Die Tiefe Gottes – das Wesen des Allmächtigen

Hiob 11,7-9; Epheser 3,18-19

Für den natürlichen Menschen bleiben die Tiefe Gottes und das Wesen des Allmächtigen unergründlich. Seine Gedanken sind nicht unsere Gedanken, und seine Wege sind nicht unsere Wege. Zophar, einer der Freunde Hiobs, hatte dies erkannt. Er stellte die aus seiner Sicht berechtigte Frage:

«Kannst du die Tiefe Gottes erreichen oder das Wesen des Allmächtigen ergründen? Himmelhoch sind sie – was kannst du tun? Tiefer als der Scheol – was kannst du erkennen? Länger als die Erde ist ihr Mass und breiter als das Meer» (Hiob 11,7-9).

Zophar spricht hier zuerst von Gott selbst, von seiner Tiefe und von seinem Wesen. Dann aber wechselt er und spricht offensichtlich von den Gedanken Gottes. Er spricht von dessen Wegen und Geheimnissen, die ihm völlig rätselhaft erscheinen. Im Licht des Neuen Testaments gibt uns der Epheser-Brief eine Antwort auf diese Frage im Alten Testament. Am Ende von Kapitel 3 spricht der Apostel Paulus zunächst vom Ratschluss und dann von der Fülle Gottes:

«Damit ihr völlig zu erfassen vermögt mit allen Heiligen, welches die Breite und Länge und Höhe und Tiefe sei, und zu erkennen die die Erkenntnis übersteigende Liebe des Christus, damit ihr erfüllt sein mögt zu der ganzen Fülle Gottes» (Eph 3,18.19).

Das Geheimnis, von dem Paulus in Epheser 3 spricht, ist «Christus und seine Versammlung». Das ist der Ratschluss, den Gott «vor ewigen Zeiten» gefasst hat. Er besteht darin, dass ehemals verlorene Menschen aus Juden und Nationen jetzt gemeinsam mit dem verherrlichten Herrn Jesus im Himmel verbunden sind. Mit erleuchteten Augen unserer Herzen dürfen wir die Dimensionen dieses Ratschlusses erkennen – auch wenn wir gleichzeitig sagen müssen, dass wir ihn nie ausschöpfen können.

Vier Dimensionen

Im Buch Hiob und im Epheser-Brief lesen wir von vier Dimensionen. Zophar spricht von Höhe, Tiefe, Länge und Breite. Paulus spricht – geleitet vom Heiligen Geist – von der Breite, Länge, Höhe und Tiefe.

Manchmal wird gesagt, wir hätten in Epheser 3 die vier Dimensionen der Liebe des Christus vor uns. Der Zusammenhang des Abschnitts zeigt aber, dass es um den Ratschluss und den herrlichen Mittelpunkt dieses Ratschlusses – den Sohn der Liebe des Vaters – geht.

Warum vier Dimensionen? Das Gegenständliche dieser Erde ist dreidimensional. Das erfassen wir mit unserem Verstand. Vier Dimensionen dagegen deuten an, dass wir es hier mit etwas zu tun haben, das über den menschlichen Verstand hinaus geht. Wir begreifen den Ratschluss Gottes nicht mit unserem Verstand, auch nicht mit menschlicher Logik. Ausserdem geht der Ratschluss Gottes weit über die geschaffene Erde hinaus. Wir haben es hier mit der himmlischen und ewigen Welt zu tun.

Was bedeuten nun die vier genannten Dimensionen? Solange wir an Raum und Zeit gebunden sind, werden wir die volle Bedeutung dieser Worte wohl nicht ergründen können. Gott lässt uns aber doch einen Blick in sein Herz tun. In Verbindung mit dem Hinweis aus Hiob 11 gibt Er die Richtung an, in die wir denken dürfen. Eines wird dabei sofort klar: Wir haben es mit geistlichen Begriffen zu tun.

Die Breite

Sie erinnert uns an das Meer, das in der Bildersprache der Bibel von Völkern und Menschen in ihrer Unruhe spricht. In Jesaja 57,20 sagt Gott: «Die Gottlosen sind wie das aufgewühlte Meer.» Solche Menschen hat Gott genommen, um sie dem Herrn Jesus zu geben. Da gibt es keinen Unterschied mehr zwischen Juden und Heiden. Beide sind verloren. Nun sind alle Menschen durch das Evangelium angesprochen. Glaubende aus den Juden und Glaubende aus den Heiden bilden jetzt gemeinsam die Versammlung Gottes, deren herrliches Haupt Christus ist.

Das Werk des Herrn Jesus am Kreuz ist so gewaltig, dass alle Menschen kommen können – wenn sie nur wollen. Und wie gewaltig gross ist die Zahl derer, die tatsächlich gekommen sind! Stellen wir uns einmal vor, alle Gläubigen der Gnadenzeit würden nebeneinander stehen. Welch eine gewaltige Breite würde das ergeben! Und in jedem Einzelnen dieser ehemals verlorenen Menschen wird die Erlöserherrlichkeit des Herrn Jesus sichtbar!

Die Länge

Zophar sagt: «Länger als die Erde.» Dabei müssen wir an ein Zeitmass denken. Für den Anfang und das Ende der geschaffenen Erde gibt es einen klar fixierten Zeitpunkt. Der Ratschluss Gottes aber geht darüber hinaus. Er ist ewig. Er hat keinen Anfang, und er hat auch kein Ende. Die Gedanken Gottes sind ewig, wie Er selbst ewig ist. Sein Vorsatz ist ein Vorsatz der Ewigkeit und reicht in alle Ewigkeit. Mit anderen Worten: Der Ratschluss Gottes ist «von Ewigkeit zu Ewigkeit». Wir werden nie aufhören, mit Christus verbunden zu sein.

Wieder leuchtet uns die Herrlichkeit des Herrn Jesus entgegen. Als ewiger Sohn Gottes ist Er von Ewigkeit zu Ewigkeit. Er hat keinen Anfang und kein Ende. Als solcher ist Er der Mittelpunkt dieses herrlichen Ratschlusses.

Die Höhe

Sie steht im Gegensatz zur Tiefe. Wir befanden uns in der tiefsten Tiefe, als uns die Gnade Gottes fand. Jetzt sind wir zur höchsten Höhe erhöht. Wir sind jetzt schon – im Glauben – in Christus in die himmlischen Örter versetzt und werden die Ewigkeit im Vaterhaus zubringen. Wir sind Kinder Gottes und seine Söhne, wir bilden zusammen die Versammlung des lebendigen Gottes. Kann es etwas Höheres geben, als in Ewigkeit die Sphäre des Vaterhauses zu geniessen? Eine engere Verbindung als die, in die wir als Versammlung mit Christus gebracht sind, ist nicht vorstellbar.

Gleichzeitig sehen wir den Herrn Jesus selbst auf dem höchsten Platz. Er hat sich erniedrigt und als Antwort von Gott jenen einmaligen Ehrenplatz bekommen. Gott hat Ihn «zu seiner Rechten in den himmlischen Örtern über jedes Fürstentum und jede Gewalt und Kraft und Herrschaft und jeden Namen, der genannt wird, gesetzt … und hat alles seinen Füssen unterworfen und ihn als Haupt über alles der Versammlung gegeben» (Eph 1,20-22).

Die Tiefe

Sie weist uns auf den Scheol (das Totenreich) hin. Zophar sagt: «Tiefer als der Scheol.» Das bedeutet: über die Erde und das Grab hinaus. Das Totenreich ist eine Folge der Sünde, denn ohne Sünde gäbe es kein Totenreich. Das erinnert an unseren natürlichen Zustand, den Gott als «tot in Vergehungen und Sünden» bezeichnet. Aus dieser Tiefe hat uns der Gnadenratschluss Gottes herausgeholt.

Gleichzeitig denken wir daran, wie tief der Herr Jesus gehen musste, um uns zu erretten und den Ratschluss Gottes Wirklichkeit werden zu lassen. Er nahm unsere Stelle ein. Er ging in den Tod, den wir verdient hatten. Unmöglich können wir uns mit dem Ratschluss Gottes beschäftigen, ohne an die Not zu denken, die unseren Heiland getroffen hat. Das führt uns zu Lob, Dank und Anbetung.

Die Liebe des Christus und die Fülle Gottes

Was ist die Folge, wenn wir so mit den Dimensionen des Ratschlusses Gottes beschäftigt sind und der Herr Jesus selbst vor uns steht? Wir werden auf die die Erkenntnis übersteigende Liebe des Christus hingelenkt. Der Ratschluss Gottes kann nicht von der Person des Herrn Jesus getrennt werden. Und wenn wir mit Ihm beschäftigt sind, dann möchten wir seine Liebe erkennen und geniessen. Je mehr sie uns erfüllt, umso deutlicher spüren wir, dass sie alle Erkenntnis übersteigt. Wir werden seine Liebe in Ewigkeit nie völlig begreifen können.

Dann fügt Paulus die Worte hinzu: «Damit ihr erfüllt sein mögt zu der ganzen Fülle Gottes.» Das führt uns zu den Worten Zophars zurück, der von der Tiefe Gottes und dem Wesen des Allmächtigen sprach. Er wollte wissen, ob Hiob die Tiefe Gottes erreichen und das Wesen des Allmächtigen ergründen könne. Hier ist die Antwort auf seine Frage. Wir sagen es mit den Worten der Bibel: Es ist möglich, dass Menschen zu der ganzen Fülle Gottes erfüllt werden. Auch wenn wir es nicht begreifen können, Gottes Wort sagt es so.

Vom Herrn Jesus lesen wir, dass «die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig» in Ihm wohnt. Die Herrlichkeit Gottes in ihrer ganzen Fülle können wir nur im Angesicht Christi sehen. In uns könnte diese Fülle niemals wohnen. Deshalb heisst es, dass wir erfüllt sein sollen zu der Fülle Gottes. Das bedeutet, dass wir für sie geöffnet sind, für das, was Gott ist und was Er gibt. Wir gleichen einem kleinen Gefäss, das zwar mit Wasser gefüllt ist, das aber niemals das ganze Wasser dieser Erde aufnehmen kann. Wir bewegen uns sozusagen in der Fülle Gottes. Je mehr wir das tun, umso mehr erkennen wir, wie unendlich sie ist.

An diesem Punkt angekommen, spüren wir unser Unvermögen. Der Herr Jesus weiss das. Deshalb endet Paulus diesen Abschnitt mit den Worten: «Dem aber, der über alles hinaus zu tun vermag, über die Massen mehr, als was wir erbitten oder erdenken, nach der Kraft, die in uns wirkt, ihm sei die Herrlichkeit in der Versammlung in Christus Jesus auf alle Geschlechter des Zeitalters der Zeitalter hin! Amen.» In diesen Lobpreis, der von der Versammlung, also von uns allen gemeinsam zu Gott aufsteigen soll, stimmen wir von Herzen ein.