Abraham lebte, nachdem Gott ihn aus Ur in Chaldäa herausgeführt hatte, durch Glauben in einem fremden Land, das Gott jedoch seinen Nachkommen verheissen hatte. Als Fremdling wohnte er in Zelten. Das war kein einfaches Dasein und brachte diesem Glaubensmann manche Not und Übung.
Aber wie anders ist es, Schwierigkeiten auf einem Weg zu haben, auf dem man die Gemeinschaft mit Gott kennt und geniesst, als auf einem selbstgewählten Weg in Not zu geraten wie Lot, der das unglückliche Los mit der Welt (Sodom) teilen musste.
Bundesgenossen
Das ist die Ausgangslage in diesem Kapitel. Während Lot mitsamt seiner Familie und seiner Habe von fremden Königen weggeführt wurde, wohnte Abraham unter den Terebinthen von einem seiner Bundesgenossen. Mamre, Aner und Eskol werden hier als Bundesgenossen von Abraham erwähnt. Was waren das für Leute? Wir finden sie in der Heiligen Schrift nur in diesem Abschnitt. Später werden zwar zwei Städte und ein Tal mit gleichen Namen genannt (1. Mo 23,17; 1. Chr 6,55; 4. Mo 13,23).
Die Bedeutung der Namen dieser Männer scheint uns Aufschluss darüber zu geben, was der Heilige Geist uns durch sie sagen möchte. Mamre bedeutet soviel wie «Fettigkeit» oder «Stärke»; Aner heisst «Spross» oder «Wasserfall»; und Eskol bedeutet «Traube» (Wein- oder Datteltraube). Wie glücklich muss Abraham mit solchen Bundesgenossen gewesen sein. Wir können uns fragen: Wie heissen meine und deine «Bundesgenossen», oder: Welche Merkmale sind mit unserem inneren Leben verbunden, die dann auch Tag für Tag das äussere Leben kennzeichnen? Sind es das Bewusstsein des ewigen Lebens, das in uns ist, und die Kraft des Heiligen Geistes? Ist es die tägliche Erfrischung aus dem Bach Gottes, der das neue Leben sprossen lässt. Und ist es Frucht aus einem Leben der Gemeinschaft mit Gott und die damit verbundene Freude? Welch ein gesegneter Zustand, wenn es so ist!
Da erreichte Abraham die Botschaft von der Gefangennahme seines Neffen Lot und dessen Familie. Wie einfach schien es Abraham zu fallen, in diesem Augenblick richtig zu handeln. Aus der glücklichen Gemeinschaft mit Gott heraus und im Vertrauen auf Ihn zögerte er nicht, sich mit seinen Geübten, seinen Hausgeborenen, auf die Verfolgung dieser räuberischen Könige zu machen, sie zu schlagen und ihnen die Beute zu entreissen. Eine schwierige und gefährliche Angelegenheit!
Am Ende kehrte er als Sieger zurück. Was mögen dabei seine Gedanken gewesen sein? Bestimmt war er dankbar für den guten Ausgang dieser nicht ungefährlichen Aktion. Vielleicht dachte er ungewollt über die bis jetzt unbekannte Schlagkraft seines kleinen Heeres nach. Bestimmt war er müde von der Anstrengung, die hinter ihm lag. Vielleicht war er auch in seinem Geist ermattet und die Frische der Gemeinschaft mit Gott hatte etwas gelitten. Wie schnell steigen in einem solchen Moment Zweifel oder Einbildung im Herzen auf. Es besteht zwar keine unmittelbare Gefahr, doch sie ist in der Person des Königs von Sodom bereits in Sichtweite.
Das ist jedoch nur die sichtbare Seite der Dinge. Gott hatte alles längst gesehen. Er, der unser Gebilde kennt und eingedenk ist, dass wir Staub sind, sorgte für Abraham. Der Glaubensmann sollte dem König von Sodom nicht ohne göttliche Stärkung begegnen müssen. Wie gross ist Gottes Gnade, Fürsorge und Erbarmen!
Melchisedek
Gott schenkte Abraham dreierlei: erstens die Person, die ihm jetzt begegnete, zweitens das, was er von diesem Mann empfing, und drittens das, was er zu hören bekam. Das ist auch für uns, die wir Begegnungen mit der Welt, Kämpfe und Versuchungen haben, eine wichtige Lektion. Ohne immer wieder eine persönliche Begegnung mit dem wahren Melchisedek gehabt zu haben, ist es sehr schwer, wenn nicht sogar unmöglich, sich richtig verhalten zu können und in dieser Welt vor Schaden bewahrt zu bleiben.
Wir hätten die Situation hier vielleicht nicht so gewichtig oder dramatisch eingeschätzt. Doch Gott beurteilt alles gemäss seinem Wesen und nach dem Charakter der Dinge, wie sie wirklich sind.
In diesem Fall bediente Er sich dieses geheimnisvollen Mannes, von dem es in Hebräer 7 heisst, dass er weder Anfang der Tage noch Ende des Lebens habe, aber dem Sohn Gottes ähnlich gemacht wird. Zudem erschien Melchisedek in dem zweifachen Charakter als König der Gerechtigkeit oder des Friedens und als Priester Gottes, des Höchsten. Welch ein schöner Hinweis auf die Person, mit der wir es zu tun haben! Es ist unser Herr, dem alle Macht im Himmel und auf der Erde gegeben ist. Er will uns in allen Umständen seinen Frieden schenken. Er lebt jetzt, um sich als der grosse Hohepriester für uns zu verwenden. Ja, wir besitzen Ihn selbst als das ewige Leben. Das ist kein billiger Trost, das ist der Schild, der den ganzen Mann deckt, das ist die Hilfe des Mächtigen Jakobs (1. Mo 15,1; Ps 5,13; 146,5; Jes 60,16).
Er wusste auch richtig zu stärken. Melchisedek brachte für Abraham Brot und Wein heraus. Psalm 104,15 belehrt uns über Brot und Wein. Das Brot weist uns auf Den hin, der vom Himmel gekommen ist, um uns das Leben zu geben und es in uns aufrechtzuerhalten. Wir dürfen uns ständig von Ihm als dem Brot Gottes nähren. Und der Wein: Wer in den Gedanken über die Person des Herrn Jesus – sein Leben, seine Gesinnung, sein Wirken, seine Reden, sein Werk am Kreuz und seine Verherrlichung als Mensch im Himmel – Gemeinschaft mit Gott, dem Vater, hat, geniesst im Bild von diesem Wein.
Schliesslich ermunterte Melchisedek den Patriarchen durch ein Wort, das von Segensabsichten, von der Grösse und Allmacht Gottes redet und mit einem Lobpreis Gottes endet. Abraham hatte dieses Wort in sich aufgenommen! In der darauffolgenden Glaubensprüfung konnte Abraham dem Versucher genau mit diesem Wort widerstehen. Darin gleicht er dem Heiland (Lk 4,1-13).
Das Angebot des Königs von Sodom und was Gott gibt
Unmittelbar nach dieser Begegnung mit Melchisedek trat der König von Sodom dem Patriarchen entgegen. Wie oft erleben wir Ähnliches. Wir sind durch das Wort Gottes, in der Stille gelesen oder in der Verkündigung gehört, gestärkt und gesegnet worden, und nun kommt die Erprobung unseres Glaubens durch die Versuchungen der Welt und die Listen des Teufels. Haben wir Grund, uns zu fürchten? Nein, es ist nur die Bestätigung dafür, wie sehr wir den ständigen Umgang mit dem wahren Melchisedek nötig haben.
«Gib mir die Seelen, und die Habe nimm für dich.» Das ist seit jeher die Sprache des Teufels. Wie listig und mächtig kommt der grosse Feind der Seelen gerade heute mit diesen Gedanken auf die Menschen zu. Dazu ist ihm jedes Mittel recht. «Überlass doch deine Kinder möglichst früh den eigens dafür geschaffenen Institutionen, und widme dich ganz dem Beruf und dem Verdienst. Dann kannst du all den materiellen Bedürfnissen (und Wünschen) am ehesten gerecht werden.» Welch eine gewaltige Versuchung, die mehr und mehr auch die Familien der Gläubigen erfasst. Lasst uns diesbezüglich auf der Hut sein.
Durch seine Antwort an den König von Sodom gibt uns Abraham eine herrliche Ermunterung für den Glauben. Wie brachte er es nur fertig, ein so freundliches und grosszügiges Angebot kategorisch und radikal auszuschlagen? War das nicht sehr unfreundlich von Abraham? Wie oft lassen wir uns vom zuvorkommenden Anerbieten der Welt gefangen nehmen. Man kann doch nicht immer nein sagen. Was sollen denn die Leute denken? Dabei vergessen wir oft, dass die göttliche Menschenliebe immer Hand in Hand mit der Wahrheit geht. Sie hat ganz andere Mittel und Wege, um sich zu zeigen, als mit der Welt die kleinsten Händel einzugehen.
«Wenn vom Faden bis zum Schuhriemen, ja, wenn ich irgendetwas nehme von dem, was dein ist.» Abraham berief sich lieber auf den Gott, der Himmel und Erde besitzt, als von dieser Habe etwas zu nehmen. Welch ein Vergleich! Was ist unsere Wahl? Das Häuflein Habe oder der Gott, der Himmel und Erde besitzt? Er sagt von sich: «Mein ist das Silber und mein das Gold.» –«Mein ist alles Getier des Waldes, das Vieh auf tausend Bergen» (Hag 2,8; Ps 50,10).
Der springende Punkt ist: Wer nie im Glauben zu den Dingen dieser Welt nein gesagt hat, wird immer getrübte Augen für den Reichtum der Herrlichkeit Gottes und für das haben, was Gott uns im Herrn Jesus geschenkt hat.
Mit dieser Antwort an den König von Sodom endet diese Begebenheit. Aber damit ist die Geschichte des Glaubensmannes Abraham nicht zu Ende. Vielleicht fragte er sich im Nachhinein, ob wohl alles richtig war, was er getan hatte, ob er nicht über das Mass seines Glaubens hinausgegangen war. Da richtete Gott sein Wort an ihn, um seinen Glauben erneut zu stärken: «Fürchte dich nicht, Abram; ich bin dir ein Schild, dein sehr grosser Lohn» (1. Mo 15,1).
Abraham hat richtig gewählt. Haben wir den Glauben, um immer richtig zu wählen? Sein Beispiel möge uns anspornen.