Die Sorge des Herrn um die Seinen

Matthäus 26,31-32

Die Stunde der Überlieferung des Herrn rückte näher. Was seine Seele und seinen Geist beschwerte, war nicht nur eine Ahnung von dem, was über Ihn kommen würde, sondern das volle Bewusstsein dessen, was Ihm bevorstand. Als der ewige Sohn Gottes wusste Er alles im Voraus, und als vollkommener Mensch empfand Er alles mit den reinen Empfindungen seiner heiligen Seele.

Doch auch in diesen notvollen Augenblicken war Er in Liebe um seine Jünger besorgt. Er wollte nicht, dass diese Stunden, in denen sie ohne Ihn sein würden, sie unvorbereitet trafen. Verschiedene Male hatte Er sie in diesem Evangelium konkret auf seine bevorstehenden Leiden, auf seinen Tod und auf seine Auferstehung hingewiesen. Doch sie hatten kein Gehör für solche Gedanken, und so blieb ihnen das Gesagte verborgen (Lk 18,34).

Jetzt sprach Er nicht davon, was die Menschen – Juden und Nationen – tun würden, sondern was Gott tun würde. «Ich werde den Hirten schlagen, und die Schafe der Herde werden zerstreut werden.» Das war die Seite Gottes, sozusagen sein Ratschluss: «Diesen, hingegeben nach dem bestimmten Ratschluss und nach Vorkenntnis Gottes, habt ihr durch die Hand von Gesetzlosen an das Kreuz geschlagen und umgebracht» (Apg 2,23). Diese beiden Seiten vom Tod unseres Heilands – die souveränen Wege Gottes und die Verantwortlichkeit des Menschen – kann man nicht voneinander trennen. Und doch können wir diese beiden Linien mit unserem Verstand nicht zusammenbringen.

Der Herr Jesus war jetzt nicht mit dem beschäftigt, was das Schwert Gottes für Ihn bedeutete. Dieser Augenblick kam später, als Er im Garten Gethsemane in ringendem Kampf war. Jetzt dachte Er an die Not, die dieser Umstand über die Jünger bringen würde. Welch eine Liebe und Selbstlosigkeit! David redet in Psalm 69,7 prophetisch davon: «Lass nicht durch mich beschämt werden, die auf dich harren, Herr, HERR der Heerscharen!» Durch das Gericht Gottes, das den Herrn Jesus traf, wurden der Glaube der Jünger und ihr Vertrauen zu Gott erschüttert. Wenn Gott mit dem vollkommenen Menschen Jesus in dieser Weise verfuhr, wo sollten sie dann Zuflucht und Hilfe finden?

Das Geschehen auf Golgatha ist in jeder Hinsicht einmalig in der Weltgeschichte. In jenem Augenblick sah es so aus, als ob Gott den einzig gerechten Menschen, der je auf der Erde gelebt hatte, im Stich liess. Es sah gerade so aus, als ob Gott gar nicht da wäre. Der Prophet Jesaja drückte dies mit den Worten aus: «Und wir, wir hielten ihn für bestraft, von Gott geschlagen und niedergebeugt» (Jes 53,4). Doch wir wissen: Es geschah unsertwegen. Für die Jünger aber stand damals gewissermassen alles auf dem Kopf. Wenn der Herr nicht gemäss Psalm 69,7 für sie gebetet hätte, was wäre wohl aus ihnen geworden?

Doch der Herr Jesus sprach damals nicht nur vom Gericht Gottes, das Ihn treffen würde, sondern auch von seiner Auferweckung. Welch ein Ausblick! Scheinbar überhörten die Jünger diesen Zusatz jedes Mal, wenn der Meister von seinem bevorstehenden Tod sprach. Wie schnell passiert das auch uns! Wenn wir jedoch das Ziel – das Danach – nicht im Auge haben, werden wir immer fehlgehen. So erging es auch den Jüngern. Sie waren nur mit sich selbst und ihrer Meinung über sich selbst beschäftigt, sodass die Ereignisse ihnen nur dazu dienten, dass sie ihr eigenes Unvermögen und ihr Versagen erkennen mussten. Petrus, der am meisten von sich hielt, fiel am tiefsten. Doch der Herr hatte in seiner Gnade ganz besonders auch für ihn gebetet, damit sein Glaube nicht aufhörte (Lk 22,32).

An uns liegt es, auf Ihn zu hören und Ihm zu vertrauen, denn Er ist auch für uns besorgt. Wenn unsere Herzen mehr mit Ihm beschäftigt wären – wie hat Er uns doch durch sein Wort sein eigenes Herz geöffnet –, dann hielten wir nicht so viel von uns selbst. Als Folge davon würden wir weniger oft solch bittere Erfahrungen mit unserer alten Natur machen, sondern vermehrt gesegnete Eindrücke von seiner Liebe und Fürsorge empfangen. Wir würden in allen Umständen mehr in seiner Liebe ruhen.