Nach langen Jahren der Wanderung durch die Wüste war das Volk Israel endlich im Land Kanaan angekommen. Auf dem Trockenen waren sie durch den Jordan gezogen. Jetzt hatten sie das ersehnte Ziel erreicht, das verheissene Land, von dem Gott gesagt hatte, dass es von Milch und Honig fliesse. Konnten sie ihr Erbteil jetzt in Besitz nehmen? Nein, sie mussten feststellen, dass das Land von Feinden bewohnt war.
Doch Gott hatte gesagt: «Jeden Ort, auf den eure Fusssohle treten wird – euch habe ich ihn gegeben» (Jos 1,3). Israel musste das Land zuerst erobern. Dazu brauchte es gute Vorbereitungen. Josua, der Anführer, verstand etwas davon. Jeder Heerführer weiss, dass es für eine Eroberung ein gutes Basislager braucht. Josua errichtete dieses Lager in Gilgal. Dorthin kehrte das Volk auch immer wieder zurück.
Bevor jedoch der Kampf beginnen konnte, waren noch andere Vorbereitungen nötig. Sie sind uns in Josua 5 beschrieben, nämlich:
- die Beschneidung
- die Nahrung
- das Wissen um die Gegenwart Gottes
Diese drei Punkte sind für uns von grosser geistlicher Bedeutung.
Die Beschneidung
In Gilgal wurde das Volk beschnitten. Nachdem dies geschehen war, sagte Gott zu Josua: «Heute habe ich die Schande Ägyptens von euch abgewälzt.»
Obwohl die Beschneidung eine äusserliche Handlung war, zeigt Gott schon im Alten Testament, dass die wahre Beschneidung innerlich, am Herzen, geschieht: «Beschneidet euch für den HERRN und tut die Vorhäute eurer Herzen weg, ihr Männer von Juda und ihr Bewohner von Jerusalem, damit mein Grimm nicht wie ein Feuer ausbreche und unauslöschlich brenne wegen der Bosheit eurer Handlungen.» (Jer 4,4).
Im Neuen Testament wird mehrfach auf die Bedeutung der Beschneidung hingewiesen. Stephanus warf den Führern des Volkes vor: «Ihr Halsstarrigen und Unbeschnittenen an Herz und Ohren! Ihr widerstreitet allezeit dem Heiligen Geist; wie eure Väter, so auch ihr» (Apg 7,51). Und Paulus erklärt: «Beschneidung ist die des Herzens, im Geist, nicht im Buchstaben» (Röm 2,29).
Die eigentliche Belehrung über die Bedeutung der Beschneidung für uns Christen finden wir in Kolosser 2,9-13: «Denn in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig; und ihr seid vollendet in ihm, der das Haupt jedes Fürstentums und jeder Gewalt ist; in dem ihr auch beschnitten worden seid mit einer nicht mit Händen geschehenen Beschneidung, in dem Ausziehen des Leibes, des Fleisches, in der Beschneidung des Christus, mit ihm begraben in der Taufe, in dem ihr auch mitauferweckt worden seid durch den Glauben an die wirksame Kraft Gottes, der ihn aus den Toten auf erweckt hat. Und euch, als ihr tot wart in den Vergehungen und dem unbeschnittenen Zustand eures Fleisches, hat er mitlebendig gemacht mit ihm, indem er uns alle Vergehungen vergeben hat.»
Wir sind also mit einer nicht mit Händen geschehenen Beschneidung beschnitten worden. Paulus nennt dies «das Ausziehen des Leibes des Fleisches». Ist das nicht etwas völlig Abstraktes? Was bedeutet dies konkret in der Praxis unseres Christenlebens?
Es besagt, dass für unseren Kampf des Glaubens unsere menschliche Natur und menschliche Hilfsmittel absolut ungeeignet sind. Wir kämpfen ja, wie wir aus Epheser 6,12 wissen, «nicht gegen Fleisch und Blut, sondern gegen die Fürstentümer, gegen die Gewalten, gegen die Weltbeherrscher dieser Finsternis, gegen die geistlichen Mächte der Bosheit in den himmlischen Örtern».
Es gilt also da das Messer anzusetzen, wo sich unsere alte Natur wieder regen will und ihre Schösslinge treibt. In Kolosser 3,5 werden wir aufgefordert: «Tötet nun eure Glieder; die auf der Erde sind: Hurerei, Unreinheit, Leidenschaft, böse Lust und die Habsucht, die Götzendienst ist.» Diese «geistliche Beschneidung» betrifft nicht nur offensichtlich sündige Dinge, sondern muss auf alles angewendet werden, was aus uns selbst, aus unserer eigenen Natur kommt. Dazu zählen auch unser Intellekt, unsere geistigen Fähigkeiten, unsere Lebenserfahrung und menschliche Weisheit, unsere angeborene Menschenkenntnis und das damit verbundene Urteilsvermögen usw.
Das Beispiel von König Saul illustriert dies sehr anschaulich. Saul war ein Mann, dem diese innere Beschneidung fehlte. Als David sich anerbot, gegen Goliath zu kämpfen, urteilte er: «Du vermagst nicht gegen diesen Philister auszugehen, um mit ihm zu kämpfen; denn du bist ein Jüngling, er aber ist ein Kriegsmann von seiner Jugend an» (1. Sam 17,33). So folgert der natürliche Mensch, der erfahrene Offizier. Als David auf seinem Ansinnen beharrte, bot Saul ihm seine Waffenrüstung an. Aber David konnte darin nicht gehen, deshalb legte er sie wieder ab. Er besiegte den Riesen mit Gottes Hilfe durch seinen Glauben. In der Praxis unseres Glaubenslebens heisst das: «Durch den Geist Gottes dienen und uns Christi Jesu rühmen und nicht auf Fleisch vertrauen» (Phil 3,3).
Israel kehrte immer wieder nach Gilgal zurück. Das zeigt uns, dass das Selbstgericht nicht aufhört. Wir müssen es täglich anwenden, um ein Leben des Sieges führen zu können.
Die Nahrung
In den Versen 10-12 lesen wir von drei verschiedenen Nahrungsmitteln:
- das Passah
- das Manna
- das Getreide des Landes
In Gilgal feierte das Volk das Passah. Das erste Passah erlebte Israel in Ägypten (2. Mo 12). Dort stand das Blut im Vordergrund. Das Passah ist ein deutlicher Hinweis auf das Werk des Herrn Jesus am Kreuz, das uns vor dem Gericht Gottes schützt.
Beim Einsetzen des Passahfestes sagte Gott: «Dieser Tag soll euch zum Gedächtnis sein, und ihr sollt ihn als Fest dem HERRN feiern; als ewige Satzung bei euren Geschlechtern sollt ihr ihn feiern» (2. Mo 12,14). Somit war jedes weitere Passahfest ein Gedächtnis an das, was sie in Ägypten erlebt hatten. Auch wir kennen eine ähnliche Aufforderung wie Israel: «Dies ist mein Leib, der für euch gegeben wird; dies tut zu meinem Gedächtnis!» (Lk 22,19). Und in 1. Korinther 11 finden wir die Belehrungen über das Gedächtnismahl des Herrn.
Zunächst feierten die Israeliten das Passah in der Wüste (4. Mo 9,1-14). Dort lernen wir, dass man das Passah nur in reinem Zustand essen darf. Entsprechend wird in 1. Korinther 11,28 die persönliche Reinheit derer unterstrichen, die am Mahl des Herrn teilnehmen.
In Josua 5 feierten sie das Passah im Land. Auch hier ist es zum Gedächtnis. Auf uns bezogen ist es ein Gedenken an das vollbrachte Erlösungswerk und ein Ruhen darin. Wenn wir also beim Mahl des Herrn durch das Essen des Brotes und das Trinken des Kelches seinen Tod verkündigen, beschäftigen wir uns mit seinem Erlösungswerk am Kreuz von Golgatha und seinem Opfertod, und dies bedeutet Nahrung für unsere Seelen. Das Manna, das dem Volk in der Wüste als Nahrung diente, spricht vom Leben Jesu auf dieser Erde. Wenn wir unseren Herrn als Mensch in den irdischen Umständen betrachten, wenn wir sein Verhalten, seine Sanftmut und Demut anschauen, bedeutet das Speise für unsere Seelen, und zwar im Blick auf unser irdisches Leben in den täglichen Umständen. Er selbst sagt zu uns: «Lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig» (Mt 11,29). Deshalb werden wir auch aufgefordert: «Betrachtet den, der so grossen Widerspruch von den Sündern gegen sich erduldet hat, damit ihr nicht ermüdet, indem ihr in euren Seelen ermattet» (Heb 12,3). Und: «Christus hat für euch gelitten, euch ein Beispiel hinterlassend, damit ihr seinen Fussstapfen nachfolgt; der keine Sünde tat, noch wurde Trug in seinem Mund gefunden, der gescholten, nicht wiederschalt, leidend, nicht drohte, sondern sich dem übergab, der gerecht richtet» (1. Pet 2,21-23). Leider ist unsere Praxis oft weit von dem entfernt, was unser Herr uns hier auf der Erde vorgelebt hat.
Das Getreide des Landes redet vom verherrlichten Christus. Wenn wir uns an Ihm in der Herrlichkeit erfreuen und an all den ewigen Gedanken und Ratschlüssen Gottes, die in Ihm ihre Erfüllung fanden, dann werden unsere Herzen genährt, ja, noch mehr: Wenn wir die Herrlichkeit des Herrn anschauen, werden wir in sein Bild verwandelt (2. Kor 3,18).
Gott gibt uns diese Nahrungsmittel «vor den Toren Jerichos», angesichts der Feinde. «Du bereitest vor mir einen Tisch angesichts meiner Feinde; du hast mein Haupt mit Öl gesalbt, mein Becher fliesst über» (Ps 23,5).
Das Wissen um die Gegenwart Gottes
Im Kampf gegen die übermächtigen Feinde ist es wichtig, die Stärke unseres Gottes zu kennen. «Wenn Gott für uns ist, wer gegen uns?» (Röm.8,31). In den letzten Worten, die der Herr Jesus an seine Jünger richtete, sagte Er unter anderem zu ihnen: «In der Welt habt ihr Bedrängnis; aber seid guten Mutes, ich habe die Welt überwunden» (Joh.16,33). Es ist gut zu wissen, dass unser Herr im Himmel die Kämpfe lenkt. So war es für Josua sicher eine wunderbare Erfahrung, die Gegenwart Gottes in dieser Weise zu erfahren und die Zusage seiner Hilfe zu bekommen. Er machte eine ähnliche Erfahrung wie seinerzeit Mose beim brennenden Dornbusch in der Wüste (2. Mo 3,5). So wie Mose und Josua sind auch wir in unserem Kampf nicht auf uns allein gestellt. Das erste gezückte Schwert, von dem wir in diesem Buch lesen, ist in der Hand des Herrn. Doch wir werden seine Hilfe nur wirklich erfahren können, wenn unser Leben von praktischer Heiligkeit geprägt ist.
Ausserdem lernen wir aus diesen Versen, dass es im geistlichen Kampf keine neutrale Stellung gibt. «Bist du für uns oder für unsere Feinde?» fragte Josua. Grundsätzlich sind alle Dinge für den Gläubigen entweder zum Guten oder zu einem Hindernis.