden von uns, nahe beim Herrn zu leben und ein heiliges Leben zu führen.

«Zwei Männer redeten mit ihm» (Vers 30). Es gab viele Heilige im Alten Testament, aber nur diese zwei, Mose und Elia, wurden auserwählt, um mit dem Herrn Jesus auf dem Berg der Verklärung zu erscheinen. Dafür gibt es verschiedene Gründe:

Wir alle wissen, dass Mose durch den Tod gehen musste, während Elia im Sturmwind zum Himmel fuhr, also entrückt wurde und vor dem Tod bewahrt blieb – ein Bild dafür, was mit den Gläubigen auf der Erde geschieht. Die einen werden beim Kommen des Herrn als Lebende verwandelt und entrückt; andere aber sind entschlafen; doch auch diese werden im selben Augenblick lebendig gemacht, verwandelt und entrückt werden.

Ein anderer Grund dafür, dass hier diese beiden Männer erschienen, war der, dass Mose der Vertreter des Gesetzes und Elia der Typ der Propheten war. Sowohl das Gesetz als auch die Propheten redeten von Jesus und führten zu Ihm hin. Damit wird uns gleichsam gesagt: Alle die vielen Opfer im Alten Testament konnten keine Sünden wegnehmen. Zwischen den Opfern des Gesetzes und dem Opfer Jesu Christi ist ein grosser Unterschied. – Auch Elia baute einen Altar und brachte für die zwölf Stämme des Volkes Israel ein Opfer dar, das durch Feuer vom Himmel verzehrt wurde. Aber dieses Opfer konnte den Verfall des Volkes Gottes nicht verhindern. Die einzige Hoffnung für die Wiederherstellung Israels war das Opfer Jesu Christi.

Mose und Elia haben in gewisser Beziehung Ähnlichkeit mit dem Herrn Jesus. Mose fastete zweimal je vierzig Tage (2. Mo 24,18 und 34,28). Auch Elia hat vierzig Tage gefastet (1. Kön 19,8). Aber zwischen ihrem Fasten und dem Fasten des Herrn Jesus bestand ein grosser Unterschied. Sie fasteten, um für die Gegenwart des Herrn vorbereitet zu sein. Der Herr aber fastete als der zweite Mensch, um zu zeigen, dass Er in der Versuchung dem Feind widerstehen konnte.

Wie gross war der Gegensatz zwischen dem ersten und dem zweiten Menschen! Der erste Adam war in Eden von der Fülle und Herrlichkeit des Gartens umgeben. Aber er fiel und verlor die Herrschaft über die Erde, die Gott ihm anvertraut hatte. Der Herr Jesus aber, der letzte Adam, hat in der Wüste, umgeben von Not und wilden Tieren, gesiegt. Er war im Begriff, seinen öffentlichen Dienst anzutreten und dabei auch Dämonen auszutreiben; und als Er fastete und vom Feind versucht wurde, da konnte Er ihn besiegen, weil Er der Mächtigere war. Das war geschehen, um der ganzen Schöpfung zu zeigen, dass Er der Einzige war, der, selbst im Zustand des Hungers, den Feind bezwingen konnte.

Die beiden letzten Namen am Schluss des Alten Testaments sind die des Mose und Elia (Mal 3,22.23). Aber wir sehen dort, dass beide Männer nicht fähig waren, den Frieden auf die Erde zu bringen; vielmehr wird dem Volk angedroht, dass das Land mit dem Bann geschlagen würde. Aber am Ende des Neuen Testaments lesen wir von der Gnade des Herrn Jesus Christus. Durch seinen Tod ist Er die einzige Hoffnung, die alleinige Grundlage des Segens für die heutigen Gläubigen geworden.

Obwohl Mose und Elia in der Herrlichkeit waren, besprachen sie mit Christus seinen leidensvollen Ausgang, den Er in Jerusalem erfüllen sollte (Vers 31). Inmitten der Herrlichkeit gedachten sie des Todes des Herrn. Was die Herrlichkeit ausmacht, sind die Leiden des Christus.

Mose sprach einst mehr als einmal den Wunsch aus, ins verheissene Land eingehen zu dürfen, aber er wurde ihm nicht gewährt. Gott sagte ihm schliesslich: Rede mir nicht mehr davon. Wegen seines Versagens am Felsen von Meriba war es ihm unter dem Gesetz unmöglich, ins Land zu kommen. Aber in der Gegenwart Jesu Christi, aufgrund seiner Gnade, war es ihm nun geschenkt, auf dem Berg der Verklärung dieses Land zu betreten.

Wie wunderbar war diese Szene der Unterredung der drei Männer! Aber eigenartigerweise waren Petrus und die anderen beiden Jünger in diesem kostbaren Augenblick vom Schlaf beschwert. Auch im Garten Gethsemane schliefen sie. Sie schliefen in dieser Stunde der Herrlichkeit des Herrn, wie auch in der Stunde seines ringenden Kampfes, als Er bis zum Tod betrübt war. Das ist menschliche Schwachheit. «Als sie aber völlig aufgewacht waren, sahen sie seine Herrlichkeit und die zwei Männer, die bei ihm standen» (Vers 32).

Da sagte Petrus zu Jesus: «Meister, es ist gut, dass wir hier sind; und wir wollen drei Hütten machen, dir eine und Mose eine und Elia eine; und er wusste nicht, was er sagte» (Vers 33). Er wollte die erste Hütte für Jesus machen. War das der Wille Gottes, dass man seinem Sohn nur den ersten Platz gab? Nein, der Herr Jesus soll in den Herzen der Seinen den ersten und letzten Platz haben. Er muss für das Herz der Seinen alles bedeuten. Es mochte den Jüngern als ein Verlust erscheinen, dass Mose und Elia weggingen. Aber im Gegenteil, es war für sie ein grosser Gewinn, dass sie nur noch Jesus allein sahen. So ist es auch für uns. Wenn uns Gott in der Welt etwas wegnimmt, das wir liebten, und uns die Person des Herrn dadurch umso grösser wird, so ist dies kein Verlust, sondern ein grosser Gewinn.

War es die Absicht Jesu, auf dem Berg zu bleiben, wie es Petrus gewünscht hatte? Nein, Er wollte durch diese Szene den Jüngern und uns nur einen Einblick in die Herrlichkeit seines zukünftigen Reiches geben. Die Entfaltung seiner Herrlichkeit war nicht der Hauptzweck seines ersten Kommens. Als Er nachher von dem Berg herabstieg, da bat Ihn ein Mann aus dem Volk, Er möge doch seinen mondsüchtigen Sohn heilen. Wie konnte der Herr auf dem Berg bleiben, wenn es auf der Erde solche Not gab? Anbetungswürdige Liebe! Der Hauptzweck seines ersten Kommens bestand darin, am Kreuz für uns zu sterben und dadurch die Grundlage zum Heil der Menschen zu schaffen.

Da «kam eine Wolke und überschattete sie. Sie fürchteten sich aber, als sie in die Wolke eintraten; und eine Stimme erging aus der Wolke, die sagte: Dieser ist mein geliebter Sohn, ihn hört» (Verse 34,35). Diese Begebenheit hinterliess im Herzen des Petrus einen nachhaltigen Eindruck. In seinem zweiten Brief, kurz vor seinem Märtyrertod, redete er noch davon.

Es gab unter anderen zwei Ereignisse, die auf Petrus einen besonders tiefen Eindruck machten:

1. Die Unterredung des Herrn mit den Jüngern in Matthäus 16,13-20

Dort fragte Er sie: «Ihr aber, wer sagt ihr, dass ich sei? Simon Petrus aber antwortete und sprach: Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.» Da antwortete ihm der Herr: «Glückselig bist du, Simon, Bar Jona … Aber auch ich sage dir, dass du bist Petrus; und auf diesem Felsen», (nicht auf Petrus; dieser war nicht «der Fels», sondern nur Petros, «ein Stein»; der Fels war Christus, der Inhalt des soeben abgelegten Bekenntnisses des Petrus), «werde ich meine Versammlung bauen.» Daran anknüpfend spricht Petrus in seinem ersten Brief vom geistlichen Haus Gottes, in dem jeder Gläubige – auch Petrus – als lebendiger Stein aufgebaut wird; Christus selbst aber ist darin der «lebendige, auserwählte und kostbare Stein», der «Eckstein» (1. Pet 2,4-10).

2. Das Erlebnis auf dem Berg der Verklärung

Von dieser Wolke, die sie hier überschattete, sagt Petrus in seinem zweiten Brief: «Er empfing von Gott, dem Vater, Ehre und Herrlichkeit, als von der prachtvollen Herrlichkeit eine solche Stimme an ihn erging: ‹Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe›» (2. Pet 1,16-19). Jene Wolke war also die prachtvolle Herrlichkeit der Gegenwart Gottes. Von dort her kam die Stimme. Gott wollte nicht zulassen, dass die Herrlichkeit seines Sohnes geschmälert wurde. Gott wacht eifrig über die Herrlichkeit des Herrn. – Die Christen haben erstens geistliche Ohren, um diese Stimme des Vaters bezüglich seines Sohnes zu vernehmen, und zweitens geistliche Augen, um Jesus allein zu sehen. Und wenn wir hier auf der Erde in der Nähe Jesu vorangehen, schmecken wir schon etwas vom Himmel. Möchten wir doch in der Wertschätzung Jesu Christi mit Gott Gemeinschaft haben, Gemeinschaft mit dem Vater über seinen Sohn und geöffnete Augen für Jesus allein! Dann verwirklicht sich das schon angeführte Bibelwort von 2. Korinther 3,18 auch an uns: «Wir … werden verwandelt nach demselben Bild von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, als durch den Herrn, den Geist.»

Das also sind unsere Vorrechte auf der Erde: Im Glauben des Vaters Stimme hören und Jesus sehen. Der Augenblick ist nicht mehr fern, wo wir Ihn sehen werden, wie Er ist, und wo wir Ihm gleich, für immer bei Ihm bleiben werden. Lasst uns allezeit in dieser lebendigen Hoffnung vorangehen!